Essen. . Ein Essener Verkehrspolitiker will probeweise Schaffner für die Tram. Im Einsatz gegen Schwarzfahrer setzt die Evag dagegen auf Großkontrollen.

  • Wegen der gestiegenen Schwarzfahrer-Quote plant die Evag mehr Schwerpunkt-Kontrollen
  • Verkehrspolitiker Rolf Fliß will mit Schaffnern mehr Ehrlichkeit bei Fahrgästen schaffen
  • Bochum setzt seine Kundenbetreuer für Fahrschein-Überprüfungen ein, Essen nicht

Angesichts der hohen Schwarzfahrer-Quote von über 2,8 Prozent will die Evag mit noch mehr Schwerpunktkontrollen gegen Fahrgäste vorgehen, die kein Ticket haben. Außerdem erwägt das Unternehmen, die Zahl der Ticket-Prüfer insgesamt zu erhöhen. Derzeit sind dafür 40 Mitarbeiter des Dienstleisters PTS im Einsatz. Wie berichtet wurden im vergangenen Jahr schon rund 42.000 Schwarzfahrer ertappt.

Von den Großkontrollen erhofft sich die Evag den besten Abschreckungseffekt. „Da werden gleich Hunderte Fahrgäste an einer Haltestelle überprüft. Das hat Signalwirkung“, darauf setzt Nils Hoffmann, Leiter des Kundenmanagements. Bei den Schwerpunkteinsätzen haben Schwarzfahrer kaum eine Chance, den Prüfern durch die Lappen zu gehen. Die Kontrolleure treten in einem ganzen Dutzend oder mehr auf – und können so in Minutenschelle alle Fahrgäste einer Bahn checken.

Mehr Kontrollen bei Großveranstaltungen in Essen

In einem Punkt ändert die Evag aber ihre Strategie: Sie wird öfter als früher auch bei Großveranstaltungen und bestimmten Events größere Kontrollen machen. Und: „Wir werden viel überraschender auftreten – und zwar dort, wo es mehr Schwarzfahrer trifft und sie nicht mit uns rechnen“, kündigt Hoffmann an. „Wir mussten feststellen, dass es zu bestimmten Zeiten und Anlässen besonders hohe Beanstandungsquoten gab.“

Konkret meint er zuletzt die „Late Night Shoppings“ und „Essen Original“ im Oktober, wo an einer einzigen Haltestelle innerhalb weniger Stunden deutlich mehr als 300 Fahrgäste angetroffen wurden, die kein gültiges Ticket vorzeigen konnten.

Verkehrspolitiker will Tram-Linie mit Schaffner testen

Rolf Fliß (Grüne), Vorsitzender des Bau- und Verkehrsausschusses glaubt nicht, dass Schwerpunkt-Kontrollen allein zum Erfolg führen werden. „Das wird nicht reichen“, betont er. Fliß wird deshalb jetzt im Evag-Aufsichtsrat eine Initiative starten, anlässlich der Grünen Hauptstadt testweise wieder Schaffner auf einer oder mehreren Straßenbahn-Linien einzusetzen.

Die könnten dann auch die vielen Hauptstadt-Jahr-Touristen, die zu den verschiedenen Veranstaltungen und Sehenswürdigkeiten mit Bahn und Bus fahren, über Verbindungen und Tarife beraten und auch Fahrscheine verkaufen. Die Schaffner würden zudem die Tickets der Fahrgäste kontrollieren, der Oma beim Ein- und Aussteigen helfen und auch dafür sorgen, dass keiner die Sitzpolster mit seinen Schuhen beschmutzt oder an den Scheiben kratzt.

Zwar verweist Fliß hier gerne auf das Beispiel in Amsterdam, wo es auf wichtigen Linien noch Schaffner gibt, der Verkehrspolitiker könnte sich aber auch mit dem Modell der Verkehrsgesellschaft Bogestra anfreunden. In Bochum und Gelsenkirchen sind insgesamt 120 uniformierte Mitarbeiter in 130 Bahnen und 228 Bussen unterwegs, die die Aufgaben eines Kundenbetreuers und Schaffners übernehmen. Mit einer einzigen Ausnahme: Sie verkaufen keine Tickets. Dies sei beim zunehmenden bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht mehr zeitgemäß.

