Zwo komma sechs? Mit einem solchen Notenschnitt hätte er an der Essener Uni zumindest keinen Platz für „Medizinmanagement“ ergattern können. „Märkte und Unternehmen“, okay, der Studiengang aus dem weiten Feld der Wirtschaftswissenschaften, hätte immerhin gerade so gepasst.
Zwo komma sechs? Mit einem solchen Notenschnitt hätte er an der Essener Uni zumindest keinen Platz für „Medizinmanagement“ ergattern können. „Märkte und Unternehmen“, okay, der Studiengang aus dem weiten Feld der Wirtschaftswissenschaften, hätte immerhin gerade so gepasst.
Aber für Thomas Kufen ging es ja auch nicht um die Abi-Note, sondern um sein „Zwischenzeugnis“ als Oberbürgermeister: Wie zufrieden sind die Essener mit seiner bisherigen Arbeit, gut zweieinhalb Jahre nach dem Amtsantritt im Rathaus Ende Oktober 2015?
Beim NRZ-Bürgerbarometer, un-serer wissenschaftlich begleiteten, repräsentativen Umfrage unter 400 zufällig ausgewählten Bürgern, bekam das Stadtoberhaupt gute Noten: Elf Prozent der Befragten zeigten sich mit der Amtsführung des heute 44-Jährigen „sehr zufrieden“, weitere 31 Prozent durchaus „zufrieden“. Am anderen Ende der Skala formulierten gerade mal zehn Prozent der Umfrage-Teilnehmer, sie seien mit dem Christdemokraten „nicht zufrieden“, weitere zwei Prozent hielten strikt den Daumen runter: „überhaupt nicht zufrieden“.
Bemerkenswert viele befragte Bürger, nämlich vier von zehn, neigten zu einem beherzten „Einerseits... andererseits...“ – und entschieden sich in der angebotenen fünfstufigen Skala für die „goldene Mitte“. Unterm Strich steht als „Notenschnitt“ eine 2,6. „Das ist für einen OB wirklich kein schlechtes Ergebnis“, sagt Sabine Lauderbach, die als wissenschaftliche Betreuerin des NRZ-Bürgerbarometers die Umfrageergebnisse ausgewertet hat: Nach ihren Worten finden sich die allermeisten (Ober-)Bürgermeister bei derlei Umfragen in einer Spanne von 2,6 bis 2,8 wieder.
Zum Vergleich: Reinhard Paß, Stadtoberhaupt von 2009 bis 2015, schnitt beim Bürgerbarometer 2012 mit einem deutlich schlechteren Halbzeit-Wert von 3,0 ab. Nur 20 Prozent der Befragten äußerten sich damals (sehr) zufrieden über den fünften sozialdemokratischen OB der Nachkriegsgeschichte.
Dieser Wert lag also nicht einmal halb so hoch wie jetzt bei Kufen – und das ist selbst für die Genossen keine große Überraschung. Denn wer sie nach kritischen Anmerkungen zu Thomas Kufen fragt, erntet oft ein (selbst)bedauerndes Achselzucken: „Er macht das gut“, heißt es durch die Bank, sei engagiert, ein guter Zuhörer, ideenreich, nicht verbiestert. Und wenn denn überhaupt genörgelt wird, dann an Kufens Ungeduld, bei der mancher hier und da schon eine leichte Dünnhäutigkeit festgestellt haben will, wo bis dato stets gute Laune Programm war.
Im Verwaltungsvorstand, dort wo die großen Entscheidungen der Stadt diskutiert und getroffen werden, glaubt mancher schon, einen Wandel bemerkt zu haben: Kufen, so heißt es, müsse sich zunehmend aus der Rolle desjenigen verabschieden, der bestimmt, wo’s langgeht.
Denn OB hin oder her, das Sagen hat die große Koalition aus SPD und CDU im Rat, und die will umworben werden – manchmal sogar darum, dass sie jenes Tempo mitgeht, das Kufen vorlegt.
„Er hat die Halbzeit-Krankheit“, sagt denn auch ein SPD-Mandatsträger im Land: Von seinem vor der OB-Wahl verbreiteten Zwölf-Punkte-Programm sind ein halbes Dutzend Themen jedenfalls nicht erkennbar in Arbeit. „Alles dauert halt viel länger als gedacht: Ich glaube, dass er da auch manchmal ganz schön verzweifelt“.
Eine Sammlungsbewegung halblinks?
Mehr noch aber verzweifeln die Sozialdemokraten an einem OB, an dem sie nicht allzu viel zu kritteln haben. Wer soll bloß Thomas Kufen in 28 Monaten bei der OB-Wahl herausfordern, nun, da den Genossen der Wunschkandidat Thomas Kutschaty durch den Karrieresprung im Land abhanden gekommen ist?
Hinter vorgehaltener Hand diskutieren auch hochrangige Sozis nach dem dritten Bier längst die Frage, ob man Kufen nicht einfach einen unabhängigen, gar parteilosen Kandidaten gegenüberstellen sollte. Aber wer würde in einer solchen Sammlungsbewegung auf halblinks Seit’ an Seit’ stehen? Und kann man in einer Stadt mit immerhin 3600 Sozialdemokraten eine Annonce „OB-Bewerber gesucht“ aufgeben, ohne sich bis auf die Knochen zu blamieren?
Schließlich kommt verschärfend hinzu, dass Thomas Kufen beim Bürgerbarometer im Norden der Stadt – dort, wo die SPD trotz aller Verluste immer noch stark ist – etwas besser abschneidet als im Süden.
Die Genossen wähnen sich schon jetzt seufzend in der Klemme: Hüben ein junger und beliebter, ebenso moderner wie volksnaher CDU-Mann als OB, drüben ein Ex-SPDler als Fischer am rechten Rand. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass der sozialdemokratische Kumpel von einst, der Karnaper Ratsherr Guido Reil, sich für die Alternative für Deutschland (AfD) als Essener OB-Kandidat aufstellen lassen will.
In ihren schlimmsten Alpträumen sieht die örtliche SPD sich bei der Oberbürgermeister-Wahl schon auf dem dritten Platz landen, weshalb ängstliche Naturen in der Partei schon als Ziel Nummer 1 ausgeben, gegen Kufen in die Stichwahl zu kommen.
Diesem scheint die zugeschriebene Stärke etwas unheimlich, zumal immer noch die alte Kohlsche Kanzler-Erkenntnis gilt, dass man nicht Umfragen gewinnen muss, sondern Wahlen. Zwo komma sechs, so ein Wert auf dem Zwischenzeugnis wäre dafür natürlich ein guter Anfang. Auch ohne Abi. Denn Kufen hat nach dem Fachabi eine Lehre zum Bürokaufmann gemacht.