Essen/Gelsenkirchen. Der Prozess um den Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen steht kurz vor dem Abschluss. Am Montag forderten die Verteidiger mildere Jugendstrafen.
- Prozess um den Sprengstoffanschlag auf den Sikh-Tempel in Essen neigt sich dem Ende zu
- Staatsanwältin fordert mehrjährige Haftstrafen wegen versuchten Mordes für drei 16 bis 17 Jahre alte Jugendliche
- Verteidiger beantragten am Montag mildere Jugendstrafen für ihre Mandaten
Der Prozess um einen Sprengstoffanschlag auf einen Essener Sikh-Tempel steht kurz vor dem Abschluss. Nachdem am Freitag Staatsanwältin Birgit Jürgens mehrjährige Haftstrafen wegen versuchten Mordes für die drei 16 bis 17 Jahre alten Jugendlichen aus Essen, Gelsenkirchen und Schermbeck gefordert hatte, beantragten am Montag die Verteidiger mildere Jugendstrafen. Eine direkte oder indirekte Beteiligung an dem Attentat vom 16. April 2016, bei dem der Priester der Gemeinde schwer verletzt worden war, bestritt nach Informationen der WAZ keiner der Anwälte, sie widersprachen aber dem Vorwurf des Mordversuchs. Das Urteil der Jugendstrafkammer am Landgericht Essen in dem nicht öffentlichen Prozess wird für den 21. März erwartet.
Verantworten mussten die Jugendlichen sich für zwei Probesprengungen und den eigentlichen Anschlag. Sie hatten sich laut Anklage im Internet verabredet, um aus ihrer Sicht “Ungläubige” zu töten. Als ihr Anführer gilt der Gelsenkirchener Yusuf T. (17), der noch in der Untersuchungshaft von einem seiner in einem anderen Verfahren verurteilten Komplizen um Rat gefragt wurde, ob auch ein Anschlag auf Kinder religiös gerechtfertigt sei.
Staatsanwältin konnte keine Kontakte zum IS nachweisen
In der im Dezember gestarteten Hauptverhandlung hatte ein V-Mann aus der Szene zudem berichtet, dass der damals noch in Freiheit befindliche Angeklagte Tolgan I. (17) aus Schermbeck im Frühjahr 2016 nach der Inhaftierung der beiden anderen Angeklagten noch einen Anschlag auf das Essener Einkaufszentrum “Rathaus-Galerie” geplant habe. Der Schermbecker hatte das allerdings bestritten. Vom V-Mann stammen auch die Aussagen, dass sich der Hauptangeklagte Yusuf T. zunehmend radikalisiert habe und nicht mehr steuerbar gewesen sei.
Staatsanwältin Jürgens hatte vergeblich versucht, das Verfahren als staatschutzgefährdende Terrortat an die Bundesanwaltschaft abzutreten. Ihr war es aber nicht gelungen, Kontakte der Angeklagte zur Terrororganisation Islamischer Staat nachzuweisen.
Verteidiger hatten auf konkrete Anträge am Montag verzichtet
Sieben Jahre Jugendstrafe hatte die Staatsanwältin am Freitag für Yusuf T. und Tolgan I. gefordert, für den Schermbecker zusätzlich den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. Beim Essener Mohamad B. hielt sie sechseinhalb Jahre Jugendstrafe für ausreichend, weil sie ihn als weniger islamistisch radikalisiert einstuft.
Die Verteidiger hatten auf konkrete Anträge am Montag verzichtet, die Anträge der Staatsanwältin aber als überhöht zurückgewiesen. Die Verteidiger von Tolgan I., der beim Anschlag auf den Sikh-Tempel selbst nicht vor Ort war, sahen auch keinen Beweis für eine Anstiftung zum Mordversuch.
Verteidiger Victor Berger widersprach für seinen Mandanten Mohamad B., der Yusuf T. mit der Bombe begleitet hatte, ebenfalls dem Vorwurf des versuchten Mordes. Der Angeklagte habe sich tatsächlich im letzten Moment von Yusuf T. distanziert, als dieser den Sprengsatz zünden wollte.
Yusuf T. entschuldigte sich bei Sikh-Priester für die Verletzungen
In seinem letzten Wort entschuldigte sich Yusuf T. beim als Nebenkläger anwesenden Sikh-Priester für die Verletzungen. Alle Angeklagten hatten sich im Verfahren vom Islamismus distanziert.
Die Mutter von Tolgan I. verlas eine längere Erklärung, in der sie die Radikalisierung ihres Sohnes schilderte. Deshalb hätten ihr Mann und sie den Staatsschutz um Hilfe gebeten. Von der Behörde sei aber keine Hilfe gekommen, soll sie geklagt haben.
Da keine weiteren Anträge gestellt wurden, wird die V. Jugendstrafkammer vermutlich bei ihrem Zeitplan bleiben. Danach wird das Urteil am 21. März verkündet werden.