Essen. . Carsten Stüting stammt aus einer Diabetiker-Familie. Er selbst ist seit 48 Jahren zuckerkrank und hat alle medizinischen Fortschritte miterlebt.

„Vorzeige-Diabetiker“, so nennt sich Carsten Stüting selber, wenn er über seine Krankengeschichte spricht. Nicht, dass er damit hausieren ginge, aber sie ist schon ungewöhnlich: Stüting, heute 50 Jahre alt, ist bereits seit über 48 Jahren zuckerkrank.

Damit nicht genug, stammt er aus einer Diabetiker-Familie. Seine Großmutter, sein Mutter, sein Stiefvater und sein Bruder litten und leiden unter dieser Stoffwechselkrankheit; seine Großtante ist daran im Zweiten Weltkrieg gestorben, weil sie kein Insulin beschaffen konnte.

„Ich bin quasi in einer Experten-Familie aufgewachsen. Das war allerdings auch mein Glück“, ist Carsten Stüting überzeugt. Und erzählt, dass seine Mutter die ersten Anzeichen bei ihm („Ich hatte ständig Durst, bin immer zum Wasserhahn gekrabbelt und hatte immer eine volle Windel“) augenblicklich erkannte und deswegen sofort reagierte.

Das ganze Leben auf die Krankheit eingestellt

Seit damals ist der Essener insulinpflichtig und hat sein ganzes Leben auf diese chronische Krankheit eingestellt. Gesund essen, Sport treiben und immer aufmerksam in sich und seinen Körper hineinhorchen, um erste Anzeichen einer Unterzuckerung mitzubekommen – das ist dem IT-Fachmann in Fleisch und Blut übergegangen. In seiner langen „Diabetiker-Karriere“ hat er außerdem fast alle medizinisch-technischen Entwicklungen miterlebt und mitgemacht.

„Anfänglich wurde bei mir wöchentlich Blutzucker gemessen und das Insulin wurde mit einer Glaskolbenspritze gespritzt, die meine Mutter täglich auskochen musste“, erinnert sich Stüting. Mittlerweile ist es Usus, sich mittels einer Fertigspritze Insulin zuzuführen und täglich mehrfach den Blutzucker selber zu bestimmen.

Ernährung hat sich liberalisiert

Manche Diabetiker müssen dafür nicht einmal mehr Hand anlegen, sondern haben einen ins Unterhautfettgewebe implantierten Sensor und eine ebenfalls implantierte Insulinpumpe. Die Daten werden auf den Computer oder das Handy übertragen. „Unglaublich, was sich da in den vergangenen Jahrzehnten getan hat.“ Stüting selbst verzichtet auf das moderne System Sensor und Pumpe, „dafür bin ich nicht geeignet, weil ich sehr viel Sport treibe“.

Auch die Ernährung für Diabetiker hat sich in den vergangenen Jahrzehnten quasi liberalisiert: Früher gab es streng einzuhaltende Ernährungsfahrpläne, mussten Diabetiker nach der Uhr leben. „Heute esse ich alles und passe die Insulinmenge entsprechend an“, so Stüting.

Umgang mit Vorurteilen erlernt

Von Kindesbeinen an hat er trainiert, wie er mit seiner Krankheit am besten lebt. Ab seinem fünften Lebensjahr schickte ihn seine Mutter jede Osterferien in ein „Ferienlager für Diabetikerkinder“. „Dort lernte ich ganz schnell, mich selber zu spritzen.“

Was er nur langsam lernte, war der Umgang mit den vielen Vorurteilen, die Diabetikern entgegengebracht wurden. So musste sein Stiefvater schon mal eine Nacht in der Ausnüchterungszelle verbringen, weil die Polizei seine Unterzuckerung falsch deutete. „Und mich wollte das Schulamt nur aufgrund meiner Krankheit auf eine Förderschule schicken.“

Gott sei Dank hatte Carsten Stüting eine durchsetzungsstarke Mutter, die das zu verhindern wusste. Und die auch dafür sorgte, dass ihr Sohn auf dem Gymnasium an jeder Klassenfahrt und an jedem Ausflug teilnehmen konnte. „Wir sind genauso gut wie Nicht-Diabetiker“, lautete die Familien-Doktrin.

Angst vor Stigmatisierung

Trotzdem gab es später noch Zeiten, in denen Carsten Stüting aus Angst vor Stigmatisierung seinen Arbeitgebern nichts von seiner Krankheit erzählte.

Inzwischen geht er offensiv mit seinem Diabetes um, engagiert sich im Diabetikerbund und spricht auch auf dem kommenden Patiententag. „Ich möchte einfach an meinem Beispiel zeigen, dass man alle Möglichkeiten ausschöpfen kann und sollte, um für sich einen guten Weg zu finden.“

Schließlich habe er bislang durch seinen bewussten Umgang mit der chronischen Krankheit nicht nur die klassischen Folgeerkrankungen wie Durchblutungsstörungen verhindert, sondern sich auch ein großes Stück Lebensqualität erkämpft.

>> Diabetikertag in der Philharmonie

12,8 Prozent der Essener leiden laut eines aktuellen AOK-Berichtes unter Diabetes. Damit ist die Stadt trauriger „Spitzenreiter“ im Revier.

Beim Diabetes gibt es zwei Formen: Den Typ I-Diabetes, auch juveniler Diabetes genannt, tritt im Kindesalter auf und ist eine Autoimmunerkrankung.

Der Typ II-Diabetes tritt meist im höheren Alter mit erhöhtem Blutdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen auf.

Für alle Betroffenen veranstaltet das Elisabeth-Krankenhaus am Samstag, 13. Januar, von 14 bis 16.30 Uhr einen Diabetikertag in der Philharmonie, Huyssenallee 53.