Essen. . Schau im Ruhr Museum dokumentiert die Bedeutung der Künstlersiedlung Margarethenhöhe für die kulturelle Entwicklung Essens. Mehr als 700 Exponate
Aus der Gartenstadt Margarethenhöhe ist längst ein Marketingort geworden: Vorzeige-Viertel mit Biedermeierkulisse für Stadtprospekte und immer noch für viele ein Wunschort zum Wohnen, mit lauschigen Plätzen, efeuumrankten Häusern und malerischen Laubengängen. Ein Idyll in der Stadt, das den meisten heute als Kruppsche Arbeitersiedlung im Gedächtnis ist, obwohl sie das nie wirklich wahr.
Die Geschichte der Künstlersiedlung Margarethenhöhe, die den Anfang des Ausnahme-Quartiers geprägt hat, ist in den vergangenen Jahrzehnten aber weitgehend in Vergessenheit geraten. Und so kommt das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum als Anlass gerade recht, um nicht nur die Kunst und Architektur dieser Zeit zu würdigen, sondern auch ein bedeutendes Stück Essener Stadtgeschichte noch einmal neu ins Bewusstsein zu rücken.
Welche künstlerischen, architektonischen und sozialen Impulse von dieser Siedlung damals ausgegangen ist, das dokumentiert nun die Ausstellung „Aufbruch im Westen. Die Künstlersiedlung Margarethenhöhe“ im Ruhr Museum mit rund 700 Exponaten von mehr als 100 Leihgebern. Sie sind so bunt und vielfältig wie das Thema, reichen vom Mobiliar der Gründungszeit, über Schmuck, Skulpturen und Gemälde, zeigen Briefwechsel und Baupläne, Essens Stahlbuch samt Oberbürgermeisterkette, und schaffen in der angedeuteten Lauben-Architektur der Ausstellung sogar Ortsbezug. Auf zentralem Podest und in den Seitenkabinetten begegnet man den Persönlichkeiten der Zeit, wie dem Grafiker Hermann Kätelhön, der 1919 als erster Künstler das kleine Atelierhaus bezieht.
Vertreten sind auch die bedeutende Goldschmiedin Elisabeth Treskow, Bildhauer wie Will Lammert und Joseph Enseling oder der heute weltberühmte Fotograf Albert Renger-Patzsch. Dazu gesellen sich Maler, Emailleure, Keramiker und Buchbinder, die nach Ansicht von Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums nicht nur die kurze, aber intensive Geschichte der Künstlersiedlung geprägt haben, sondern auch Richtungsanzeiger waren auf dem Weg zur späteren Kulturhauptstadt.
Ihnen widmet das Ruhr Museum nun eine der größten Ausstellungen zur Kulturgeschichte der Stadt Essen, die auf Zollverein jemals gezeigt wurden, so Grütter. Am imposantesten Ort der Industriekultur wird dokumentiert, was mit der Industrialisierung und dem damit einhergehenden rasanten Wachstum der damals noch jungen Stadt Essen auch noch passiert. Zwischen qualmenden Schloten und grauen Mietskasernen keimt auch der Wunsch nach Schönheit, guter Gestaltung und einem Leben in Eintracht mit Kunst und Umgebung auf.
Essen hat das Kapital und die richtigen Köpfe
In Essen fällt die Idee auf ganz besonders fruchtbaren Boden. Der Hagener Impuls und die von Karl Ernst Osthaus beflügelte Folkwangidee haben hier längst Wurzeln geschlagen, Folkwang-Museum und Folkwangschule werden in den 1920ern zum Aushängeschild und Anziehungspunkt. Denn in Essen ist nicht nur das Kapital, das die erste Liga der Architekten von Peter Behrens über Jacob Körfer bis Georg Metzendorf ins Ruhrgebiet lockt. In Essen sind auch die Köpfe, die diese Stadt der Zukunft denken und planen können: Oberbürgermeister Hans Luther, die Baudezernenten Robert Schmied und Ernst Bode oder der erste Leiter der Folkwang Schule für Gestaltung, Alfred Fischer, prägen die junge Kulturmetropole. Ihre Büsten in der Ausstellung sind nicht selten von Künstlern der Margarethenhöhe gefertigt .
Aber es ist vor allem eine Frau, die das kühne Unternehmen Gartenstadt möglich macht. Margarethe Krupp, von der eigenen Familie lange geschmäht, wird nach dem Tod von Alfried Krupp zur bedeutsamen Mäzenatin. Sie stiftet nicht nur Grund und Kapital. Sie ist auch kunstsinnig und libertär genug, um das Experiment Künstlersiedlung auf der „Höhe“ zu fördern. Auf das Lleine Atelierhaus folgen bald Werkhaus und keramischen Werkstatt. Zuletzt entsteht das große Atelierhaus. wo sich Bauhaus- und Folkwang-Gedanke aufs Schönste überlappen. Hier lebt und arbeitet man an und mit der Einheit der Künste, entwickelt Kunsthandwerk mit internationalem Niveau.
Dass das Kapitel Künstlersiedlung auf der Margarethenhöhe im Gegensatz zu anderen Kunststädten wie Hellerau nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ein abruptes Ende fand, liegt nach Meinung von Theodor Grütter am Umzug der Folkwang-Hochschule nach Werden. Dort sei die Arbeit in ähnlich ländlicher Umgebung weitergeführt worden. Folglich wird auch der Folkwang-Geschichte bis heute ein großes Kapitel innerhalb der Ausstellung eingeräumt . Ob aber der Neubau der Folkwang-Universität auf Zollverein am Ende noch einmal für einen ähnlicher kreativen Aufbruch sorgen wird, das muss sich erst zeigen.
>>AUSSTELLUNG LÄUFT BIS JANUAR 2020
- Die Ausstellung ist bis zum 5. Januar 2020 im Ruhr Museum zu sehen. Öffnungszeiten: Mo bis So, 10-18 Uhr. Eintritt 7/erm. 4 Euro. Besucher unter 18 Jahren frei.
- Der Katalog erscheint im Klartext-Verlag mit 304 Seiten und ca. 300 Abbildungen zum Preis von 29.95 Euro. Informationen zum umfangreichen Begleitprogramm unter www.ruhrmuseum.de