Essen. Der städtische Beamte Erwin Dickhoff schuf in jahrelanger Kleinarbeit die vergriffenen Nachschlagewerke, die Interessierte sehr schätzen. Jetzt wurden sie überarbeitet.
Die Essener Geschichtskultur kann sich seit jeher sehen lassen, was auch einer erfreulich regen Buchproduktion zu verdanken ist. Gestern nun wurden zwei grundlegende Nachschlagewerke zur lokalen Geschichte nach jahrelangen Vorarbeiten des „Historischen Vereins für Stadt und Stift Essen“ neu präsentiert: die „Essener Köpfe“ und die „Essener Straßen“.
Beide Bücher nähern sich ihren Gegenständen in kurzen, handlichen Kapiteln, verzichten weitgehend auf Wertungen und konzentrieren sich ganz auf die belegbaren Fakten. In Zeiten, da Geschichte häufig zum ideologischen Schlachtfeld wird, ist eine derart knochentrockene Herangehensweise durchaus wohltuend.
Nur Verstorbene sind berücksichtigt
Kein Profi aus der Geschichtswissenschaft war es, der die beiden Bände in den 1970er und 1980er Jahren in mühsamer Kleinarbeit schuf, sondern ein historisch interessierter Beamter des Essener Vermessungs- und Katasteramtes: Erwin Dickhoff. Im Jahr 1988 pensioniert und 2012 verstorben, hat Dickhoff noch von den Bemühungen um eine Neuauflage Kenntnis gehabt und diese lebhaft begrüßt. Mit den Erben konnte Einvernehmen über die Rechte erzielt werden, so dass seine Texte auch der Neuauflage als Grundlage dienten.
Natürlich wurde kräftig aktualisiert: Von den knapp 1200 Persönlichkeiten, die für die lange Essener Geschichte in irgendeiner direkten Form wichtig waren, sind 282 neu hinzugekommen – im Einzelfall, weil Dickhoff etwas durchgegangen war, zumeist aber, weil sie bei der Erstauflage noch unter den Lebenden weilten. Dickhoff – und dieses Prinzip wurde beibehalten – hat nur Tote berücksichtigt, deren Wirken abschließend zu beurteilen war. Auch deshalb wohl brauchte an seinen Texten nur wenig verändert werden. „In maximal einem Dutzend Fälle sind neue Erkenntnisse hinzugekommen“, sagt Stadtarchivar Klaus Wisotzky, der dem Redaktionsteam zur Seite stand.
Alt-OB Peter Reuschenbach wurde vergessen
Das Spektrum gehorcht klassischen Mustern: Die Köpfe stammen aus Politik, Wirtschaft, Stadtverwaltung, Kultur, geistigem Leben, Wissenschaft, Sport und Medien. Drin ist, wer wichtig war. Ein einziger wurde nach jetzigem Stand vergessen, und Klaus Kaiser, Geschäftsführer des Historischen Vereins, räumt ein, dass dies peinlich ist: Alt-OB Peter Reuschenbach hat im Buch keinen eigenen Eintrag. Im historischen Portal der Stadt wird der SPD-Politiker aber Eingang finden, so wie die frühere Bundesministerin Antje Huber und der Verleger Walter Wimmer, die nach Drucklegung des Buches starben. Im Internet sollen die „Essener Köpfe“ bis zur nächsten Auflage ständig aktualisiert werden.
Beim zweiten Buch, den Straßennamen, ist die Sache einfacher. Hier gibt es kein Ermessen, sondern einen Katalog der Stadt, in dem die mittlerweile 3360 Straßen und Plätze verzeichnet sind. „Sie alle sind Zugänge zur Geschichte der Stadt“, merkte Oberbürgermeister Thomas Kufen ab, der die Bücher im Haus der Essener Geschichte vorstellte. Sehr viele Straßen heißen nach teils uralten Flurnamen, andere erinnern an Familien, an Bauernhöfe oder an die industrielle Vergangenheit. Die Zahl der Essener Straßennamen beispielsweise, die in irgendeiner Form mit Krupp zusammenhängen, dürfte deutlich dreistellig sein.
Andere Straßennamen spiegeln die politisch-ideologischen Vorlieben der Benennungszeit, und auch sie transportieren so Geschichte – und sorgen mitunter für Kontroversen. Der Streit um Von-Seeckt- und Von-Einem-Straße und der klärende Bürgerentscheid im Februar 2013 sind noch in Erinnerung.