Gute Erfahrungen mit Kundenbetreuern in Bochum

Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns glaubt, dass diese Quasi-Schaffner die Schwarzfahrerquote nach unten drückten. Die gibt die Bogestra mit 1 bis 1,5 Prozent an. „Viele unserer Fahrgäste kennen unsere Betreuer“, sagt Sandra Bruns. Die helfen und beraten nicht nur, sondern prüfen auch die Tickets und bitten Schwarzfahrer zur Kasse. Es sind bei der Bogestra ausgebildete und fest angestellte „Allrounder“, die das technische Wissen haben, um eine klemmende Fahrzeug-Tür zu öffnen, die eine hilflose Personen versorgen (Erste Hilfe-Kursus) oder schlichtend eingreifen (abgeschlossenes Deeskalationstraining) und den Kunden ein besseres subjektives Sicherheitsgefühl geben können.

Evag: Schaffner in Essen wären zu teuer

Evag-Sprecher Nils Hoffmann gibt allerdings zu bedenken, dass die Schwarzfahrer-Quoten in den jeweiligen Verkehrsunternehmen nur begrenzt vergleichbar sind. „Es kommt darauf an, wie oft und wie intensiv ich kontrolliere. Zahlen allein sind kein Erfolgskriterium bei einer Schwarzfahrer-Quote, die im Dunkeln liegt.“ Sollten wieder Schaffner auf allen Linien eingesetzt werden, dann wären zu den derzeit eingesetzten 525 Bus- und 294 Straßenbahnfahrern zudem 800 neue Mitarbeiter für den Liniendienst nötig. Hoffmann: „Das wären erhebliche Personalkosten.“

38 Service-Kräfte sind für die Fahrgäste im Einsatz

Die Evag verfügt im Gegensatz zu Bochum/Gelsenkirchen und Düsseldorf über weniger Service-Kräfte. Derzeit sind 38 Mitarbeiter im Einsatz.

Sie halten sich vorwiegend in Bahnhöfen (vor allem im Hauptbahnhof auf) und sind weniger in Bahnen und Bussen unterwegs. Das Kontrollieren oder Verkaufen von Fahrscheinen gehört definitiv nicht zu ihren Zuständigkeiten.

Das Team rekrutiert sich aus ehemaligen Fahrern, „die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren können“, berichtet Unternehmenssprecherin Simone Klose. „Außerdem arbeiten auch noch ein paar ehemalige Werkstatt-Mitarbeiter als Servicekraft für uns.“ Der Verdienst ist unterschiedlich, da er von der Eingruppierung der früheren Tätigkeit abhängt.

Bei Großveranstaltungen vor Ort

Auch wenn sich die Arbeit des Teams auf wenige Bereiche konzentriert, lässt es sich anlassbezogen deutlich ausweiten. So können die Service-Kräfte sich an Haltestellen postieren und Infos etwa auf einen Schienersatzverkehr geben, wenn es zu einer größeren Betriebsstörung gekommen ist oder Bauarbeiten Umleitungen erfordern. Sie können in Bahnen und Bussen mitfahren, wenn es darum geht, Präsenz zu zeigen oder Älteren beim Ein- und Aussteigen zu helfen.

Bei Großveranstaltungen, etwa bei der Langen Nacht der Industriekultur oder auch bei RWE-Heimspielen sind sie vor Ort, um sich um die Sicherheit der Fahrgäste zu kümmern, zu informieren und dafür zu sorgen, dass Busse und Bahnen nicht zu voll werden. Zudem werden sie ebenso für Streckendienste eingeteilt, um Schäden festzustellen.

>> KONTROLLE, SERVICE, BEGLEITUNG

Die Frage, ob das Schwarzfahrer-Problem mit Schwerpunktkontrollen oder mit sozialer Kontrolle in den Griff zu bekommen ist, kann die Evag letztlich nicht beantworten. Hoffmann: „Wie sich das jeweils empirisch auswirkt, ist nie untersucht worden.“

Die Kundenbetreuer der Bochumer Bogestra sind fest angestellt und waren früher teilweise als Kontrolleure tätig. Sie verdienen pro Monat rund 2500 Euro, zuzüglich Zulagen.

Rund 70 Servicekräfte der Düsseldorfer Rheinbahn werden aus Arbeitslosenprojekten finanziert. Sie holen auf Anfrage Mobilitätsbehinderte sogar von zu Hause ab. Kostenlos.