Essen-Horst. . Die Dahlhauser Straße in Essen verbindet Horst mit Steele und Bochum. Eisen- und Schraubenwerke bestimmten lange den Lebensrhythmus.

Hätten Sie es gewusst? Im Volksmund wurde die Dahlhauser Straße früher Steeler Straße, öfter aber Schottländerweg genannt. Was dem Hüttenwerk Neu-Schottland geschuldet war, das ab 1856 Roheisen zu Stahl verarbeitete und 3000 Menschen in der Region Arbeit gab. „Erst im April 1905 machten die Gemeinderäte aus Freisenbruch, Horst und Königsteele diesen Namen offiziell, der noch zwei Jahrzehnte Bestand haben sollte“, verrät Harald Vogelsang vom Steeler Archiv.

Wichtige Route zwischen Steele und Bochum

Namen ändern sich, doch gestern wie heute gilt die Dahlhauser Straße als wichtige Route zwischen Steele und dem Bochumer Stadtteil Dahlhausen. Sie verbindet auf einer Länge von gut drei Kilometern den Stadtteil Horst mit Steele, Eiberg und Freisenbruch, um am Ende in die Dr. C. Otto-Straße zu münden.

Zusammen mit Vogelsangs Mitstreiter Hans Schelenz beginnt unsere Reise am Bahnhof Steele Ost – an einer Stelle, wo es eigentlich gar nicht weitergeht. In Höhe der Hausnummer 1, befindet sich nämlich ein Tunnel, der lange die Dahlhauser mit der Bochumer Straße – heute Bochumer Landstraße – verband.

Ehrgeizige Pläne gegen das Verkehrschaos

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© Sammlung Steeler Archiv

Während der Stadtteilsanierung wurde er zugemauert. „Das war ein Nadelöhr, vor dem sich oft der Verkehr in langen Schlangen staute,“ weiß Hans Schelenz. Geblieben ist nur der Fußgängertunnel.

Im Jahr 1974 präsentierte die Stadt ehrgeizige Pläne gegen das Verkehrschaos. Zwei Schnellstraßen, die „K5“ und „K12“, sollten alternative Wege von Steele ins neue Wohnquartier Hörsterfeld und von Horst nach Freisenbruch schaffen. „Doch daraus ist nie etwas geworden“, sagt Vogelsang.

Heute rollt der Verkehr streckenweise über die parallel verlaufende Ruhrau, die unter der stählernen Last ächzt, um sich später wieder auf die Dahlhauser Straße zu ergießen. So rumpeln heute auch Lkw durch Horst.

Mischung aus Gewerbe, Einzelhandel und Gastronomie

© Stefan Arend

Der untere, ruhige Teil der Dahlhauser Straße ist geprägt von kleinen Wohnhäusern und dicht parkenden Autos der Anwohner. „Früher war hier richtig was los“, sagt Schelenz mit leichtem Bedauern. „Eine bunte Mischung aus Gewerbe, Einzelhandel und Gastronomie machte das Viertel lebenswert. In einer der damals zahlreichen Gaststätten, „Im Gemütlichen Eck“, schenkte Gastwirt Max Hansberg Aktienbier aus. In der Nähe fand sich auch das Schuhhaus Körner; und Wilhelm Krämer, Generalvertreter der Dortmunder Union-Brauerei, hatte hier seinen Sitz.

Eckkneipen wie der Bürgerkrug Kattenbracker waren ehemals typisch.
Eckkneipen wie der Bürgerkrug Kattenbracker waren ehemals typisch. © Sammlung Steeler Archiv

Sie alle fanden dort ihr Auskommen, weil im Hüttenwerk in drei Schichten rund um die Uhr geackert wurde. Da fiel sogar für die Anwohner ein netter Nebenverdienst ab, die ihre Zimmer im Dachgeschoss gerne an Kostgänger vermieteten. „Manchmal teilten sich drei davon ein Bett, je nach Schichtbetrieb“, sagt Vogelsang und fügt schmunzelnd an: „Einige schlossen sogar zarte Bande mit ihrer Wirtin.“

Zimmervermietung an Kostgänger

Metallskulptur im Gewerbegebiet an der  Dahlhauser Straße.
Metallskulptur im Gewerbegebiet an der Dahlhauser Straße. © Stefan Arend

Kein Zweifel: Das Hüttenwerk gab den Lebenstakt an der Dahlhauser Straße vor. Als das Werk im Jahr 1923 schloss, war dies ein harter Schlag für das Quartier. Zwar blieb ein Teil der Arbeiter vor Ort, weil das Eisen- und Schraubenwerk – schon damals ein Bestandteil des Hüttenwerks – daraufhin ausgebaut wurde. Doch als auch dort am 30. September 1993 die letzte Schraube vom Band fiel, verebbte das gesellschaftliche Leben vor Ort zusehends.

