Essen. Vor 50 Jahren gab Krupp die Überführung der Firma in eine Kapitalgesellschaft bekannt. Geburtsstunde der Stiftung – und der Macht eines Mannes.
- Über fünf Generationen lang wurde das persönliche Eigentumsrecht an der 1811 gegründeten Firma Krupp weitergegeben
- Im Jahr 1967 war es damit vorbei - in Ermangelung eines geeignet erscheinenden Erben und weil die Banken es erzwangen
- Vor genau 50 Jahren verkündetet Alfried Krupp bei einer Jubilarehrung in der Villa Hügel die Änderung, die als Sensation galt
Immer schon waren in den 1950er und 1960er Jahren die jährlichen Krupp-Jubilarehrungen auf Villa Hügel Anlass für einen Medienauftrieb. Denn Firmeneigentümer Alfried Krupp-von Bohlen und Halbach pflegte hier – und zwar nur hier – einige meist dürre Sätze zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens mitzuteilen. Am 1. April 1967, also vor genau 50 Jahren, lag aber Bedeutendes in der Luft, weshalb die für damalige Zeit beachtliche Zahl von 16 Kamerateams aus dem In- und Ausland Aufstellung nahm. Und die Journalisten wurden nicht enttäuscht. „Ich habe mich entschlossen, die Firma über eine Stiftung, die Ausdruck der dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Haus Krupp sein soll, in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln.“
Was Alfried Krupp hier kühl und nüchtern vor den Jubilaren und der Presse erklärte, war nichts weniger als eine Sensation. Genau 156 Jahre lang befand sich das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt in der persönlichen Verfügungsgewalt des jeweiligen Eigentümers, Alfried Krupp war in gerader Linie der fünfte. Dass er auch der „letzte Krupp“ sein würde, hatte sich zwar schon länger angedeutet, war aber dennoch vor dem Hintergrund der damals noch prägenden Traditionen schwer vorstellbar.
Die Rechtsform des Alleineigentümers ohne Aufsichtsrat und Berichtspflichten war für ein Unternehmen dieser Größe – Krupp hatte 1967 rund 100.000 Mitarbeiter – jedoch längst ein Anachronismus. Als Krupp ab Mitte der 1960er Jahre in eine Finanzkrise geriet, drängten die Banken, Krupp in ein „normales“ Unternehmen umzuwandeln.
Aber Alfried Krupp hatte weitere wichtige Gründe, die Reißleine zu ziehen. Seit langem schon zeigte sein einziger Sohn Arndt mehr Interesse an der Laufbahn eines schwerreichen Lebemanns und „Playboys“. Hingegen kam er den Pflichten an der Seite des Vaters im damals kargen Essen gar nicht oder zunehmend lustlos nach.
Eine lebensbedrohliche Krankheit ließ Alfried Krupp nicht mehr viel Zeit
Arndt von Bohlen schien nicht der Richtige, um als sechster Krupp die unumschränkte Macht über den Konzern und über das Schicksal so vieler „Kruppianer“ zu erhalten. Gleichzeitig merkte der Konzernchef, dass ihm eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht mehr viel Zeit lassen würde, die Dinge zu regeln.
Inoffiziell zuständig für schwierige zwischenmenschliche Missionen innerhalb der Eigentümer-Familie war Krupp-Generalbevollmächtigter Berthold Beitz, der das Vertrauen von Alfried Krupp genoss und für Arndt eine Art Ersatzvater geworden war. Beitz gelang es, den damaligen Endzwanziger gegen eine jährliche Zahlung von zwei Millionen D-Mark zum Verzicht auf sein Erbe zu bewegen. Jahrelange Bearbeitung war diesem Akt vorausgegangen – verständlich, denn wer verzichtet schon umstandslos auf ein Milliardenvermögen?
Mit dem Erbverzicht von Arndt von Bohlen war der Weg für die Stiftung frei
Selbst dem Vater, dessen Verhältnis zum Sohn zerrüttet war, nötigte Arndts schließlich vollzogener Schritt den verdienten Respekt ab: „Für seine verantwortungsbereite Einsicht möchte ich ihm vor aller Öffentlichkeit ausdrücklich danken“, sagt Alfried Krupp bei der Jubilarehrung.
Mit dem Erbverzicht war der Weg frei für die Gründung der Alfried-Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, der nach Alfrieds Tod testamentarisch alle Anteile der Firma zufielen und der Berthold Beitz dann über so viele Jahrzehnte seinen Stempel aufdrückte. Am 1. Januar 1968 nahm sie offiziell ihre Arbeit auf, doch mit einigem Recht könnte man den 1. April 1967 und die Verkündung durch Alfried Krupp als eine Art ideelles Gründungsdatum betrachten. Dass die Zeit gedrängt hatte, wurde schon wenige Monate später klar: Am 30. Juli 1967 verstarb Alfried Krupp.
Ein Gewinner des Stiftungskonstrukts war ohne Zweifel Berthold Beitz
Als die Banken ihren Griff in den folgenden Jahren lockerten und sich die wirtschaftliche Lage bei Krupp verbesserte, wurde rasch klar, wer nun der starke Mann war: Faktisch trat Berthold Beitz an die Stelle von Alfried Krupp und übte die wenn auch stärker kontrollierten Eigentümerrechte aus.
Bis heute gibt es Kontroversen darüber, ob Beitz nicht zu sehr Eigeninteressen im Auge hatte, als er Arndt zum Verzicht bewegte. Beitz’ Auskunft dazu blieb über die Jahre immer gleich: „Arndt war ein intelligenter Junge, aber er hatte keine Lust zu arbeiten.“ Arndts tragische Lebensgeschichte - er starb 1986 mit 48 Jahren - gab Beitz letztlich recht.