Essen. Vom Roller bis zur Miniatur-Kanone: Außer Papier gibt es im Krupp-Archiv auf Villa Hügel rund 1200 museale Objekte aus der Firmengeschichte.

Von archivarischer „Flachware“, dem schnöden Papier also, geht für das breite Publikum in der Regel nur wenig Faszination aus. Das gilt selbst dann, wenn man wie das Historische Archiv Krupp über einen Bestand verfügt, in dem sich viele Schriftstücke von bedeutsamen Persönlichkeiten und Vorgängen befinden. Anders sieht es mit musealen Stücken zum Schauen und Anfassen aus, und von denen besitzt das Archiv auf dem Hügel deutlich mehr als bisher bekannt war.

Schreibtischset: Dieses Spielzeug-Geschütz mit passenden Granaten war wohl ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. anlässlich eines Hügel-Besuchs.
Schreibtischset: Dieses Spielzeug-Geschütz mit passenden Granaten war wohl ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. anlässlich eines Hügel-Besuchs. © Kerstin Kokoska

Rund 1200 Objekte aus der langen Geschichte von Familie und Firma Krupp sind hier versammelt, die meisten wurden bisher noch nie öffentlich gezeigt. Erstmals gewährte Archivchef Ralf Stremmel jetzt einen exklusiven Einblick in seine Schatzkammern.

Die Bandbreite der Stücke ist groß. Da gibt es Kunstwerke wie den Taufbecher des 1907 geborenen Alfried Krupp oder Nirosta-Fackeln der Olympischen Spiele 1936 und 1972. Militaria wie das chromblitzende Modell eines Geschützes mit passenden Granathülsen liegen neben Ehrennadeln, Orden und Anerkennungsgeschenken, die Kruppianer als Dank für besondere Leistungen oder zu Jubiläen erhielten.

Der um 1920 in Essen entwickelte Motorroller war wirtschaftlich ein Flopp. Ganz anders die hinten erkennbare Gußstahl
Der um 1920 in Essen entwickelte Motorroller war wirtschaftlich ein Flopp. Ganz anders die hinten erkennbare Gußstahl © Kerstin Kokoska

Auch scheinbar Profanes hat das Archiv verwahrt. Etwa Plakate, die Krupp-Produkte preisen, einen Putzeimer mit den drei Ringen und aus neuerer Zeit ein Glas, auf dem die Firma den Mitarbeitern rät, beim Arbeiten ausreichend zu trinken. Letzteres mag, zehntausendfach hergestellt, jetzt noch keinen Wert haben. „Das kann in 100 Jahren aber ganz anders sein“, sagt Stremmel. „Archivar ist ein Beruf, bei dem der lange Atem zur Grundausstattung gehört.“

Ins Archiv gelangt sind die Exponate auf verschiedenen Wegen. Manches gab die Familie Krupp schon vor teils langer Zeit zu treuen Händen, anderes erhält Stremmel von Kruppianern geschenkt, die ihre Erinnerungsstücke für die Ewigkeit gut aufgehoben wissen wollen. Und manchmal beteiligt sich das Archiv auch an Auktionen oder kauft Anbietern Objekte von besondereren Wert ab, wobei sich die Preise maximal im vierstelligen Bereich bewegen. In Online-Auktionshäusern wie Ebay werden Krupp-Devotionalien schon seit Jahrzehnten gehandelt, zum Teil auch hoch.

Jubilarnadeln aus vielen Krupp-Epochen sind hier versammelt. Kruppianer bekamen sie traditionell zum 25. Dienstjubiläum im festlichen Rahmen auf dem Hügel.
Jubilarnadeln aus vielen Krupp-Epochen sind hier versammelt. Kruppianer bekamen sie traditionell zum 25. Dienstjubiläum im festlichen Rahmen auf dem Hügel. © Kerstin Kokoska

Als vermutlich wertvollstes Stück der Sammlung gilt ein Motorroller – eine von vielen Produktideen, mit denen Krupp nach dem Ersten Weltkrieg den beinahe kompletten Wegfall der Rüstungssparte zu kompensieren versuchte. In diesem Fall übrigens ohne viel Erfolg, die Zeit für ein solches Gefährt war noch nicht reif. Der Roller ist einer von nur drei oder vier, die weltweit noch existieren. Da Oldtimer mit vier oder zwei Rädern seit langem erstklassige Anlageobjekte sind, wäre im allerdings nicht beabsichtigten Verkaufsfall wohl durchaus eine fünfstellige Summe drin, schätzt Ralf Stremmel.

Prof. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, zeigt eine Fackel aus  Nirosta-Stahl, die Krupp für  die Olympischen Spiele in München 1972 herstellte.
Prof. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, zeigt eine Fackel aus Nirosta-Stahl, die Krupp für die Olympischen Spiele in München 1972 herstellte. © Kerstin Kokoska

Von ganz anderem Charakter ist der schaufelähnliche Probelöffel, der bei den Ausschachtungsarbeiten im ThyssenKrupp-Quartier in Altendorf ans Tageslicht kam. Mit ihm wurden um 1890 in der Gussstahlfabrik Stahlproben entnommen, die eingetrockneten Reste dieser Proben schillern an dem Eisengerät noch in vielen Farben. Für einen Wissenschaftler, der zur Stahlverarbeitung in früheren Zeiten forscht, könnte dieser Löffel vielleicht mal eine Fundgrube werden – vielleicht auch nicht, man weiß es halt nicht so genau.

Es wäre naheliegend, all diese Schätze einmal im großen Stil dem Publikum zu zeigen, zumal Stremmel schon einige Male bewiesen hat, dass er eine Menge von Ausstellungspräsentation versteht. „Wir denken darüber tatsächlich nach“, sagt der Archivleiter. Ob und wenn ja, wann es dazu kommt, ist allerdings offen.