„Im Gegensatz zum oberen Teil“, sagt Hans Schelenz. „Der ist bis heute Mittelpunkt von Horst geblieben, mit zahlreichen Geschäften und Kneipen.“ Wo früher das Hüttenwerk stand, findet sich ein Gewerbegebiet. Einige alte Werkshallen zeugen davon. Doch die sind in einem denkbar schlechten Zustand. So wie das ganze Gelände – bevölkert mit Getränkegroßmarkt, Fitnesscenter, Kfz-Werkstätten, Möbelwerkstatt und Kunstschaffenden – einen abgewirtschafteten Eindruck macht.

„Hallen sind steinernen Zeitzeugen.“

Jetzt hat ein Investor aus dem Frankfurter Raum, die Aurelis Estate, das Gelände übernommen. „Ich hoffe, dass wenigstens eine der Hallen erhalten bleibt“, sagt Vogelsang. „Das sind steinerne Zeitzeugen.“

Früher war auch im unteren Teil der Dahlhauser Straße viel los, wie hier beim Kinderschützenfest im Jahr 1946. Im Hintergrund sieht man den Schlackenberg.
Früher war auch im unteren Teil der Dahlhauser Straße viel los, wie hier beim Kinderschützenfest im Jahr 1946. Im Hintergrund sieht man den Schlackenberg. © Sammlung Steeler Archiv

Apropos: Gemeinsam mit Hans Schelenz hat Harald Vogelsang mit vielen Menschen über vergangene Zeiten geplaudert. Die beiden Heimatforscher arbeiten an einer Publikation über die Dahlhauser Straße. „Wer etwas zu erzählen weiß, ist im Steeler Archiv stets willkommen“, sagt Schelenz. Geschichten gibt es sicher reichlich, „weshalb wir die Straße in zwei Bereiche aufteilen.“ Die Grenze verläuft in Höhe der Bahnschranken, die sich sechsmal pro Stunde heben und senken – was oft die Linienbusse ausbremst.

Oberhalb der Schranken steht übrigens noch immer die Villa des ersten Generaldirektors des Hüttenwerks. Der ließ diese 1854, also noch vor Eröffnung des Werks bauen. Was er nicht bedachte: Die Eisenbahn kam erst 1863 und rauschte fortan dicht am „Schloss von Horst“ vorbei. So wurde die Fabrikantenvilla damals genannt.

>> Zur Serie„Essener Straßen“

In unserer Serie schreiben wir über historische, große, kleine, schöne und skurrile Straßen unserer Stadt. Viele Geschichten ranken sich um sie. Menschen aus den Stadtteilen erzählen die Anekdoten.

Wenn Sie ihre Straße einmal vorstellen möchten, dann nehmen wir Ihre Anregungen gerne auf. Schreiben Sie uns ihre Vorschläge per E-Mail an redaktion.stadtteile-essen@waz.de

Eine Übersicht aller bislang erschienenen Folgen der Serie gibt es hier.

