Essen. . Viele Hartz-IV-Familien und Flüchtlinge: Der Norden Essens droht, weiter abgehängt zu werden. Ein Vogelheimer zeigt, was sich ändern müsste.

Als Peter Wallutis die Nachricht „Immer mehr Kinder leben von Hartz IV“ in der Zeitung las, da nahm er den Hörer zur Hand und rief in der Redaktion an: „Das hab ich nun schon so oft gelesen. Jeder macht dann ein betroffenes Gesicht. Wann aber fangen wir an, endlich etwas dagegen zu tun?“, fragt er.

Peter Wallutis wohnt seit über 35 Jahren in Vogelheim und engagiert sich als Bürger dort in der Stadtteilkonferenz. In dem Arbeitskreis machen sich Schulen, Kitas, soziale Einrichtungen und Bürger seit 25 Jahren Gedanken, wie sie die Situation in ihrem Stadtteil verbessern können. Oftmals aber könnten sie nur an Symptomen herumdoktern. Es bräuchte stattdessen ein Konzept für den gesamten Norden, das mehr umfasst als immer nur Geld in soziale Projekte zu kippen, fordert Peter Wallutis.

Sorge um die Bevölkerungsstruktur in den nördlichen Stadtteilen

Die Vogelheimer Straße ist kein Schmuckstück.
Die Vogelheimer Straße ist kein Schmuckstück. © Socrates Tassos

Vogelheim ist sicher nicht der Problem-Stadtteil Nummer 1 im Norden Essens. Aber auch dort gibt es überdurchschnittlich viele Erwachsene und Kinder, die von Hartz IV leben. Auch der Ausländeranteil ist höher als der Durchschnitt in der Stadt.

Peter Wallutis macht sich vor allem Sorgen um die Bevölkerungsstruktur im Stadtteil. Der günstige Wohnraum in Vogelheim wie überhaupt in den nördlichen Stadtgebieten zieht vor allem ärmere Menschen an. Eine Abwärtsspirale, die sich durch den Flüchtlingszuzug noch schneller drehen dürfte. „Wer kann, der haut ab. Und wenn wir nicht aufpassen, dann kippt das Ganze und wir bekommen hier regelrechte Ghettos“, warnt Peter Wallutis.

Der Essener Norden braucht mehr attraktiven Wohnraum

Die vordringlichste Aufgabe sei es deshalb, die Bevölkerungsstruktur in den nördlichen Stadtteilen zu stabilisieren. Doch wie kann die Mittelschicht nicht nur dort gehalten werden, sondern sogar zum Umzug in den Norden bewegt werden? Peter Wallutis steht auf der Straße Lichtenhorst. Dort hat der städtische Allbau eine alte Siedlung abgerissen und schmucke Doppel- und Reihenhäuser hingesetzt. Schnell waren die gelb-grauen Häuschen verkauft. Mit den gepflegten Vorgärtchen und gepflasterten Wegen ist die Straße jetzt eine Art Vorzeigesiedlung. Viele Vogelheimer, die weggezogen waren, seien zurückgekehrt. Dort hat es funktioniert. „Aber wir brauchen mehr von solchen Projekten im Norden“, sagt Peter Wallutis.

Wenn der Norden fürs Wohnen attraktiver werden soll, dann gehört für Peter Wallutis auch ein Verkehrskonzept dazu. Vogelheim ist von der Gladbecker im Osten, der Hafenstraße im Westen und der Vogelheimer Straße im Süden von Hauptverkehrsstraßen und Gewerbegebieten eingekeilt. Lärm, Abgase – wer will da gerne hinziehen? Seit 15 Jahren schon fordert Wallutis ein Verkehrskonzept für den Norden. Vorschläge gibt es. Getan hat sich nichts.

In den Schulen im Norden müsste mehr Personal eingesetzt werden

Nur wenig entfernt von seinem Haus an der viel befahrenen Hafenstraße liegt die Gesamtschule Nord. 80 Prozent der 1000 Schüler haben einen Migrationshintergrund. Häufig reden sie in der Stadtteilkonferenz über die Situation dort. Allen ist klar: Bildung ist einer der wichtigsten Schlüssel gegen die Kinderarmut. Denn nur wenn die Kinder eine Chance auf einen guten Abschluss erhalten, dann schaffen sie es vielleicht, aus der Hartz-IV-Karriere ihrer Eltern auszubrechen. „Die meisten Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Aber ihr eigener Bildungshorizont reicht nicht aus, um die Kinder zu fördern.“

Vieles bleibt also an der Schule hängen. Doch die Lage vor Ort befriedigt Peter Wallutis nicht. „Es wird viel getan, die Lehrer sind regelrechte Überzeugungstäter“. Doch so lange beispielsweise der Personalschlüssel an Schulen mit einem hohen Migrantenanteil genauso hoch sei, wie an einer Schule im Süden der Stadt, seien die Möglichkeiten der Lehrer begrenzt. Das haben die Mitglieder der Stadtteilkonferenz auch in einem Brief an NRW-Schulministerin Löhrmann geschrieben. Große Hoffnung machen sie sich indes nicht.