Essen. . Der Anteil bedürftiger Kinder in Essen ist auf über 33 Prozent gestiegen. Damit belegt die Stadt in NRW einen negativen Spitzenplatz.
- Der Anteil bedürftiger Kinder ist in den vergangenen Jahren weiter gestiegen – auf nun über 33 Prozent.
- Damit hat Essen in NRW die zweithöchste Quote hinter Gelsenkirchen, das noch schlechter abschneidet
- Essens Caritas-Direktor Hermans spricht von „einer Besorgnis erregenden Entwicklung“
Es ist eine für Essen betrübliche Zahl: Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, ist weiter deutlich gestiegen. Mittlerweile betrifft es in Essen 33,2 Prozent der Minderjährigen unter 18 Jahren und somit jedes dritte Kind.
Das zeigen aktuelle Zahlen, die sich auf den Stand Ende 2015 beziehen und die das Statistische Landesamt jetzt veröffentlicht hat. Vor acht Jahren lag die Quote hilfsbedürftiger Kinder noch bei 28,6 Prozent.
„Das ist eine extrem Besorgnis erregende Entwicklung“, sagte am Mittwoch Caritas-Direktor Björn Enno Hermans. Denn dies gehe häufig mit schlechteren Bildungschancen und Teilhabemöglichkeiten einher. Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Essen warnte angesichts der Zahlen: „Es besteht eine große Gefahr, dass sich solche Karrieren vererben“, erklärte Geschäftsführer Philipp Thelen.
Nur Gelsenkirchen steht schlechter da
Der gestiegene Anteil beschert Essen zudem einen unrühmlichen Platz unter den Städten und Kreisen im Land. Essen liegt hinter Gelsenkirchen, wo 39 Prozent der Kinder betroffen sind, auf Platz 2 in ganz NRW. Im Landesdurchschnitt sind 19,7 Prozent der Kinder auf staatliche Stütze angewiesen.
Der Anstieg bei den bedürftigen Kindern hängt eng damit zusammen, dass insgesamt mehr Menschen in der Stadt von einer sogenannten sozialen Mindestsicherung abhängig sind. Dazu zählen vor allem Hartz IV, ferner Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, aber auch Leistungen für Asylbewerber. Der Anteil der Betroffenen ist in Essen seit 2007 von 15,6 Prozent auf nun 18 Prozent geklettert. In absoluten Zahlen sind das aktuell fast 105 000 bedürftige Menschen.
Arme Kinder haben schlechtere Bildungschancen
Die meisten der betroffenen Kinder leben in Familien, die ganz oder teilweise auf Hartz IV angewiesen sind. „Kinder aus Hartz-IV-Familien haben geringe Chancen, diesen Status zu verlassen“, so Philipp Thelen. Besonders die „geringe Bildungsmobilität“ der Kinder macht dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Sorgen. Kinder in Hartz-IV-Familien würden seltener das Gymnasium besuchen, sie erreichen meist nur Haupt- oder Realschulabschlüsse. „Das hat auch mit Stigmatisierung der Armut zu tun, auch wenn das Lehrer und Erzieher so gar nicht wollen“, glaubt Thelen.
Angesichts der Zahlen spricht Caritas-Direktor Hermans von einem Massenphänomen, das sich trotz vielfältiger Bemühungen in der Stadtgesellschaft und Politik nicht so leicht ändern lasse. „Kinderarmut lässt sich nicht ohne Eltern denken. Deshalb ist der einzige Ausweg, den Familien auskömmliche Beschäftigung jenseits des Niedriglohnsektors zu bieten. Aber das ist eine besonders große Herausforderung“, räumt er ein. Er rechnet damit, dass die Zahl armer Kinder in Essen aufgrund des Flüchtlingszustroms weiter steigen wird.
Zuwanderung verschärft die Kinderarmut noch
Aus Sicht von Sozialdezernent Peter Renzel ist insbesondere die Zuwanderung in den vergangenen zwei Jahren die Ursache für die gestiegene Zahl Hilfebedürftiger und somit auch der Kinder. Essen habe seit Jahren eine hohe Quote an Hartz-IV-Empfängern, die Zuwanderung komme nun erschwerend hinzu. „Das zeigt uns, welch große Aufgaben bei der Integration vor uns liegen. Vor allem müssen wir die Kinder stark machen, dass sie Schule und Ausbildung erfolgreich abschließen“, sagte Renzel.
Das ist auch der Ansatz, für den sich der Kinderschutzbund stark macht: „Bildung ist der Schlüssel“, sagte Heike Pöppinghaus, die beim Kinderschutzbund für den Fachbereich Kinderschutz zuständig ist.