Essen. . Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen denkt Essen über noch ein Mega-Zeltdorf nach. Für mehrere kleine Standorte reichen Personal und Material nicht.
Noch hat man in Karnap nicht verdaut, dass dort ein Zeltdorf mit 700 Plätzen entsteht, da spielt die Stadt schon Szenarien mit neuen Mega-Flüchtlingsdörfern durch. „Ich handele nicht aus dem Wunsch heraus, große Einheiten zu bauen, sondern aus dem Zwang“, betont Ordnungsdezernent Christian Kromberg.
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Das gilt zumindest für den Fall, dass Sigmar Gabriel Recht haben sollte: Der Vize-Kanzler geht davon aus, dass dieses Jahr nicht 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen, sondern eine Million. Für Essen hieße das ein Plus von 1200 Menschen, für die Betten benötigt werden. Standorte für weitere Zeltstädte hat Kromberg im Auge, aber es fehle schlicht „an Material und Mannschaft“. Schon länger kämpfe die Stadt mit Engpässen bei Sanitär-Containern; auch werde bei European Homecare (EHC) das Personal zu Betrieb und Betreuung der Unterkünfte knapp. Bei der Materialbeschaffung wünsche er sich Hilfe von Land und Bund, die hier ganz anderen Zugriff hätten. „So aber muss ich prüfen, ob ich mir drei Zeltdörfer mit 400 Plätzen leisten kann – oder nur eins mit 1200“, sagt Kromberg, der auch den städtischen Krisenstab leitet.
Anruf am Montagmorgen: Zug mit 350 Flüchtlingen an Bord
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Einen Vorgeschmack darauf, wie rasch die noch vorhandenen Plätze belegt sein könnten, bekam der Dezernent am Montag um halb acht. Da rief die Polizei an und avisierte für 8.02 Uhr die Ankunft eines ICE aus München mit 350 Flüchtlingen an Bord. Endstation: Essen. „Da haben wir sofort den Krisenstab hochgefahren.“ Um kurz nach acht war Kromberg mit Sozialdezernent Peter Renzel am Hauptbahnhof. Doch dann kam von der Bundespolizei die Entwarnung: Ein Großteil der Menschen war in Düsseldorf ausgestiegen – in Essen kamen nur zwölf an. Sie fuhren im Anschlusszug weiter zur Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund. Bei aller Erleichterung sagt Kromberg: „Wenn unser Bahnhof zum Drehkreuz werden sollte, müssen wir uns darauf vorbereiten.“
Anfang 2016 eröffnet auch in Essen eine Erstaufnahme des Landes, am Overhammshof in Fischlaken.
Das ist eins von gefühlt tausend logistischen Details, mit denen die Verwaltung derzeit zu kämpfen hat. Als Bildungs- und Sozialdezernent ist Peter Renzel mit praktisch jedem Aspekt der Flüchtlings-Thematik befasst: Drei Monate dauert es, bis ein Flüchtlingskind zur Schule gehen kann – es waren mal vier Wochen. 1700 Kinder besuchen schon sogenannte Seiteneinsteiger-Klassen. „Wir werden nun über zentrale Beschulungen nachdenken müssen“, so Renzel. Etwa an aufgegebenen Schulstandorten, die als Dependancen bestehender Schulen geführt werden. Kurzfristig soll Essen 30 neue Lehrerstellen erhalten.
Kampagne, um Flüchtlinge in Wohnungen zu bringen
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Auch um Spielgruppen für Kleinkinder, um Sprachförderung und Qualifizierung für Erwachsene kümmern sich Renzels Leute. Und schließlich fällt die Vermittlung von Flüchtlingen in Wohnungen in seine Zuständigkeit. Wie berichtet, hatte es dort zuletzt Klagen von privaten Vermietern gegeben, die sich durch bürokratische Vorgaben abgeschreckt fühlten oder lange auf eine Antwort des Amtes warteten.
„Wir bereiten gerade eine neue Kampagne vor, um noch mehr Menschen mit Bleibeperspektive in Wohnungen zu vermitteln“, sagt Renzel dazu. Durch eine personelle Aufstockung wolle man sicherstellen, dass Angebote schneller geprüft und Vermieter nicht enttäuscht werde. Aber niemand dürfe sich der Illusion hingeben, dass man mindestens 2500 Zeltplätze zeitnah durch Umzüge von Flüchtlingen in Wohnungen überflüssig machen könne. „Auch für unsere Mitarbeiter hat der Tag nur 24 Stunden. Die zerreißen sich schon.“