Essen. . 1926 begann Krupp mit der Produktion des Hartmetalls Widia. Bis heute hat sich am Prinzip wenig verändert. Nur zu Krupp gehört das Werk nicht mehr.
- 1926 begann das Unternehmen Krupp, Werkzeuge aus besonders hartem Metall zu bauen
- Damit legte Krupp den Grundstein für ein Stück Essener Industriegeschichte
- Das damals gegründete Widia-Werk gehört heute zum US-Konzern Kennametal
Es ist der 15. Dezember 1925, als der Leiter der Kruppschen Forschungsanstalten Professor Benno Strauß mit Rudolf Preußing telefoniert. Der Justiziar Preußing ist damals bei Krupp für Patentrechte zuständig. Bei dem Gespräch geht es wohl auch um einen Namen für ein neues Hartmetall, das auf Wolframkarbid-Basis hergestellt wird und das noch „Hartmetall B“ heißt. Denn Preußning kritzelt auf einen Briefumschlag den Namen „Widia“. Ein historischer Tag für die Essener Industriegeschichte, denn damit war der Grundstein für einen der größten bis heute existierenden Industriebetriebe in der Stadt gelegt.
"Hart wie Diamant"
Krupp ist nicht der Erfinder des Hartmetalls. Das Unternehmen hatte das Patent dafür fast zeitgleich von der Berliner Osram-Studiengesellschaft erworben. Der Name Widia – hart „wie Diamant“ sollte die Eigenschaft dieses „Wundermetalls“ beschreiben. Vor allem aber stellte er sich als eingängig heraus.
Am 17. Dezember 1925 beantragte Krupp den Schutz für das Markenzeichen Widia. Schon viereinhalb Monate später begannen die Entwicklungsarbeiten im Labor an der Frohnhauser Straße und wenig später startete auch die Produktion des Werkstoffes, der schon bald die Werkzeugtechnik revolutionieren sollte.
Goldgräberstimmung kam zu Beginn der Entwicklung aber nicht so schnell auf. Als die Kruppianer ihre ersten Werkzeuge auf der Frühjahrsmesse in Leipzig 1927 vorstellten, da applaudierte die Fachpresse mit gebremster Euphorie: Sie seien verblüffend, hieß es. Man traute dem neuen Werkstoff wohl noch nicht, denn Krupp erhielt immer nur dann Aufträge, wenn die Demonstrationen vor Ort beim Kunden Erfolg hatten.
Mehr als 3000 Mitarbeiter bei Widia in den 60er Jahren
In den Folgejahren aber entwickelte sich Widia für Krupp zu einem bedeutenden Standbein, vor allem mit dem Markteintritt in den USA. Widia half somit dem Konzern, sich für Krisenzeiten breiter aufzustellen. In Spitzenzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg zählte das Unternehmen mehr als 3000 Mitarbeiter in Essen.
Seit Aufnahme der Produktion sind 90 Jahre vergangen. Morgen feiert Widia mit einem Mitarbeiterfest seinen runden Geburtstag. In all den Jahrzehnten hat sich am Prinzip der Produktion wenig geändert. Immer noch werden aus dem Ausgangsstoff Wolframkarbid Legierungen aus Sinterhartmetall hergestellt und daraus hochspezialisierte Werkzeuge gefertigt. Weil Widia härter ist als Stahl, lässt sich dieser gut und verschleißarm mit den Widia-Werkzeugen bearbeiten.
Krupp setzte das Hartmetall 1926 zunächst für Ziehsteine bei der Drahtherstellung ein, 1927/1928 kamen aber bereits die ersten Werkzeuge wie Bergbaumeißel hinzu. 90 Jahre später hat sich Widia vor allem auf Fräswerkzeuge spezialisiert, die die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Luftfahrttechnik verwenden. Heute sind die Widia-Werkzeuge führend in der Kurbelwellenbearbeitung und werden in Europa, nach China und die USA exportiert.
Eine Zäsur für die Mitarbeiter
Wolfgang Freye arbeitet seit fast 31 Jahren bei Widia und ist seit sechs Jahren der Betriebsratsvorsitzende. „Widia ist immer ein qualitätsvoller Name gewesen. Unter Widia kennen die Essener das Unternehmen bis heute“, sagt Freye und spielt auf die Übernahmen in der jüngeren Vergangenheit. Seit 2002 prangt der Name Kennametal mit am Werkstor. Damals hatte das US-Unternehmen Kennametal die Essener vom amerikanischen Werkzeugmaschinen-Hersteller Cincinnati Milacron übernommen.
Schon sieben Jahre zuvor hatte sich Krupp von Widia getrennt, und Sparten wie die Magnettechnologie und die Medizintechnik abgespalten. Was blieb, war die Werkzeugfertigung unter dem Namen Widia. Der Verkauf war eine Zäsur auch für die Mitarbeiter. „Die Essener sind ja traditionell stark mit dem Namen Krupp verbunden“, sagt Werkleiter Richard Kramser, der 30 Jahre bei Widia arbeitet. Es sei daher für die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen sehr wichtig gewesen, dass der Name Widia weiter geführt wurde.
Verkauf an die Amerikaner Mitte der 90er Jahre
Freye erinnert sich noch, als die Verkaufspläne des Kruppmanagements unter Konzernchef Gerhard Cromme bekannt wurden. „Die Stimmung war äußerst angespannt. Viele machten sich große Sorgen, was aus den Arbeitsplätzen werden würde“, so Freye. Zum Glück sei der Verkauf an den Konkurrenten Sandvik am Veto des Kartellamtes gescheitert. „Dann gäbe es uns heute wohl nicht mehr“.
Mit den Amerikanern zog eine neue Kultur ein, die laut Freye sehr viel stärker auf Profit getrimmt sei. Kennametal investierte viel in neue Maschinen. Die zunehmende Automatisierung hat jedoch mit dazu beigetragen, dass heute nur noch 450 Mitarbeiter an der Münchener Straße arbeiten. Dennoch: Widia ist damit immer noch einer der größten Industriebetriebe in der Stadt.