Essen. Beim Besuch in einem Zeltdorf bekräftigt Thomas Kufen die Absicht, neue Siedlungen für Flüchtlinge zu bauen. Die Standort-Debatte will er durchstehen.
Oberbürgermeister Thomas Kufen appelliert an die Essener Bürger, Verständnis für die Pläne der Stadt zur Gründung von Flüchtlingssiedlungen aufzubringen. „Die Unterbringung in Zeltdörfern ist ein Provisorium und kann so nicht weitergehen“, sagte Kufen am Freitag beim Besuch eines Zeltdorfes an der Planckstraße in Holsterhausen.
Wie berichtet, will die Stadt Essen 15 Standorte in die nähere Prüfung nehmen, die sich auf Basis erleichterter Bauvorschriften mit Häusern für rund 6000 Flüchtlingen bebauen ließen. Viele davon sind umstritten, weil Anlieger um ihr Wohnumfeld und Landwirte um ihre Böden fürchten, parallel gilt oft auch Landschaftsschutz.
Entscheidung über Standorte trift Rat der Stadt
Der OB betont, über die Vorschläge der Stadtverwaltung sei noch nicht entschieden. „Das ist Sache der Politik im Rat“. Aber: „Wer sich gegen einen Standort entscheidet, ist in der Pflicht eine Alternative zu benennen“, so Kufen. Man spürt, dass ihn die heftige Diskussion so kurz nach Amtsantritt nahegeht, er sie aber durchstehen will.
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Knapp 300 Bewohner hat die Zeltstadt an der Planckstraße, die auf einem ehemaligen Sportplatz direkt an der A 40-Abfahrt Innenstadt-West entstand. Kufen hat sich für seinen ersten Besuch eines belegten Zeltdorfes somit einen eher kleinen Standort ausgesucht, Betreiber ist der Essener Asylheim-Dienstleister „European Homecare“. Als der OB mit Tross durch die Unterkünfte und Gemeinschaftsräume läuft, folgen neugierige, überwiegend freundliche Blicke.
Die Unterkünfte wirken sauber, gut geheizt und solide
Die große Mehrheit der Bewohner stammt aus Syrien, zu 70 Prozent sind es allein reisende Männer, es gibt auch einige Familien mit Kindern, die munter über die Gänge tollen. Objektleiter Ridda Martini erklärt, die Atmosphäre sei recht gut. „Es gab sogar Leute, die fragten, ob sie zurückkehren dürften, obwohl sie bereits in eine feste Unterkunft umgezogen waren.“ Das hänge mit der guten Betreuung zusammen, die man den Flüchtlingen hier biete. Sogar eine Krankenstation mit zwei Arzthelferinnen existiert, die bei kleineren Problemen hilft, bei größeren einen Arzt vermittelt.
In den Zelten gibt es jeweils Abteile mit bis zu drei Doppelstockbetten, also sechs Schlafplätzen. Das Szenario erinnert an alte Jugendherbergen, der Raum für Privatsphäre ist knapp. „Die Zelte müssen von den Flüchtlingen selbst gereinigt werden, und das tun sie auch“, betont Martini. Die Unterkünfte sind sauber, gut geheizt und wirken solide, ein wichtiges Detail sind Auflademöglichkeiten für Handys, um Kontakt mit der Heimat zu halten.
„Diese Stadt wird sich verändern“
Die Sanitär-Container werden von einer Profi-Firma betreut. Sanitär-Reinigung sei für die Flüchtlinge unzumutbar, es fehle die Motivation, da die meisten eben doch das Zeltdorf ablehnten und auf eine feste Unterkunft hofften, so der Objektleiter. Dies würde auch rabiat eingefordert, mitunter komme es in Zeltdörfern zu Protest und Unmut. Natürlich gebe es in armen Ländern ganz andere Zustände bei der Unterbringung. „In Essen sollte aber das Zeltdorf der niedrigste Standard sein“, fordert Martini.
FlüchtlingeFür den OB ist ein Umzug in feste Häuser aber nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, es sei für die Stadt auch deutlich billiger. Die Zelte schlagen mit 2000 Euro pro Person und Monat zu Buche. „Derzeit sind 4000 Menschen in Zelten untergebracht, das kann so nicht bleiben.“ Kufen sagt, er sei stolz auf die vielen Holsterhauser Bürger, die sich hier ehrenamtlich engagieren. Aber auch das betont er, wie schon vor Wochen im WAZ-Interview: „Diese Stadt wird sich verändern.“