Essen. Partielle Fahrverbote für Diesel-Autos fordert der Bund für Umwelt- und Naturschutz in besonders belasteten Essener Stadtteilen.
Die Strategie der Kommunen, darunter Essen, auf neue Autos und strengere Abgasnormen zu setzen, damit die Luftbelastung auf das von der EU geforderte Niveau gesenkt wird, ist „kläglich gescheitert“ – das sagt Dirk Jansen, Sprecher des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in NRW.
Er macht die Diesel-Autos für die ständigen Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte verantwortlich. Das Essener Rathaus wurde erst vor wenigen Monaten mit einem blauen Brief aus Brüssel konfrontiert. Jetzt hat der VW-Skandal um manipulierte Abgasmessungen in den USA die Debatte um die Luftverschmutzung durch Dieselfahrzeuge erneut angefacht.
Dirk Jansen fordert auch für Essen temporäre und partielle Fahrverbote für Diesel-Wagen. „Wer es mit dem Gesundheitsschutz ernst nimmt, kommt an einem Verbot nicht vorbei.“ Zu hohe Stickoxid-Konzentrationen belasten Kreislauf und Atemwege. Jansen: „Sie können zum Herzinfarkt führen.“
Die meisten Neumodelle erfüllen Euro 6-Norm
Trotz schlechter Umweltnoten besitzt heute fast jeder zweite Autofahrer einen Dieselwagen. Auch deshalb, weil der Sprit deutlich günstiger ist. An einigen Essener Tankstellen wurde gestern der Liter Diesel schon für unter 1,09 Euro angeboten. Super-Kraftstoff war 20 Cent teurer. Dirk Jansen verlangt vom Gesetzgeber, endlich die Steuerprivilegien für Diesel abzuschaffen.
Denn: Dieselfahrzeuge stoßen teilweise deutlich mehr Stickoxide (NO2) als mit Otto-Motoren ausgestattete Modelle aus. Zwar mussten sich inzwischen auch die Autohändler in Essen umstellen, weil seit wenigen Tagen alle neuen Diesel-Autos die verschärfte Abgasnorm Euro 6 erfüllen müssen und damit die zugelassene Obergrenze von 60 Milligramm NO2 pro gefahrenen Kilometer nur noch um 25 Prozent höher als bei benzinbetriebenen Autos liegt. Aber Bund-Sprecher Dirk Jansen bezweifelt, dass die meisten Neumodelle im Verkehrsalltag tatsächlich die Euro 6-Norm einhalten, weil für die vorgeschriebenen Prüfmessungen auf dem Testgelände bessere Bedingungen gelten.
Dicke Luft an der A 40
Unabhängig von der Wirksamkeit der neuen Dieselmotoren sieht das Landesumweltamt aus einem anderem Grund keine Kehrtwende. Bis der Anteil der Euro-6-Fahrzeuge auf den Straßen deutlich zunimmt „werden noch Jahre ins Land gehen“, erklärt Behördensprecherin Birgit Kaiser de Garcia. „Überall, wo starker Verkehr ist, werden aber heute die Grenzwerte deutlich überschritten“, gibt sie zu bedenken. Der derzeit hohe Anteil der Dieselfahrzeuge stehe allen Bestrebungen entgegen, die Schadstoffbelastung auf das erlaubte Maß zu drücken. Hauptverursacher sei in erster Linie der Schwerlastverkehr.
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Essen muss mehr gegensteuern. Die Europäische Kommission hat im Sommer ein Strafverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil in 23 Städten, darunter in Essen, die EU-Grenzwerte für Stickoxide permanent überschritten werden. Umweltdezernentin Simone Raskob dämpfte zu schnelle Erwartungen („An die Fahrzeughersteller kommen wir als Stadt nicht ran“). Die Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anne Lütkes kündigte an, den Luftreinhalteplan für Essen und die anderen Ruhrgebietsstädte zu überarbeiten. Ob es letztlich zu Einschränkungen für den Autoverkehr kommen wird, ist noch völlig offen. Die Bezirksregierung sprach lediglich von „neuen Maßnahmen“, die diskutiert werden sollen.
Höchste Konzentrationen an der A40 in Frillendorf
In der Metropole Ruhr verzeichnet die Stadt Essen trotz leichter Rückgänge immer noch die meisten Spitzenwerte bei den Stickoxidbelastungen. Die höchsten Konzentrationen wurden im Vorjahr mit 56 Mikrogramm an der A 40 in Frillendorf gemessen, gefolgt von der Alfredstraße (54 Mikrogramm), der A 40 in Frohnhausen (52) sowie an der B224 in Altenessen (45) und in Werden (44).