Essen. . Nur noch wenige Hebammen in Essen arbeiten in der Geburtshilfe. Auch in der Vorsorge gibt es zunehmend Probleme. Die Situation verschärft sich.

Hebamme Renata Rother hat Rufbereitschaft. Gerade betreut sie drei hochschwangere Frauen gleichzeitig. Jeden Moment können die Wehen einsetzen. Rother ist eine der wenigen freiberuflichen Hebammen, die in Essen noch in der Geburtshilfe arbeiten.

„Die Hebammen-Versorgung wird immer schlechter“, sagt Katharina Desery vom Elternverein „Mother Hood“. 159 Hebammen sind beim Gesundheitsamt Essen gelistet, doch der Großteil arbeitet nicht mehr in der Geburtshilfe. Wie sich die Zahl der Hebammen in den letzten Jahren entwickelt hat, lässt sich nicht nachvollziehen. Eine zentrale Erfassung gibt es nicht.

Hebammen stecken in der Zwickmühle

Die Arbeit für freiberufliche Hebammen in der Geburtshilfe ist seit Januar schwieriger geworden. Ein neuer Schiedsspruch zwischen den Hebammenverbänden und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen schreibt vor, dass Hebammen nur noch zwei Frauen gleichzeitig bei der Entbindung betreuen.

Liegt eine dritte Frau in den Wehen, bezahlt die Krankenkasse den Hebammen die Leistungen nicht mehr. Die Folge: Hebammen stecken in der Zwickmühle. Entweder sie kümmern sich unentgeltlich um Schwangere oder sie verweisen sie an eine andere Klinik.

Betroffene wie Hebamme Rother halten diese Entscheidung für nicht durchdacht . „Eine Geburt lässt sich nicht steuern. Es gibt Frauen, die sind über ihrem Termin und andere Babys kommen zu früh“, sagt sie. Eigentlich soll mit der Entscheidung eine individuelle Betreuung im Kreißsaal ermöglicht werden. Doch: Hebammen befürchten, dass sich ihre Situation weiter verschärft. Denn das eigentliche Problem, der Hebammenmangel, wird damit nicht gelöst.

Beruf lohnt sich finanziell kaum

Auch vor dem Schiedsspruch war die Situation für Hebammen bereits angespannt. Für viele freiberufliche Geburtshelferinnen lohnt sich der Beruf finanziell schon länger nicht mehr. Laut dem Hebammenverband NRW liegt die Berufshaftpflichtversicherung in der Geburtshilfe derzeit bei 7600 Euro pro Jahr. Bei einem Lohn von etwa 7,50 Euro pro Stunde bleibt nur wenig über.

Hinzu kommen eine ständige Rufbereitschaft und Schichtarbeit. „Für mich kommt das wegen meiner zwei Kinder nicht mehr in Frage“, begründet die Essener Hebamme Joanna Schmuckihre Entscheidung, nicht mehr im Kreißsaal zu arbeiten. Sie macht nur noch die Vor- und Nachsorge. Doch auch dort gibt es Schwierigkeiten.

Gesundheitsrisiko für Mutter und Kind

„Pro Woche muss ich 15 bis 20 Anfragen abweisen“, sagt Schmuck. Eine, die noch einen Betreuung bekommen hat, ist die Huttroperin Yvonne Dierkes. Sie hatte große Probleme, eine Hebamme zu finden. „In der sechsten Woche habe ich mit der Suche angefangen. Das war schon knapp“, sagt sie.

Tagelang habe sie alle Hebammen in Essen angerufen und nur Absagen bekommen. Vorsichtig nimmt Hebamme Yvonne Schmuck die fünf Wochen alte Nele auf den Arm. Sie erklärt Mutter Yvonne Dierkes, wie sie ihr Kind stillt, wickelt und badet.

Entwickle sich die momentane Arbeitssituation so weiter wie bisher, befürchtet Katharina Desery von „Mother Hood“ Gesundheitsrisiken für Mutter und Kind. „Wenn keine Nachbetreuung stattfindet, werden Gelbsuchtinfektionen viel zu spät erkannt“, sagt sie. Außerdem könnten so Probleme beim Stillen nicht gelöst werden.

>> Forschungsprojekt „HebAb.NRW“

Die Hochschule für Gesundheit (HSG) in Bochum startete im vergangenen Jahr das Forschungsprojekt „HebAb.NRW“.

Ziel ist es, ein Verzeichnis aller in NRW arbeitenden Hebammen zu erstellen.

Momentan entwickelt die HSG den Fragebogen. Ergebnisse kommen nächstes Jahr.