Essen. An der Diskussion um die Pflegeheime in Essen haben sich bereits zahlreiche Leser beteiligt. Sie berichten über teils haarsträubende Zustände, aber auch über Heime mit warmer und freundlicher Atmosphäre.
„Bitte nennen Sie meinen Namen nicht.” Das ist die dringende Bitte vieler Leser, die uns über ihre Erfahrungen mit Altenheimen berichten.
Anonym bleibt daher etwa die Leserin, deren Schwiegermutter vor anderthalb Jahren in ein Pflegeheim umzog. „Wegen ihrer Demenz kam sie in ein spezielles Heim mit verschlossenen Türen, da sie immer den Versuch machte, wegzulaufen. Zu ihrer eigenen Sicherheit ging es leider nicht anders.” Inzwischen habe sich der Zustand ihrer Schwiegermutter so verschlechtert, dass sie nicht mehr in der Lage sei, ohne Hilfe zu gehen.
Außerdem hat die Familie den Verdacht, dass die alte Dame ruhiggestellt wird. „Wir haben erfahren, dass sie ein Medikament bekommt, das verhindert, dass sie überhaupt noch laufen kann.” Nachts habe sie ein Gitter vor dem Bett und werde zusätzlich mit einem Bauchgurt fixiert. „Zum Glück sind wir nun in der Lage, sie in ein paar Wochen wieder zu uns zurück zu holen”, schreibt die Leserin. „Dann hat dieser Alptraum ein Ende.”
Verantwortung nicht an der Heimpforte abgeben
Seit sechs Jahren kümmert sich Frau D. um ihre hilfsbedürftige Mutter, seit nunmehr einem Jahr wohnt diese in einem Heim. Bei der Suche nach einer geeigneten Einrichtung hat Frau D. die Erfahrung gemacht, „dass sich fast alle Heime sehr um potenzielle Kundschaft bemühen”. Sie frage sich daher, wie sich Heime, die den Bedürfnissen ihrer Bewohner überhaupt nicht entsprechen, noch halten könnten. „Wenn man mehrere Häuser besichtigt, mit offenen Augen die Lebensbedingungen der Bewohner und die Arbeitssituation der Mitarbeiter beobachtet und klärt, wie die persönlichen Belange des Einzelnen berücksichtigt werden können, dann kann man auch als Laie große Unterschiede zwischen den Häusern erkennen.” Insofern könne sie den Expertenrat, bei der Auswahl eines Heimes genau hinzusehen, nur unterstreichen.
Für ihre Mutter habe sie ein Heim gefunden, das nicht nur durch gute Organisation des Alltags und pflegerische Kompetenz überzeuge. „Mich beeindruckt immer wieder, wie es Leitung und Mitarbeitern bei allem Stress und aller Anspannung gelingt, eine fröhliche, offene und menschlich warme Atmosphäre zu schaffen.” Noch nicht einen Tag habe sie die Entscheidung für das Haus bereut.
Bei gravierenden Entscheidungen wie dem Legen einer Magensonde oder eines Blasenkatheters komme es aber auch auf die Stimme der Angehörigen an, betont Frau D. Sie glaube nicht, dass solche Eingriffe gegen das Votum der Familie durchgesetzt würden, wenn sie nicht medizinisch zwingend notwendig seien. „Wichtig ist, dass Angehörige oder Freunde ihre Verantwortung für einen pflegebedürftigen Menschen nicht an der Heimpforte abgeben.”
"Hoffentlich sterbe ich, bevor ich ins Heim komme"
WAZ-Leserin Astrid Knaak mag Altenheime nicht verdammen, will aber dennoch in keines ziehen. Sie kenne viele Heime und erlebe, dass die meisten Pfleger/innen „hochmotiviert” arbeiten. „Aber es fehlt an Personal, und das führt zu Engpässen”, schreibt sie. „Zwar helfen zeitweise Angehörige und Ehrenamtliche, aber eben nur zeitweise.”
Außerdem habe sie beobachtet, dass in vielen Heimen kaum gelesen werde; sie frage sich warum. „Langeweile wäre dann ein Fremdwort, es sind doch nicht alle Bewohner dement.” Ihr persönliches Fazit sei daher: „Egal wie gut: Heim bleibt Heim. Hoffentlich sterbe ich vorher.”