Die Dahlhauser Straße in Essen-Horst

Die Dahlhauser Straße, hier auf einem Foto vom 15. Juni 1989, führt von Bochum durch Horst nach Steele.
Die Dahlhauser Straße, hier auf einem Foto vom 15. Juni 1989, führt von Bochum durch Horst nach Steele. © Sammlung Steeler Archiv
Viele Jahre lang galt die Eisenbahnunterführung an der Dahlhauser Straße als Engpass. Staus waren die Folge. Der Tunnel für die Autos existiert nicht mehr.
Viele Jahre lang galt die Eisenbahnunterführung an der Dahlhauser Straße als Engpass. Staus waren die Folge. Der Tunnel für die Autos existiert nicht mehr. © Sammlung Steeler Archiv
Heute existiert der Tunnel für die Autos nicht mehr. Die Autoröhre wurde zubetoniert.
Heute existiert der Tunnel für die Autos nicht mehr. Die Autoröhre wurde zubetoniert. © FUNKE Foto Services
Den Fußgängertunnel gibt es hingegen noch. Mittlerweile sind die Wände bunt geworden, zahlreiche Graffiti prägen den Durchgang.
Den Fußgängertunnel gibt es hingegen noch. Mittlerweile sind die Wände bunt geworden, zahlreiche Graffiti prägen den Durchgang. © FUNKE Foto Services
Heute ist der Steeler Bahnhof der Mittelpunkt der Dahlhauser Straße.
Heute ist der Steeler Bahnhof der Mittelpunkt der Dahlhauser Straße. © FUNKE Foto Services
So sah es in den 1980er Jahren links der Bahnmauer aus.
So sah es in den 1980er Jahren links der Bahnmauer aus. © Sammlung Steeler Archiv
Ein Blick in die Dahlhauser Straße 1976.
Ein Blick in die Dahlhauser Straße 1976. © Sammlung Steeler Archiv
Ein Blick in die Dahlhauser Straße 1976.
Ein Blick in die Dahlhauser Straße 1976. © Sammlung Steeler Archiv
Heute stehen in der Dahlhauser Straße kleine Wohnhäuser.
Heute stehen in der Dahlhauser Straße kleine Wohnhäuser. © FUNKE Foto Services
Heute stehen in der Dahlhauser Straße kleine Wohnhäuser.
Heute stehen in der Dahlhauser Straße kleine Wohnhäuser. © FUNKE Foto Services
Früher war dort mehr los. Zum Beispiel 1946 beim Kinderschützenfest. Im Hintergrund ist der Schlackenberg zu sehen.
Früher war dort mehr los. Zum Beispiel 1946 beim Kinderschützenfest. Im Hintergrund ist der Schlackenberg zu sehen. © Sammlung Steeler Archiv
Rechts an der Werneraue gab es in den 1950ern viele Geschäfte.
Rechts an der Werneraue gab es in den 1950ern viele Geschäfte. © Sammlung Steeler Archiv
Zudem gab es viele Eckkneipen. Hier zu sehen ist der Bürgerkurg Kattenbracker.
Zudem gab es viele Eckkneipen. Hier zu sehen ist der Bürgerkurg Kattenbracker. © Sammlung Steeler Archiv
Mittelpunkt der Dahlhauser Straße war das Hüttenwerk. In der Mitte zu sehen sind die Hallen der Eisen- und Schraubwerke, das bereits 1923 schloss. Das Schraubenwerk machte erst 1993 zu.
Mittelpunkt der Dahlhauser Straße war das Hüttenwerk. In der Mitte zu sehen sind die Hallen der Eisen- und Schraubwerke, das bereits 1923 schloss. Das Schraubenwerk machte erst 1993 zu. © Sammlung Steeler Archiv
Das Verwaltungsgebäude des Eisenwerks, fotografiert 1940.
Das Verwaltungsgebäude des Eisenwerks, fotografiert 1940. © Sammlung Steeler Archiv
Heute finden sich am ehemaligen Hüttenwerk nur noch Reste.
Heute finden sich am ehemaligen Hüttenwerk nur noch Reste. © FUNKE Foto Services
Die ehemalige Gebläsehalle des Hüttenwerks.
Die ehemalige Gebläsehalle des Hüttenwerks. © FUNKE Foto Services
Die ehemalige Gebläsehalle in der Dahlhauser Straße. Rundherum ist heute ein Gewerbegebiet.
Die ehemalige Gebläsehalle in der Dahlhauser Straße. Rundherum ist heute ein Gewerbegebiet. © FUNKE Foto Services
Neben dem Hüttenwerk stehen Metallskulpturen.
Neben dem Hüttenwerk stehen Metallskulpturen. © FUNKE Foto Services
Das Gewerbegebiet in der Dahlhauser Straße.
Das Gewerbegebiet in der Dahlhauser Straße. © FUNKE Foto Services
An Silvester 2017 wurde in die St. Josef Kirche in der Dahlhauser Straße eingebrochen.
An Silvester 2017 wurde in die St. Josef Kirche in der Dahlhauser Straße eingebrochen. © FUNKE Foto Services
Pfarrer Dr. Andreas Geßmann und Gilbert Staffler zeigen, wie groß die Schäden an der Tür sind.
Pfarrer Dr. Andreas Geßmann und Gilbert Staffler zeigen, wie groß die Schäden an der Tür sind. © FUNKE Foto Services
Pfarrer Dr. Andreas Geßmann ist entsetzt. Die Diebe brachen ein hölzernes Spendenkästchen auf und nahmen das Geld mit.
Pfarrer Dr. Andreas Geßmann ist entsetzt. Die Diebe brachen ein hölzernes Spendenkästchen auf und nahmen das Geld mit. © FUNKE Foto Services
Zusätzlich stahlen die unbekannten Einbrecher Kelche und eine Festmonstranz.
Zusätzlich stahlen die unbekannten Einbrecher Kelche und eine Festmonstranz. © FUNKE Foto Services
Das Straßenschild für die Dahlhauser Straße.
Das Straßenschild für die Dahlhauser Straße. © FUNKE Foto Services
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