Bochum. Duisburg hat Marxloh, Dortmund hat die Nordstadt. Und Bochum? In der viertgrößten Revierstadt gibt es kein Problemviertel. Ein Erklärungsversuch.

Ob man nun von No-Go-Areas sprechen mag oder nicht: Problemviertel gibt es in fast allen Großstädten. In Dortmund macht die Nordstadt Probleme, in Essen ist es Altenessen, in Duisburg ist es Marxloh. Gelsenkirchen schlägt sich mit Ückendorf, Rotthausen und Bismarck herum. In Hagen sind Altenhagen und das Bahnhofsviertel ein Problem. In Oberhausen oder  Mülheim sind einzelne Straßenzüge oder Sub-Viertel problematisch.

Nicht viel weniger Kriminalität als Nachbarstädte

Aber in Bochum? Über die Stadtgrenze hinaus ist Bochum nicht für einen sozialen Brennpunkt bekannt. Allenfalls die Hustadt könnte man nennen, die Hochhaussiedlung in Querenburg aus den 60er Jahren – "am Ende der U35" hinter der Uni. Hier wurde 2011 ein mutmaßlicher Terrorist gefasst: Er hatte denselben Jugendtreff in der Hustadt besucht wie 9/11-Attentäter Ziad Jarrah. Auch das brachte die Siedlung in Verruf.

Ein klassisches Problemviertel ist die Hustadt aber nicht – und erst Recht keine No-Go-Area. Die "Platte" fernab der Innenstadt ist eingerahmt von Friedhof, Feldern, Einfamilien- und Reihenhäuschen. Auch viele Studenten leben in der Siedlung. Das innenstadtnahe Arbeiterviertel Stahlhausen hat die Entwicklung zum Brennpunkt mit Engagement und schlauer Stadtentwicklung abgewendet.

"Wir haben in Bochum keine auffälligen Bereiche" bestätigt Polizeisprecherin Nicole Schüttauf. Die Kriminalitätsrate in Bochum sei natürlich höher als in ländlichen Gemeinden, aber das sei normal. Und im Vergleich zu anderen Großstädten im Revier? In der Statistik von 2015 setzt sich Bochum nicht sonderlich von den anderen Großstädten in Revier ab:

 Straftaten je 100.000 Einwohner
Dortmund14.399
Essen11.574
Duisburg11.454
Bochum10.513
Gelsenkirchen10.257

Quelle: Bundesinnenministerium

Es muss also andere Gründe dafür geben, dass sich (bisher) kein Problemviertel gebildet hat. Für Bochums Stadtsprecherin Annika Vößing liegt das vor allem am Gegensteuern der Stadt. Sie hat vier Puzzlesteine parat:

  • Bochum sei im Vergleich zu anderen Großstädten gut "sozial durchmischt". Das werde im Sozialbericht NRW 2016 deutlich: Im Vergleich zu anderen Großstädten liegt die Zahl der Sozialleistungs-Bezieher unter dem Landesdurchschnitt. Darüber hinaus seien sie besser über das Stadtgebiet verteilt als in anderen Großstädten. Die Stadt achte seit Jahren darauf, Sozialwohnungen gleichmäßig über das Stadtgebiet zu verteilen.
  • Die Leerstandsquote sei in Bochum laut Wohnungsmarktbericht Ruhr niedriger als in anderen Großstädten. Dadurch entstünden kaum Problem-Immobilien.
  • Jobcenter und Stadt hätten mehr Spielraum bei der Prüfung von angemessenen Mieten für SGB-II-Bezieher: Großzügige Toleranzgrenzen verhinderten die "Vertreibung" von Sozialschwachen aus ihren Wohnungen – das beuge einer Ghettoisierung vor.
  • Zudem arbeiteten die Bau- und Sozialverwaltung bei Stadtentwicklungs-Projekten eng zusammen. Oft ist auch die Polizei an der Planung beteiligt.

Es scheint also eine Kombination aus allem zu sein. Der Verlust von Tausenden Industriearbeitsplätzen hat sich zumindest (bei allen anderen negativen Effekten) nicht auf auf die Bildung von Problemvierteln ausgewirkt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Entwicklung nicht nur dem Zufall geschuldet ist, denn: "Wir sind mit der Situation ganz zufrieden", meint Polizeisprecherin Schüttauf.