Essen. Die Mieter privater Wohnungsgesellschaften im Ruhrgebiet sind unzufrieden. Vor Jahren waren große Bestände privatisiert worden, nun beklagen Betroffene und Mietvereine schlechten Service. Die Investoren arbeiteten rein gewinnorientiert. Die Wohnungsgesellschaften weisen die Vorwürfe zurück.
Neun Jahre nach dem Beginn der Privatisierungswelle von öffentlichen Wohnungen im Ruhrgebiet empören sich Mieter, Mietervereine, Kommunalpolitiker und Baufachleute über nachhaltige Verschlechterungen für ganze Stadtviertel durch das Gebaren privater Wohnungsgesellschaften. „Die Beschwerden der Mieter über schlechte Erreichbarkeit der Vermieter, monatelanges Warten auf Reparaturen und fehlende Instandhaltung reißen nicht ab”, sagt Aichard Hoffmann vom Mieterforum Ruhr.
Heuschrecken in den Kommunen unterwegs
Die Erfahrungen mit den neuen Vermietern seien nur in Nuancen verschieden, im Grundsatz erlebten die Mieter überall das Gleiche. „Die internationalen Investoren interessierten sich nicht für die Region, wollen nur möglichst schnell viel Geld herausziehen und taugen daher nicht als Ansprechpartner für die kommunale Städtebaupolitik. Es wird Miete kassiert und nichts mehr gemacht.”
Genannt werden von Mietervereinen immer wieder die gleichen Namen: Annington (früher Eisenbahnerwohnungen) mit 10 800 Wohnungen in Essen, die Immeo Wohnen (früher Thyssen-Krupp) mit 10 500 Wohnungen, die Gagfah (Eigentümer: Fortress, früher: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte BfA) mit 2350 Wohnungen oder auch die dänische Firma Griffin mit 600 Wohnungen (früher Viterra/Veba). Auch der US-Investor „Whitehall Real Estate Funds”, Eigentümer der früher landeseigenen 1400 LEG-Wohnungen in Essen, habe Investitionen eingefroren.
Warten auf die Handwerker
„Die Verhältnisse sind für Mieter klar schlechter geworden”, stellt Karin Schnittker von der Mietergemeinschaft Essen fest. Abschaffung von Servicekräften vor Ort, Warteschleifen am zentralen Callcenter-Telefon von einer Viertelstunde und mehr, Handwerker, die nicht kommen. Meist werde nur unter großem Druck repariert, nach Drohungen mit Anwälten oder mit Mietkürzungen. Viele Mängel würden aber oft nur laienhaft übertüncht statt saniert. „Aber selbst bei einer Mietminderung kann man nicht sicher sein, dass die Firmen überhaupt reagieren”, sagt Schnittker. Schon seien die Folgen, wie etwa der Verfall ganzer Siedlungen, zu beobachten.
Das Mieternetzwerk Essen-Nord wirft speziell Annington vor, mit der Aufgabe von Servicebüros und der Einrichtung eines Call-Centers die Mieter im Stich gelassen zu haben. „Bei Instandsetzungen herrschen Planlosigkeit und das Glücksrad.” Niemand achte zudem darauf, ob neue Mieter zur Hausgemeinschaft passen.
Auch Kommunalpolitiker und Städtebaufachleute sorgen sich. Allbau-Vorstandschef Dirk Miklikowski sieht Gefahr für den Wert der Wohnungen der städtischen Tochter, weil sich andere Eigentümer in einem Stadtteil nicht mehr genug um ihre Wohnungen kümmerten. „Partner zur Aufwertung von Siedlungen und Stadtteilen zu finden, wird immer schwieriger, weil die anderen Gesellschaften unter massiven Druck ihrer Eigentümer stehen, möglichst hohe Überschüsse abzuliefern.”
Wohnungsgesellschaften weisen Kritik zurück
Die privaten Wohnungsbaufirmen wehren sich alle gegen die schweren Vorwürfe - und weisen diese strikt zurück. Annington gibt zwar Probleme bei der Neuaufstellung des Unternehmens zu, bei dem 350 von 1200 Arbeitsplätzen abgebaut worden seien. Diese habe man aber nun weitgehend im Griff. 80 Prozent der Anrufer beim Reparatur-Service hätten nur eine Wartezeit von zwei bis drei Minuten. Statt früher 38 Stunden im Servicebüro sei man nun 54 Stunden in der Woche erreichbar.
Deutschlandweit werde im Schnitt kräftig investiert: Ein Viertel der Mieteinnahmen, rund 340 Millionen Euro, flössen wieder in den Bestand. Auch fühle man sich für die Umgebung der Siedlungen verantwortlich, sei langfristig orientiert. „Wir wollen, dass die Leute sich in ihrem Kiez wohlfühlen”, sagt Annington-Sprecherin Katja Weisker.
Gagfah-Sprecherin Bettina Benner beteuert: „Wir investieren ordentlich in die Instandhaltung unserer Wohnungen. Damit halten wir unsere Wohnungen auf einem vernünftigen Standard. Unser Wohnungsbestand ist einer der qualitativ besten in Deutschland.” Die Gagfah setze bei bundesweit 170 000 Wohnungen 600 Hausmeister für kleinere Reparaturen ein. In der Essener Siedlung Bergmannsfeld sei ein Spielplatz gebaut worden und werde ein Sozialarbeiter mitbezahlt.