Essen. Viele Flüchtlinge gehen in die Ambulanzen der Stadt, wenn sie krank sind. Die Essener Kliniken rüsten sich mit einer Task Force und Dolmetschern.

Die gut 4000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Essen gekommen sind, belasten auch die medizinische Infrastruktur der Stadt. Das macht sich in den Kliniken bemerkbar, die viele Neuankömmlinge auf eigene Faust aufsuchen. „Wir sind gut gewappnet für mehr Flüchtlinge, aber es gibt Versorgungsgrenzen. Auch unsere Ressourcen sind endlich“, sagt Thorsten Kaatze, Flüchtlingsbeauftragter der Uniklinik.

Eine gesundheitliche Basisversorgung ist in den Unterkünften vorhanden. Auch gibt es mehrsprachige Faltblätter, die auf nahe Arztpraxen hinweisen. „Da die Flüchtlinge aus ihren Heimatländern aber meist kein System mit niedergelassenen Ärzten kennen, gehen sie im Krankheitsfall aber oft sofort in die Ambulanzen der Krankenhäuser“, erklärt der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Rainer Kundt. Gehen übrigens im wahrsten Sinne des Wortes und zwar oft über mehrere Kilometer. Genaue Zahlen über die neuen Patienten gebe es nicht. „Aber die Zahl der Flüchtlinge, die andere Essener Krankenhäuser und wir behandeln, nimmt kontinuierlich zu“, bestätigt Dr. Stefanie Merse, ebenfalls Flüchtlingsbeauftragte am Uniklinikum.

87 Dolmetscher arbeiten am Uniklinikum

Zum Mehr an Patienten komme ein höherer Versorgungsaufwand: Bei der Behandlung von Flüchtlingen gebe es sprachliche wie interkulturelle Hürden; so sei besondere Sensibilität gefragt, wenn Frauen aus bestimmten Kulturkreisen von männlichen Ärzten behandelt würden. Auch traumatische Erfahrungen müssten berücksichtigt werden. „Die Behandlungszeit ist deshalb im Durchschnitt etwa drei bis fünf Mal länger“, sagt Stefanie Merse.

FlüchtlingeDie örtlichen Krankenhäuser haben darum mit Gesundheitsamt, Feuerwehr und weiteren Beteiligten eine Task Force gebildet. Am Uniklinikum, wo 87 Dolmetscher arbeiten, die 34 Sprachen sprechen, wurde für alle Kliniken eine Checkliste entwickelt, die den Erstkontakt mit den Flüchtlingen standardisiert. Auch gibt es eine von der Ärztekammer zertifizierte und durch Fördermittel finanzierte Schulung, durch die bis April nächsten Jahres 2000 hauptamtliche Kräfte aus Essen und der Region weitergebildet werden.

Notfall-Pläne sind ausgearbeitet

„Die Zusammenarbeit im Essener Krankenhausverband ist sehr gut. Das würde man in anderen, größeren Städten wohl nicht so schnell hinbekommen“, glaubt Thorsten Kaatze. Er ist nicht nur Flüchtlingsbeauftragter der Uniklinik, sondern auch Geschäftsführer der Ruhrlandklinik in Heidhausen. Dort wurde jetzt eine kleine Container-Praxis errichtet, in der die Flüchtlinge aus der künftigen Erstaufnahme auf dem Kutel-Gelände in Fischlaken geröntgt werden sollen. Genehmigung und Aufbau gelangen in Rekordzeit, lobt Kaatze.

In der nass-kalten Jahreszeit müsse man sich auf besondere Herausforderungen einstellen, sagt Gesundheitsamtschef Kundt: Denn Noro- und Grippeviren verbreiten sich in Massen-Unterkünften viel rascher. „Vor einem solchen Szenario graut es mir schon ein bisschen.“ Die Task-Force habe bereits entsprechende Notfall-Pläne ausgearbeitet.