Essen. Es gab schon stärkere Buch-Jahre als 2015: Vom Nachschlagewerk Essener Köpfe und Straßen bis zu den Nachtritten von Willi Nowack - einige Bewertungen.
Ein bisschen dünner als in den Vorjahren fällt sie dieses Mal aus, die Essener Bücherlese, die wir traditionell vor Weihnachten zusammenstellen und bei der wir das publizistische Jahr Revue passieren lassen. Es fehlt etwas wirklich Repräsentatives für den „Coffeetable“, und auch Inhaltlich hat es schon Stärkeres gegeben. Trotzdem hat die Essener Geschichtskultur einiges Beachtliche hervorgebracht. Und vor allem sind zwei grundsolide Nachschlagewerke nun wieder aktualisiert erhältlich.
Essener Köpfe und Straßen
Die Neuerscheinung von „Essener Köpfe“ und „Essener Straßen“ waren denn auch das wichtigste Essener Buch-Ereignis. Beide Bücher nähern sich ihren Gegenständen in kurzen, handlichen Kapiteln, verzichten weitgehend auf Wertungen und konzentrieren sich ganz auf belegbare Fakten. Wer sich mit Essener Geschichte befasst, der weiß die knapp 1200 Einträge zu schätzen. Jeder, der in und für Essen irgendwann wichtig war (und von dem die Quellen wissen), ist hier mit einer Kurzbiografie vertreten.
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Die „Essener Straßen“ sind heimatgeschichtlich vor allem da interessant, wo Straßen nach Flurnamen, Höfen oder Ereignissen benannt wurden, zu denen sich lokale Geschichten erzählen lassen. Das sind einige unter den 3360 Straßen, die das Buch auflistet. Auch sonst aber sind Straßennamen und ihre Herkunft hochinteressanter Lesestoff. Und wie man in Essen seit dem Fall Von-Seeckt-Straße/Von-Einem-Straße weiß: Straßennamen sind Politik.
Klartext-Verlag, Euro 19,95 einzeln, im Paket (784 S.) Euro 32,95
Bredeneyer Friedhofskultur
Friedhöfe sind Kulturorte und Stätten der Geschichte, in wohlhabenden Vierteln noch mehr, weil Traditionspflege und Familienüberlieferung oft auch etwas mit Geld zu tun haben. Ein Autorenteam hat sich der Friedhöfe in Bredeney angenommen, herausgekommen ist ein Werk über das Leben Essener Persönlichkeiten und ihre Selbstdarstellung über den Tod hinaus, ein „Who-is-who“ vor allem des städtischen Wirtschaftslebens. Genaue Karten laden zu eigenen Entdeckungen ein. Orts- und Stadtteilgeschichte, Friedhofskultur des 19. und 20. Jahrhunderts und die Biografien gehen hier eine hochinteressante Synthese ein.
Friedhöfe in Essen-Bredeney - Menschen, Monumente, Geschichte(n), 160 Seiten, 12,95 Euro
Essener Design-Geschichte
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Vor 60 Jahren eröffnete das Haus Industrieform seine erste Ausstellung „Ständige Schau formschöner Industrieerzeugnisse“ im Kleinen Haus der Villa Hügel, später kam der Umzug in die Alten Synagoge, und wieder später entstand das Red Dot Design Museum auf Zollverein. Der dritte Band der „Kleinen Schriftenreihe“ des Ruhr Museums nimmt sich dieser stolzen Design-Geschichte an, aus der Essen nach Meinung vieler noch zu wenig macht. Zahlreiche Bilder runden den Informationsgehalt des kleinen Buches ab.
Dorothea Bessen/Chr.Wilmer: Vom Haus Industrieform zum Red Dot Design Museum, 80 S., 10, 95 Euro
Schönes Essen
Reisebücher übers Ruhrgebiet gibt es mittlerweile einige, hier ist das neueste: Ein früherer WAZ-Redakteur hat sich von Moers bis Waltrop auf den Weg gemacht und unter den aus seiner Sicht 44 schönsten Orten auch sechs in Essen ausgemacht. Solide Informationen und Eindrücke sind hier zusammengetragen, etwa über die Villa Hügel, den Grugapark oder das Unperfekthaus, das vielleicht nicht schön, aber doch etwas ganz und gar Einmaliges ist.
Rolf Kiesendahl: Wo es im Ruhrgebiet am schönsten ist, 176 Seiten, 9,95 Euro
Nowacks Nachtritte
StadtgeschichteDie Autobiografie des früheren SPD-Fraktionschefs Willi Nowack hat im politischen Essen eine merkwürdige Resonanz erfahren: Viele sind zwar interessiert an seinen Erinnerungen und Rechtfertigungen, nur wenige geben aber zu, dass sie das Buch gekauft oder gelesen haben. Auch wenn Nowack nach Ansicht von Insidern nicht allzuviel Neues preisgibt, so liefert er doch Einblicke in den Mikrokosmos der Essener Kommunalpolitik, in die Riten und Schmutzeleien, die menschlichen Stärken und vor allem Schwächen der Akteure. Die volle, die alleinige Wahrheit ist das gewiss nicht, die Selbstkritik wirkt stellenweise alibihaft, und unnötige Albernheiten gibt es auch im Buch. Aber alles in allem: lesbar.
Willi Nowack: Nachgetreten - ein Blick zurück in mildem Zorn, 280 Seiten, Euro 19,95