"Alte werden auf dem Flur geparkt"
Am liebsten hätte Klaus Seidensticker seine Frau für immer zu Hause behalten. Doch nachdem er sie viereinhalb Jahre lang allein gepflegt hatte, war er am Ende seiner Kräfte angelangt. Erst engagierte er für die morgendliche Pflege eine ambulante Hilfe, dann gab er dem Drängen der Ärzte nach und suchte ein Pflegeheim. „Das ist nach fast 44 Jahren glücklicher Ehe ein schwerer Schritt.”
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Seidensticker sah zwölf Einrichtungen an, musste aber feststellen, dass er sich einige der überzeugendsten Häuser nicht leisten konnte. Was er in anderen Einrichtungen erlebte, habe ihn „erschüttert”, sagt der 83-Jährige, dessen Frau inzwischen mehrere Pfegestationen hinter sich hat.
Sie ist 87 Jahre alt, leidet an einer Demenz und verschiedenen körperlichen Gebrechen. Doch obwohl sie Pflegestufe drei hat, bekommt sie nach Ansicht ihres Mannes nicht mehr Aufmerksamkeit als andere Bewohner, wird mehr verwahrt denn betreut. „Sie sitzt den ganzen Tag über allein in ihrem Zimmer.” Täglich komme er für drei bis vier Stunden, unterhalte sie oder unternehme Spazierfahrten mit dem Krankenstuhl mit ihr. Wer nicht so oft besucht werde, vereinsame oder vegetiere nur noch vor sich hin. In vielen Heimen gebe es nicht einmal Aufenthaltsräume, hat Seidensticker beobachtet. „Die Pflegebedürftigen kommen auf die Flure, wo sie den ganzen Tag vor einem Bildschirm sitzen.”
Das kann er seiner Frau ersparen, aber nicht, dass sie nachts zu Boden falle, weil vergessen wurde, das Bettgitter hochzuziehen. Erst am nächsten Morgen habe man seine blutende Frau gefunden. Dass auf den Schwesternruf erst nach einer halben Stunde reagiert werde, habe er in mehreren Heimen erlebt; einmal habe es drei Stunden gedauert.
Erschüttert hat Seidensticker auch, dass seine Frau häufiger falsche Medikamente erhielt obwohl er dem Heim eine genaue Liste gegeben habe. Kürzlich habe er herausgefunden, dass sie schon um 18 Uhr schwere Beruhigungsmittel bekomme. „Und ich hatte mich gewundert, dass sie abends um sieben schon nicht mehr ansprechbar war.”
Nicht ansprechbar sei auch das Personal, wenn er etwa bitte, seine inkontinente Frau öfter zu duschen. Es gebe natürlich auch „hervorragende Pflegekräfte”, räumt er ein. Für seine Frau suche er ein Heim, wo die in der Mehrzahl sind.
"Bewohner betteln um Hilfe beim Gang zur Toilette"
Den Streit um die korrekte Pflegestufe für ihre Mutter trägt Gabriele Zallmak nun vor Gericht aus. Ein gutes halbes Jahr wohnte die alte Dame im Heim, als die Einrichtung beantragte, die Pflegestufe von 1 auf 2 heraufzustufen. Das war im Mai 2007 und verwunderte Gabriele Zallmak, „weil sich der Zustand meiner Mutter nicht verschlechtert hatte”. Grundsätzlich hätte sie nichts gegen eine höhere Stufe einzuwenden, „wenn die Leistungen auch erbracht würden”.
Das geschehe jedoch nicht, im Gegenteil: Obwohl das Heim im Pflegeantrag 7 bis 8 Toilettengänge pro Tag angegeben habe, werde der Rollstuhlfahrerin diese Hilfe regelmäßig von den Pflegern verweigert, schreibt Frau Zallmak. „Ich habe selbst schon öfter gehört: ,Ich hab jetzt keine Zeit, lassen Sie es laufen, Sie haben ja eine Windel um.' Es ist so erniedrigend, wenn die Bewohner darum betteln, dass jemand mit ihnen zur Toilette geht. Meine Mutter war öfter bis zum Bauch nass, wenn ich sie besucht habe.”
Darüber hinaus habe das Heim angegeben, dass ihre Mutter einen Mittagsschlaf halte, für den sie umgezogen und mit Stützstrümpfen bekleidet werden müsse. Dabei habe die 82-Jährige gegenüber der Pflegedienstleiterin ausdrücklich angegeben, dass sie mittags nicht schlafen wolle, weil sie dann nachts keine Ruhe finde. Weil sie überzeugt ist, dass das Heimpersonal die höhere Pflegestufe durch falsche Angaben erschlichen hat, ist Gabriele Zallmak inzwischen vors Sozialgericht Duisburg gezogen.