Essen. . Auf einem Feld am Rand des Hexbachtals in Bedingrade will die Stadt eine Siedlung für Flüchtlinge bauen - wie auf 14 weiteren Flächen auch. Ein Ortsbesuch.
Es ist wahrlich ein schönes Fleckchen Erde. Ungestört schweift der Blick in die Ferne, azurblau strahlt der Himmel über dem weiten Feld, durch das sich ein Spazierweg hinab schlängelt ins naturgeschützte Hexbachtal. Wer hier, in Essen-Bedingrade unweit der Stadtgrenze zu Mülheim, ein Häuschen sein Eigen nennt, darf sich glücklich schätzen. Doch die Idylle ist getrübt, seit öffentlich wurde, dass die Stadt hier bauen will, um Wohnraum zu schaffen, der für Flüchtlinge so dringend benötigt wird. Die Freifläche ist eine von stadtweit 15, die von der Planungsverwaltung für diesen Zweck ausgeguckt wurde.
Manfred Brückner mochte seinen Augen nicht trauen, als er las, was in der dieser Zeitung geschrieben stand. Beruhigt hat er sich nicht. „Das ist der Hammer.“ Brückner gehört ein ehemaliges Veba-Häuschen am Rötterhoven, das er gerade aufwendig umbaut. „In acht Wochen wollte ich das Haus zur Miete anbieten. Das kann ich jetzt wohl vergessen. Das viele Geld hätte ich mir sparen können.“
Anwohner: „Was jetzt einfach alles möglich ist“
Manfred Brückner fürchtet, dass Mietinteressenten die Aussicht, in naher Zukunft in unmittelbarer Nachbarschaft einer Flüchtlingsunterkunft zu wohnen, abschrecken könnte. Dabei war doch die Lage unmittelbar am Landschaftsschutzgebiet so reizvoll. Nun soll der Acker vor seiner Haustür also bebaut werden. „Was jetzt einfach alles möglich ist“, wundert sich Brückner, der selbst jenseits der Aktienstraße in Schönebeck zu Hause ist.
Drei Jahre habe er dort mit der Unteren Landschaftsbehörde darüber gestritten, ob er auf seinem Grundstück einen Zaun aufstellen dürfe, erzählt er. Gestattet worden sei ihm das nicht. Nun, da die Stadt Platz für Tausende Flüchtlinge schaffen muss, haben die Maßstäbe sich verschoben in puncto Landschaftsschutz. Die Unterbringung von Flüchtlingen im Außenbereich lässt der Gesetzgeber zu, sofern die Fläche an einen bebauten Ortsteil grenzt, was am Rötterhoven der Fall ist. Nicht jeder zeigt dafür Verständnis.
„Wir kleinen Leute werden ja nicht gefragt“
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Auch Elsbeth Utech, die ein paar Häuser weiter wohnt, liegt dieses Fleckchen Erde am Herzen. Hier ist sie geboren und aufgewachsen. Vor einigen Jahren habe hier einmal ein Golfplatz entstehen sollen, erzählt sie. „Dagegen haben die Leute sich gewehrt.“ Bis ein Gericht die Pläne kippte. Dass es nun Flüchtlinge sind, die kommen – nein, das störe sie nicht. Die Menschen könnten ja nichts dafür. Es ist der Gedanke, alsbald auf eine dichte Häuserzeile zu blicken statt auf ein freies Feld, wie sie es seit jeher gewöhnt ist. Ein Gedanke, mit dem sie sich nicht anfreunden will. Und wer weiß, ob die Unterkünfte später tatsächlich einmal wieder abgerissen werden, wirft ein Nachbar ein, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er selbst habe da so seine Zweifel.
Flüchtlinge – für so manchen ist es ein heikles Thema. Wer sich am Rötterhoven bei Passanten und Anwohnern umhört, stößt weniger auf offene Ablehnung als auf das diffuse Gefühl, es werde über ihre Köpfe hinweg entschieden. Es ist keine Fremdfeindlichkeit, die sich offen artikuliert. „Wenn sie erst mal da sind, sind sie halt da“, sagt eine ältere Dame gelassen. „Irgendwo hin müssen die Leute ja“, meint auch eine Spaziergängerin, die ihren Hund ausführt. Sie sagt aber auch: „Das alles“ sei „ein bisschen viel“. Und: „Wir kleinen Leute werden ja nicht gefragt.“