Essen.Rüttenscheid. . Zwei Ur-Rüttenscheider mussten wegziehen, um Platz für das Neubauprojekt „Rü-Bogen“ zu machen. Am Montag wurde ihr altes Haus abgerissen.
Gestern Morgen waren sie nochmal da, wo früher ihr Zuhause war. Kamen just in dem Moment in der Gummertstraße an, als der Bagger mit seinem Greifarm das Dach des letzten verbliebenen Hauses in Schutt und Asche legte. Ihres Hauses. „Da oben habe ich immer meine Carrerabahn aufgebaut. Stundenlang haben mein Enkel und ich damit gespielt“.
Gedanken wie diese schießen Horst Vonzumhoff durch den Kopf, erzählt er später. Seine Frau kann sich ein paar Tränen nicht verkneifen. Ihr Flieder und der Apfelbaum stehen lange nicht mehr, die Gärten waren als erstes weg.
Lange für den Erhalt der alten Krupp-Häuser gekämpft
„Aber wir wollen gar nicht rummeckern, uns geht es ja gut“, sagt Heike Vonzumhoff fast entschuldigend. Seit anderthalb Jahren leben die beiden Rentner in der Dinnendahlstraße in Bergerhausen, parterre mit Terrasse und kleinem Garten. In Rüttenscheid fanden sie nichts Vergleichbares, das sie sich hätten leisten können. Lange haben sie für den Erhalt der zehn ehemaligen Krupp-Häuser mit Gärten gekämpft. Und irgendwann aufgegeben.
Nun entsteht dort der „Rü-Bogen“: 140 hochwertige Eigentumswohnungen in zehn Gebäuden. „Wir werden ja auch nicht jünger. Und das Angebot, das uns der Investor BPD gemacht hat, war wirklich unschlagbar. Die haben uns alle sehr gut behandelt“, sagt Horst Vonzumhoff. Der Umzug wurde gezahlt, dazu gab’s noch ein ordentliches Handgeld. Hinweggetröstet über den Verlust ihres Zuhauses hat es kaum.
Immer an den Kauf der Immobilie geglaubt
Die Vonzumhoffs sind beide in Rüttenscheid geboren, im Arnoldhaus, „da wo heute das Krupp-Krankenhaus ist“, erklärt Heike Vonzumhoff. Weil ihre Schwester an Kinderlähmung erkrankt ist, können ihre Eltern in das Haus an der Gummertstraße einziehen. „Die Häuser waren eigentlich Angestellten vorbehalten. Mein Vater war Dreher und Schleifer bei Krupp. Für Mitarbeiter mit erkrankten Kinder wurden damals Ausnahmen gemacht“, weiß die 75-Jährige.
Um die Jahrtausendwende übernehmen sie das Haus – in dem Glauben, dass sie die Immobilie irgendwann kaufen können. So jedenfalls war es auch in alten Krupp-Verträgen verbrieft. „Sonst hätten wir da ja nie so viel Geld und Eigenleistung reingesteckt“, sagt Horst Vonzumhoff. Seinen Nachbarn sei es ähnlich gegangen. Viele hätten über Jahrzehnte Geld gespart, um die gemieteten Häuser irgendwann ihr Eigen nennen zu können. Vergeblich. Schließlich übernimmt das Unternehmen Immeo die Wohnungen. 2011 erfahren die Mieter aus der Zeitung, dass das Grundstück mit neuen Wohnungen überplant werden sollen. Der Rest ist Geschichte.
Zum Einkaufen noch immer zur Flora
Anderthalb Kilometer, erzählt Heike Vonzumhoff, sei der nächste Supermarkt von ihrem neuen Zuhause entfernt: „Es ist ruhig hier, die Nachbarn sind nett. Aber es ist eben alles nicht so dicht beieinander. Ohne das Auto wären wir aufgeschmissen.“ Ihre Einkäufe erledigt die ehemalige Edeka-Kassiererin noch immer im Supermarkt an der Flora, „da kennen wir uns doch alle, seit wir jung sind“.
Die früheren Nachbarn fehlen dem Ehepaar, „da kamen manche zum Reibekuchenessen ‘rein, weil sie es schon von der Straße gerochen haben“, erzählt Heike Vonzumhoff. Auch zum Rehasport bei Kur vor Ort fährt sie ihr Ehemann noch. „Unser Leben spielt sich immer noch in Rüttenscheid ab. Nur wohnen wir leider nicht mehr dort.“