Berlin. . In seinem Edel-Showroom Unter den Linden in Berlin will Volkswagen eigentlich “neues Denken“ propagieren. Nun wird über die Abgas-Affäre gespottet.

Im Herzen Berlins, Unter den Linden/Ecke Friedrichstraße, an einer der teuersten Ecken der Hauptstadt also, feiert und inszeniert sich der VW-Konzern so pompös wie sonst nirgendwo in Deutschland, von der „Autostadt“ am Wolfsburger Stammwerk einmal abgesehen.

Im Showroom „Drive“ gibt es mehr als Golf und Polo. Hier stehen hinter gläsernen Fassaden die Porsche und Bentley, die Lamborghini und Ducati; jene klangvollen Namen, mit denen Volkswagen sein biederes Image aufpolieren will. Auf einem riesigen Touch-screen-Bildschirm können die Besucher durch die VW-Welt navigieren, von Kontinent zu Kontinent. Das angeschlossene Restaurant „Zeitgeist“ bietet ein 4-Gang-Menü für 88 Euro pro Person. „Think new“ lautet hier das Motto. Und dieses „neue Denken“ ist ja aktuell auch beim VW-Konzern gefragt – nur eben ganz anders, als dies die automobile Hochglanz-Show in Berlin gern vermitteln will.

Der Showroom (Konzern-Werbung: „Über 4000 Quadratmeter Faszination“) ist gut besucht an diesem Tag, an dem sich die Katastrophenmeldungen aus der Konzernzentrale überschlagen: manipulierte Abgaswerte an Millionen Autos, Schaden in Milliardenhöhe, VW-Aktie im freien Fall, das Image vom soliden, vertrauenswürdigen Produkt Volkswagen – dahin. Der Vorstandschef des Weltkonzerns geht in Sack und Asche, entschuldigt sich kleinlaut bei den Kunden, bittet um Vertrauen. Schadensbegrenzung statt schöne neue Autowelt. „Think new“?

"Wie die das wohl gemessen haben?"

Im „Drive“ begutachtet an diesem Tag ein älterer Herr Eis schleckend den futuristisch anmutenden VW XL1. „Das erste Serienfahrzeug, das weniger als 1 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern benötigt“, steht in großen Lettern über dem Wagen. „Wie die das wohl gemessen haben?“, fragt der Besucher grinsend. Spott und Schadenfreude jedenfalls sind den Wolfsburgern sicher in diesen für den Konzern ebenso peinlichen wie dramatischen Tagen.

Und natürlich gibt es auch die, die es schon immer gewusst haben. „An die Messwerte aus den Prospekten hab‘ ich sowieso noch nie geglaubt“, erzählt ein junger Mann. Er lässt sich gerade von seiner Begleiterin per Smartphone vor dem rassigen Lamborghini Huracan ablichten, ein 610 PS starkes Geschoss zum Grundpreis von rund 200.000 Euro. Er habe auch mal einen Golf gefahren, erzählt der Mann. Die offiziell angegebenen Spritverbrauchswerte habe er nie geschafft. Aber das sei bei anderen Firmen bestimmt nicht anders: „Da wird überall schöngefärbt.“ Und die Abgaswerte? Der Mann zuckt mit den Schultern: „Keine Ahnung.“

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Nur ein paar Schritte weiter steht ein Exemplar des VW Caddy. Ein Diesel, so wie elf Millionen Diesel-Fahrzeuge von Volkswagen, die nun im Verdacht stehen, mit manipulierten Abgasmessungen „frisiert“ worden zu sein. Auf dem Datenblatt des Caddy werden die CO2-Emissionen mit 9,9 Gramm pro Kilometer angegeben. Darunter heißt es: „Die angegebenen Werte wurden nach vorgeschriebenen Messverfahren ermittelt.“ Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Die „Drive“-Mitarbeiter, die in dunklen Anzügen hinter einem hohen Tresen Prospekte herausgeben oder den Showroom beaufsichtigen, wollen lieber nichts sagen zu den aktuellen Negativ-Schlagzeilen des Unternehmens. Was sollen sie auch sagen?