Essen. . Die mit NS-Symbolen dekorierte Kapelle in Essen könnte denkmalwürdig sein. Warum, erklärt Andrea Pufke, Leiterin des LVR-Amtes für Denkmalpflege.
Die 1935 errichtete Krankenhaus-Kapelle der Huyssens-Stiftung in Essen-Huttrop weist ein Deckendekor mit Hakenkreuz-Elementen auf. Die Klinik hat schon vor Jahren ein auffälliges Altarbild mit einem blonden Jesus aus der Kapelle entfernen lassen. Nun sollten im Rahmen einer Umgestaltung auch andere „lebensfeindliche Symbole“ verschwinden. Dagegen regt sich in Essen Protest. Johannes von Geymüller vom Arbeitskreis 2030 warnt davor, ein bedeutendes Zeitzeugnis verschwinden zu lassen. Wir sprachen mit Dr. Andrea Pufke, Leiterin des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland, über den möglichen Denkmalwert der Kapelle.
„Das Objekt verlangt einen äußerst sensiblen Umgang“
Welche Haltung haben Sie als Fachamt für Denkmalpflege zu der Krankenhaus-Kapelle?
Andrea Pufke: Ganz neu ist das Thema für uns nicht. Wir haben uns schon in den 1980er Jahren mit dem gesamten Krankenhaus-Komplex befasst, der als Produkt des Neuen Bauens der 1920er Jahre angesehen werden kann. Eine Eintragung wurde damals nicht vollzogen. Die Kapelle ist erst im Zuge einer erneuten Sichtung des Gebäudekomplexes in den frühen 1990er Jahren durch das LVR-Amt für Denkmalpflege berücksichtigt worden. Angesichts der aktuellen Diskussion um die Kapelle hat sich Herr von Geymüller aber auch an uns gewendet. Dieses Objekt verlangt einen äußerst sensiblen Umgang, schon weil eine rechtsradikale Aneignung der Kapelle verhindert werden muss. Daher sind wir gerade dabei, uns gemeinsam mit der Unteren Denkmalbehörde zu überlegen, wie man das Thema behutsam angeht.
Wie gehen Sie dabei vor?
Wir stehen noch ganz am Anfang, weil es – bis auf eine Publikation zur Eröffnung des Krankenhauses von 1937 – so gut wie keine veröffentlichten Informationen zu der Kapelle gibt. Daher ist bisher praktisch nichts zu den konkreten Auftraggebern und ihrer Motivation bekannt. Es müsste zunächst geklärt werden, in welchem ideologischen Rahmen die Kapelle auch im Vergleich zu anderem noch erhaltenen Innenraumgestaltungen dieser Zeitstufe steht. Genauso müssen wir prüfen, ob die Christus-Darstellung tatsächlich als NS-Propaganda einzuordnen ist. In der Klinik soll es Akten zu der Kapelle geben, die wir uns einmal ansehen werden.
„Wir stellen keine Ideologie unter Denkmalschutz“
Können Sie allein anhand des Raumeindrucks schon eine erste Bewertung vornehmen?
Man kann zumindest sagen, dass die Kapelle auf jeden Fall ein Objekt ist, mit dem wir uns beschäftigen müssen – schon weil der Raum weitgehend authentisch erhalten ist und somit einen hohen Aussagewert hat. Wir werden die Prüfung jetzt ergebnisoffen angehen. Die Untere Denkmalbehörde in Essen hat einen Gesprächskreis zu der Kapelle angeregt, dem auch ein Fachhistoriker angehören sollte. Ich halte das für eine sehr gute Idee, zumal wir bislang ja gar nicht beurteilen können, welche Rolle zum Beispiel die Deutschen Christen bei der Errichtung der Kapelle spielten.
Neben den Befürwortern einer Unterschutzstellung gibt es auch Nutzer der Kapelle, die irritiert sind, dass womöglich Hakenkreuze als denkmalwürdig gelten…
Ein Denkmal muss nicht zwangsläufig schön sein oder positiv bewertet werden. Es kann künstlerische Gründe für eine Unterschutzstellung geben, aber Denkmäler sind zunächst einmal Geschichtsorte. D.h. der Denkmalschutz würde nicht eine Ideologie unter Schutz stellen, sondern das Geschichtsdokument. Und so können auch Bauwerke aus der NS-Zeit denkmalwürdig sein, weil sich an ihnen eine historische Entwicklung ablesen lässt. Als solches ist auch die Kapelle in der Huyssens-Stiftung für uns historisch spannend. Es gibt Beispiele für solche denkmalwürdigen Geschichtsorte aus dem Nationalsozialismus, etwa die NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel. In solchen Fällen könnte man eher von einem Mahnmal als von einem Denkmal sprechen.
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass ein solches Denkmal zum Wallfahrtsort für Neonazis werden könnte?
Natürlich gibt es ein solches Risiko, weswegen eine Unterschutzstellung der Kapelle auch skandalisiert werden könnte. Deswegen brauchen wir im Vorfeld eine breite gesellschaftliche Diskussion und müssen uns Gedanken machen, wie man der besonderen Verantwortung in diesem Fall gerecht wird. Sollte die Kapelle ein Denkmal werden, müsste man ein Konzept erarbeiten, um das entsprechend einzuordnen. Es wäre ein Denkmal, das man sehr stark erläutern muss.
„Die Krankenhaus-Kapelle ist ein heißes Eisen“
Die Klinik und die Evangelische Kirche in Essen hätten das Kapitel sieben Jahrzehnte nach Kriegsende gern beendet und einen neutralen Ort für Meditation, Gebete und Gottesdienste geschaffen. Wie vermitteln Sie den Verantwortlichen, dass die Hakenkreuze nun doch erhalten bleiben könnten?
Es handelt sich hier um ein heißes Eisen, mit dem man die Klinik nicht allein lassen darf. Umgekehrt haben wir die Stadt gebeten, dass die Klinik ihre Umgestaltungspläne langsamer angeht. Noch ist die Kapelle ja kein Denkmal, es wäre aber bedauerlich, wenn man da schon Fakten schaffen würde. Es dient der Angelegenheit auch nicht, nun mit einseitigen Parolen Pro oder Contra Denkmalwert zu hantieren. Vielmehr hilft die jetzt angestoßene Diskussion, das Bewusstsein für das heikle Thema zu schärfen. Ich selbst kenne die Kapelle bislang nur von Bildern, aber unser Haus sieht da zumindest einen gewissen Denkmalverdacht.
>>> UMGESTALTUNG SOLLTE IM APRIL STARTEN
Die Kapelle der Evangelischen Huyssens-Stiftung an der Henricistraße 92 in Essen-Huttrop entstand 1935, sie weist Gestaltungselemente wie Hakenkreuz-Bänder im Deckenornament auf. Die Klinik will die Kapelle völlig neu gestalten, nur die Orgel soll bleiben. Das Altarbild mit dem blonden Jesus und andere Objekte wolle man an ein Museum weitergeben, hieß es.
Grundsätzlich hatten Klinik-Leitung und Kirche die Umgestaltung bereits beschlossen, es fehlte lediglich noch an Sponsoren. Der Umbau sollte ursprünglich im April 2019 starten.