Ungewöhnliche Aktion: Alle Schüler und Lehrer der Gesamtschule Bockmühle in Essen-Altendorf fordern bessere Bedingungen.

Mit einer ungewöhnlichen Aktion macht die Gesamtschule Bockmühle aus Essen-Altendorf am Montag, 30. September, auf ihre Lage aufmerksam. Die Schule ist Teil einer landesweiten Initiative, zu der sich Gesamtschulen zusammengeschlossen haben, die in so genannten sozialen Brennpunkten liegen.

Am Montag, 30. September, sollen sämtliche 1400 Schüler und rund 150 Lehrer in der Essener Innenstadt eine Menschenkette bilden, die von der Marktkirche bis zum Kino Lichtburg reicht. „Es handelt sich nicht um eine Demonstration“, betont der Vize-Schulleiter Sven Oliver Freisenhaus, „sondern um einen Unterrichtsgang“ – also eine Schulveranstaltung. Lehrer, die in einem Beamtenverhältnis stehen, dürfen weder streiken noch demonstrieren.

Bislang sechs Gesamtschulenmachen bei landesweiter Aktion mit

Unter dem Motto „Schule hoch drei: bunt, solidarisch, stark“ wollen bislang sechs Gesamtschulen in NRW bis ins Frühjahr 2020 regelmäßig für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Nach dem Prinzip „Ungleiches ungleich behandeln“ werden unter anderem gefordert: Mehr Lehrerstellen, eine bessere räumliche Ausstattung und mehr Freiheit bei der Unterrichtsgestaltung und bei Benotungsprinzipien.

Eine kaputte Tür an der Gesamtschule Bockmühle.
Eine kaputte Tür an der Gesamtschule Bockmühle. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Weil die Schulen, die sich an der Initiative „Schule hoch drei“ beteiligen, vor allem „Kinder aus bildungsfernen und/oder prekären Verhältnissen begleiten“, sei es wichtig, diese Schulen zu bevorzugen bei Renovierungs- oder Sanierungsmaßnahmen. Die Schulen müssten mehr Möglichkeiten haben, fächerübergreifend zu unterrichten und Alternativen zu entwickeln zu den herkömmlichen Schulnoten. So genannte „außerschulischer Lernorte“ müssten stärker in den Fokus genommen werden, und das Land müsse die Personal-Verteilung besser steuern.

Dramatische bauliche Situationan der Gesamtschule Bockmühle

„Wir haben derzeit zehn Stellen unbesetzt“, berichtet Sven Oliver Freisenhaus von der Gesamtschule Bockmühle. Die dramatische, bauliche Situation der Schule ist seit Jahren unverändert – eine Machbarkeitsstudie, die über Möglichkeiten eines Abrisses und Neubau Aufschluss geben soll, sei fertig, aber noch nicht veröffentlicht worden. Tatsächlich sind in den letzten Jahren einzelne Gebäudeteile saniert worden, doch der gesamte Baubestand von Essens ältester Gesamtschule gilt als marode. Erst im vergangenen Jahr hatte die Gesamtschule Bockmühle einen Bildungspreis des Initiativkreises Ruhrgebiet erhalten.

Als zweite Essener Gesamtschule beteiligt sich auch die Gesamtschule Nord (Vogelheim) an der Initiative. Schulleiter Wolfgang Erdmann will im März 2020 eine publikumswirksame Aktion starten; gedacht ist an 300 blaue Regenschirme mit dem Aufdruck „Lasst uns nicht im Regen stehen.“ „Für diese Aktion suchen wir noch Unterstützer, denn die Mittel allein für die Regenschirme haben wir nicht“, berichtet Erdmann.

Allein an der Gesamtschule Nord ist die Ausstattung mit Sonderpädagogen, die im Rahmen der vorgeschriebenen Inklusion Kinder mit Förderbedarf unterrichten sollen, dramatisch: 125 Schüler (knapp 14 Prozent) haben eine Förder-Diagnose, doch es gebe nach Angaben Erdmanns gerade mal drei volle Stellen für Sonderpädagogen. Andere Gesamtschulen müssen in diesem Schuljahr komplett ohne Sonderpädagogen auskommen – die Stellen stehen nur auf dem Papier, sind aber nicht besetzt.

Die Gesamtschule Bockmühle

Die Gesamtschule Bockmühle in Altendorf zählt zu den weiterführenden Schulen im Essener Stadtgebiet, die den größten Anteil an Schülern mit so genanntem Migrationshintergrund haben. Seit Jahren wird über einen Neubau und/oder eine Sanierung von Gebäudeteilen diskutiert, obwohl in der Schule erhebliche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden wegen Brandschutz-Vorschriften.

Die Schulleiterin Julia Gajewski wiederholt regelmäßig öffentliche Hilferufe, in denen sie klar Stellung bezieht: Die Schule sei, so Gajewski, längst an der Belastungsgrenze angelangt.

Dass Protest auf der Straße durchaus wirkungsvoll sein kann, hat zuletzt die Frida-Levy-Gesamtschule (Innenstadt) bewiesen: Mit einem Protestmarsch und vielen Aktionen kämpfte die Schule dafür, dass eine benachbarte Freifläche für neue Bauten der Schule benutzt werden soll. Mit Erfolg: Die Stadt beendete nach Jahren ihr Vorhaben, die Fläche an Investoren zu veräußern.

Die Aktion der Gesamtschule Bockmühle in der Essener Innenstadt am Montag, 30. September, beginnt um 10 Uhr.