Essen. Das fordert der in Essen gegründete Verein „Mother Hood“. Durch die wegfallende Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen gibt es für Frauen keine Eins-zu-Eins-Betreuung mehr. Das will der Verein ändern

Ein Kind in einer entspannten Atmosphäre gebären, selbst bestimmen, wo und unter welchen Umständen das passieren soll – so wünscht sich das wohl jede Frau. Wenn vertraute Personen und Hebammen, die schon während der gesamten Schwangerschaft zur Seite gestanden haben, auch während der Geburt da sind, dann kann sich die Frau ganz auf die Situation einlassen – egal, ob im Krankenhaus oder in den eigenen vier Wänden. Laut Anna Sophie Pietsch vom Essener Verein „Mother Hood“ sieht die Realität allerdings ganz anders aus.

„Dadurch, dass die Hebammen zukünftig ihre Haftpflichtversicherung selbst zahlen müssen, werden viele ihre Freiberuflichkeit aufgeben“, sagt Anna Sophie Pietsch, Sprecherin von „Mother Hood“. 6000 Euro fallen laut der 27-Jährigen für die Versicherung jährlich an, zehnmal mehr als noch vor zehn Jahren und das bei gleichbleibender Vergütung. Als Grund geben die Krankenkassen an, für die Behandlung und Pflege eines geschädigten Kindes nicht mehr haften zu wollen. Heißt: „Freiberufliche Hebammen werden aussterben und Frauen nicht mehr entscheiden können, wo sie ihr Kind bekommen möchten. Kurzum: Die werdenden Mütter können ihre Geburt nicht mehr selbst bestimmen“, betont Pietsch.

Verein fordert Selbstbestimmtheit

Und genau dagegen will der aus einer Elterninitiative zur Hebammenunterstützung gegründete Verein „Mother Hood - Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr“ vorgehen. Ziel ist es, die Selbstbestimmtheit und die Versorgungssicherheit der Mütter und Kinder zu verteidigen.

Anna Sophie Pietsch weiß als junge Mutter eines 18 Monate alten Sohnes, wovon sie spricht. „Ich hatte das Glück, vor, während und nach meiner Schwangerschaft von einer Hebamme begleitet zu werden. Beim nächsten Kind wird das wahrscheinlich nicht mehr der Fall sein“, bedauert sie. Im Krankenhaus sei eine Eins-zu-Eins-Betreuung aufgrund des ständig wechselnden Personals und der hohen Bettenbelegung gar nicht möglich, die Versorgungssicherheit somit nicht gegeben. Und dabei sei, so Pietsch, die Zeit vor, während und bis zu einem Jahr nach der Geburt die wichtigste, damit sich „stabile Familien und Lebenssituationen entwickeln können“.

Die Sprecherin von „Mother Hood“ geht sogar noch weiter: „Ich kenne viele Frauen, die nach der Geburt traumatisiert waren, weil sie von mehreren Schwestern betreut wurden, Betäubungs- und weheneinleitende Mitteln bekommen haben und sich überhaupt nicht auf die Geburt einlassen konnten“. Bei einigen sei sogar ein nicht notwendiger Kaiserschnitt vorgenommen worden, weil viele Krankenhäuser mit Operationen ihr Geld verdienen. Gerade die Geburt sei ein sensibler Prozess, der nicht durch Regeln der Krankenkassen und Politik vorgegeben werden kann. „Jede Frau ist anders“, betont Pietsch.

Mit Demonstrationen, Plakaten, Broschüren, Konferenzen und Seminaren wollen die Mitglieder von „Mother Hood“ die Öffentlichkeit auf die Missstände aufmerksam machen. Zudem werden wissenschaftliche Arbeiten gelesen, um die Aussagen belegen zu können. Auch planen sie Gespräche mit Politikern, Ärzten und Krankenkassen.

Denn getan hat sich trotz Versprechen laut Pietsch nämlich nichts. Im Gegenteil: „Durch die steigende Haftpflichtversicherung sind bundesweit etliche Entbindungsstationen geschlossen worden, weil es sich für die Krankenhäuser finanziell nicht mehr lohnt. Frauen müssen für die Geburt weite Wege in Kauf nehmen.“ Daher fordern die Mitglieder des Vereins eine freie Wahl des Geburtsortes, den Erhalt und Ausbau der häuslichen Wochenbettbetreuung, die Eins-zu-Eins-Betreuung durch eine Hebamme und ein Vergütungssystem, das medizinische Eingriffe in geringerem Umfang prämiert.

Die Stimme der Eltern

„Mother Hood“ ist von der Essenerin Eva Abert gegründet worden und sieht sich als Stimme der Eltern. Was als Elterninitiative vor einem Jahr begonnen hat, ist heute ein Verein mit bundesweit rund 16.000 Menschen, die sich für den Erhalt und das Wohlergehen der Hebammen einsetzen.