Essen. . Die Ausstellung „Humboldt dankt, Adenauer dementiert“ zeigt Briefe – perfekt inszeniert und erläutert. Fast 10.000 Besucher kamen bislang.
Private und geschäftliche Briefe aus dem Historischen Archiv Krupp – das klang nicht unbedingt nach Massenbetrieb, sondern eher nach einer Ausstellung für historisch interessierte Feinschmecker. Doch weit gefehlt: Schon fast 10.000 Besucher haben seit der Eröffnung am 25. März den Weg in die Kabinett-Räume neben der oberen Hügel-Halle gefunden und sich dort in die Briefe vertieft.
Ralf Stremmel, Leiter des Krupp-Archivs, freut sich natürlich über den Zuspruch für „Humboldt dankt, Adenauer dementiert“, räumt aber ein, dass er durchaus überrascht ist: „Auf soviel Interesse hatten wir kaum zu hoffen gewagt.“
In der Villa Hügel lässt sich auch bei dieser Schau gut beobachten, dass selbst von sperrig erscheinenden Originalen wie Briefen eine große Faszination ausgeht. Voraussetzung ist allerdings, sie benutzerfreundlich und ästhetisch ansprechend zu inszenieren. Dass dies hier gelang, dafür bürgte neben der bekannten Professionalität des Krupp-Archivs das auf Ausstellungen spezialisierte Architekturbüro „Demirag“ aus Stuttgart.
Wie wichtig zum Beispiel eine perfekte Beleuchtung ist, zeigt sich beim Brief, den Kaiser Wilhelm II im Jahr 1902 an die 16-jährige Konzernerbin Bertha Krupp schrieb, sicher eines der Glanzstücke der 44 Briefe umfassenden Ausstellung.
Impulsiver und energischer Brief von Kaiser Wilhelm an Bertha Krupp
Überraschend war Berthas Vater Friedrich Alfred Krupp verstorben, worauf sich der Monarch veranlasst sah, dem plötzlich reichen und mächtigen „gnädigen Fräulein“ ausführliche handschriftliche Hinweise zur Führung des damals wichtigsten deutschen Rüstungsunternehmens zukommen zu lassen. Wilhelms impulsive und energische Art verrät nicht nur der fordernde Schreibstil, sondern auch der starke Druck der Feder, die sich auf dem Briefpapier deutlich abbildet. Beim Lesen und Betrachten meint man den inneren Druck, unter dem der Kaiser beim Schreiben gestanden haben muss, förmlich zu spüren.
Auf ein Drama ganz anderer Art verweisen die leichten Brandspuren am Rand dieses Dokuments. Beinahe wäre der Kaiser-Brief wie viele andere unersetzbare Archivstücke im Zweiten Weltkrieg bei einer der zahlreichen Bombenangriffe auf Essen vernichtet worden. Mehr authentische Geschichte kann man von einem einzelnen Brief wohl nicht erwarten.
Mit offenen Drohungen agiert ein Bankier gegenüber Alfred Krupp
Aber nicht nur die handschriftlichen (natürlich in Druckschrift „übersetzten“) Originalbriefe berühmter Persönlichkeiten von Alexander von Humboldt bis Willy Brandt machen den Reiz dieser Ausstellung aus. Selbst nüchterne Geschäftsbriefe können Geschichte oder wenigstens Atmosphäre transportieren.
Da ist zum Beispiel der kühle Stolz, mit dem der Brite Henry Bessemer 1856 dem Deutschen Alfred Krupp gestattet, sein Patent zur Revolutionierung der Stahlherstellung zu benutzen. Oder der harsche Ton, mit dem der Kölner Bankier Abraham Oppenheim dem bekennenden Banken-Hasser Alfred Krupp zu verstehen gibt, dass man bei weiterem Ausbleiben einer Kreditbürgschaft „einen großen Eclat machen“ werde.
Porsche kann keinen Liefertermin nennen - der neuen Scheibenbremsen wegen
Fast noch interessanter sind die halb privaten, halb beruflich motivierten Schriftstücke, die die große Bandbreite der gesellschaftlichen Kontakte zeigen, die alle Generationen der Familie Krupp pflegten.
Etwa der „Fall Porsche“: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach liebte Porsche-Sportwagen und holte diese gern selbst in Zuffenhausen ab, um mit der Neuerwerbung auf Reisen zu gehen. Ferdinand „Ferry“ Porsche, der damalige Geschäftsführer, muss allerdings in einem persönlich gehaltenen Geschäftsbrief im Februar 1962 Abbitte leisten, weil ein exakter Liefertermin für einen Carrera 2 nicht genannt werden kann.
Der Grund: Für die in diesem Modell erstmals vorgesehen Scheibenbremsen „sind wir abhängig von Lieferanten, die bisher auf diesem Gebiet noch keine Gelegenheit hatten, uns zu bedienen“. Wie Krupp reagierte, ist nicht überliefert. Er blieb aber auf jeden Fall der Marke treu.
Erklärende Hinweise erhellen den historischen Hintergrund
Die meisten Briefe sind ohne erklärende Hinweise der Zeitumstände und des historischen Hintergrunds nur noch für Spezialisten zu begreifen. Andererseits mag keiner „Romane“ lesen, wenn er eine Ausstellung besucht. Die Macher verstehen es mit großem Geschick, in wenigen klaren Sätzen den Leser ins Bild zu setzen, ohne ihn zu über- oder zu unterfordern. Auch dies ist eines der vielen erfreulichen Ausstellungsdetails.