Essen. . Live-Sendung auf WDR 5 im überfüllten Festsaal der Zeche Carl spiegelt wider, wie sehr die Themen Gewalt, Kriminalität und Clans polarisieren.

  • „WDR 5 Stadtgespräch“: Live-Sendung im überfüllten Festsaal der Zeche Carl
  • OB und Polizeipräsident: „Essen und Altenessen sind sicher, es gibt keine rechtsfreien Räume“
  • Die Debatte spiegelt wider, wie sehr die Themen Gewalt, Kriminalität und Clans polarisieren

Der Saal der Zeche Carl ist gerappelt voll, als Donnerstagabend im „WDR 5 Stadtgespräch“ über „No- Go-Areas“ im Revier diskutiert wird. 400 sind gekommen, viele müssen draußen im Foyer bleiben. Ein Indiz dafür, wie sehr das Thema elektrisiert – und auch polarisiert.

Ausgerechnet der staatsnahe Sender selbst, der sich auf seiner wortlastigen fünften Welle gern mit dem Prädikat „anspruchsvoll“ schmückt, hat vorab reichlich Öl ins Feuer gekippt. Indem er Altenessen als eines der „heißesten Pflaster“ im Land abstempelt („hier herrscht das Gesetz der Straße, das Recht des Stärkeren“), hat er starkes Interesse geweckt. Doch die meisten, brave und engagierte Altenessener, sind erbost, weil sie sich als Bronx-Bewohner stigmatisiert sehen. Das aber auch nicht gerade kleine Lager der Unzufriedenen und Verunsicherten fühlt sich hingegen bestätigt. Man ist geradezu dankbar für die grelle WDR-Polemik („Sicherheitsgefühl – Fehlanzeige“).

Polizeipräsident: „Ich kann es nicht mehr hören“

Die Leute im Saal – und zum Teil auch die Vier auf dem Podium – spiegeln wider, wie gereizt die Stimmung im Lande mittlerweile ist. „Nein“, kanzelt Polizeipräsident Frank Richter den WDR-Mann barsch ab, Essen und Altenessen seien sicher. No-Go-Area Essen? „Ich kann es nicht mehr hören.“ Sichtlich angesäuert wirkt auch OB Thomas Kufen, er schlägt in dieselbe Kerbe und giftet: „Altenessen ist keine No-Go-Area, die Leute hier haben einen dicken Hals.“

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Der Polizeipräsident, ein Mann mit Streifendienst-Erfahrung und selbst ein Kind des Essener Nordens, räumt zwar ein, dass es in den Stadtteilen „Brennpunkte“ gebe. Aber dass mitunter ein größeres Aufgebot an Streifenwagen ausrücken müsse, sei keinesfalls typisch für Essen und Altenessen.

Etliche im Saal zeichnen hingegen ein ganz anderes Bild. Ein Anwohner des Kaiserparks sagt: „Ich bin hier geboren und fühle mich nicht mehr sicher. Auch wegen der Clans.“ Ein anderer prangert das Quartier am Altenessener Bahnhof mit der „15 Jahre alten Bauruine“ an: „Ein unsicherer Ort.“ Der nächste berichtet von Drogendealern und Süchtigen am Ellernplatz und davon, dass die angeblich so präsente Polizei bei einer Schlägerei erst nach 40 Minuten eingetroffen sei. Als der Polizeichef heftig dementiert, schlägt ihm schallendes Gelächter entgegen.

Hitzige Debatte um Gewalt und Kriminalität

Über weite Strecken dreht sich die Debatte um Gewalt und Kriminalität, die von libanesischen Clans ausgeht. Ahmad Omeirat, der grüne Ratsherr, legt die Hand über die einstigen Bürgerkriegsflüchtlinge, inständig mahnt er an, ihnen endlich einen sicheren Aufenthaltsstatus zu geben. Und Arbeit.

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Als Serge Dash Menga, der mit seiner Facebook-Wutrede gegen kriminelle und respektlose Einwanderer bundesweit berühmt wurde, über dealende Afrikaner und kriminelle Roma schwadroniert, schreit Omeirat: „Das ist Rassismus – Sie sollten sich was schämen.“

Die Temperatur im Saal steigt, und die Debatte wogt hin und her. Die eine sagt, sie sei bewusst nach Altenessen gezogen und fühle sich sicher. Ein anderer hingegen erzählt, dass er gerade aufgrund schlechter Erfahrungen weggezogen ist. Seine Mutter, die immer noch hier lebe, sei neulich auf offener Straße beschimpft worden („Ihr Scheiß Deutschen“).

AfD-Neuling Guido Reil wird heftig ausgebuht

Thomas Rüth, dem Awo-Sozialarbeiter, gelingt es zu differenzieren. Ja, es gebe die Parallelwelt der Clans und Leute, die sich benähmen wie „Graf Rotz“. „Deswegen gehen wir ja massiv vor.“ Gemeint sind das Aktionsbündnis „Sicheres Altenessen“ und die Polizei. „Unser Prinzip ist: Fördern und Fordern – das klappt.“

Wenn es um Sicherheit geht, darf Polit-Star und AfD-Neuling Guido Reil nicht fehlen. Es ist sein Lieblingsthema. Er wird zwar heftig ausgebuht, aber das scheint ihn eher zu bestärken. Allein seine Anwesenheit bereitet den Etablierten schon Unbehagen. Zumal er nicht allein gekommen ist. Sein Facebook-Appell, mit ihm nach Altenessen zu kommen, wird 504 Mal geteilt. Tatsächlich stehen auf dem Parkplatz vor der Zeche auffällig viele Autos mit auswärtigen Kennzeichen. Der Wahlkampf hat längst begonnen.