Essen. . Rund eine Million Euro an Schadensersatz verlangen die Entsorgungsbetriebe von ihrem ehemaligen Geschäftsführer. Diese Rechnung könnte nicht aufgehen.

Klaus Kunze ist schmal geworden. Und es scheint so, als bereite ihm sein lädiertes Knie noch größere Schmerzen als früher schon. Es ist nicht zu übersehen: Vieles von dem, das die Medien in den zurückliegenden beiden Jahren über seine Rolle im „EBE-Skandal“ veröffentlicht haben, hat dem langjähriger Geschäftsführer der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) zugesetzt.

Wer liest schon gerne über sich in der Zeitung, dass er verantwortlich sei für Vetternwirtschaft und Vorteilsnahme. Klaus Kunze sei die zentrale Figur in dieser unappetitlichen Geschichte gewesen, behauptet sein ehemaliger Arbeitgeber und fordert Schadensersatz, weil er als Geschäftsführer seine Sorgfalts- und Treuepflichten verletzt habe. Es geht um „961.626 Euro nebst Zinsen“, wie Richter Ralf Banke am Donnerstag zum Auftakt des Zivilprozesses vor dem Landgericht ausführte.

Trotz Angestelltenverhältnis gilt das Beamtenrecht

Klaus Kunze ergreift in den folgenden knapp 60 Minuten nur selten das Wort. Dass er die Forderung aber für abwegig, ja für absurd hält – wer ihn kennt, darf davon ausgehen. Was von der saftigen Rechnung, welche die EBE ihrem ehemaligen Geschäftsführer präsentiert, am Ende übrig bleibt, wird der weitere Verlauf des Verfahrens zeigen.

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Schon zum Prozessauftakt deutete sich an: Der ein oder andere Einzelposten könnte offen bleiben. Und das bereits aus folgendem Grund: Kunze wechselte 1998 als Beamter auf den Chefsessel der EBE. Erst mit seinem Ausscheiden aus dem Beamtendienst 2009 trat er in ein Angestelltenverhältnis ein. Vertraglich ließ er sich aber zusichern, dass mögliche Schadensforderungen gegen seine Person weiterhin nach Beamtenrecht zu bewerten seien. Das heißt: Für fahrlässiges Verhalten allein kann man ihn nicht zur Kasse bitten. Er kann nur belangt werden, wenn er vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig gehandelt haben sollte. Einige Vorwürfe legten nahe, dass es so gewesen sein könnte, formulierte Richter Ralf Banke.

So wird Kunze dem Gericht erklären müssen, warum der damaligen Betriebsratsvorsitzende Thomas Altenbeck mehr verdient hat als ihm zugestanden haben soll. „Eine deutlich zu hohe Eingruppierung kann man nicht aus Versehen vornehmen“, so Richter Banke. Da sei man „sehr schnell bei grob fahrlässig.“ 41.250 fordert die EBE von Kunze allein dafür zurück.

181.000 Euro für Fußball- und Konzertkarten

181.000 Euro sind es für Fußball- und Konzertkarten, die Kunze auf Rechnung der EBE gönnerhaft verteilt haben soll. Allerdings will das Gericht doch bitteschön wissen, wer genau in diesen Genuss gekommen ist. Andernfalls spreche einiges dafür, dass das „etwas ins Blaue hinein“ behauptet werde. Eine Handvoll Namen sind bekannt. Eine lückenlose Dokumentation aber wird die EBE nicht vorlegen können, wie deren Anwalt Jörg Becker einräumte. Die Aussicht auf Schadensersatz dürfte das schmälern.

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Ob Kunze den ehemaligen SPD-Ratsherrn Harald Hoppensack, seinen Parteifreund, allzu üppig entlohnt hat, als er diesen als IT-Interimsmanager engagierte? Auch das wird noch zu beantworten sein. Mit 403.536 Euro ist dies der dickste Posten auf der Rechnung. Das Gericht will klären, ob ein Tagessatz von 1500 Euro üblich sei in der IT-Branche. Sollte dies so sein, „wäre wohl kein Schaden entstanden“, so Banke. Ob sich die Kammer auch mit der Frage befassen wird, ob dem Honorar eine angemessene Leistung gegenüberstand, ließ der Richter offen. Das Verfahren könnte sich also hinziehen. Auch weil die Kammer Gutachter anhören will, um zu klären, ob beim Verkauf von Elektroschrott tatsächlich nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wie die Klägerseite behauptet.

EBE fordert von Kunze 120.000 Euro für Gutachter

Apropos Gutachten: Als „merkwürdig“ bezeichnete Banke, dass die EBE ihrem ehemaligen Geschäftsführer rund 120.000 Euro für Gutachterkosten in Rechnung stellt, die bei der Ermittlung des mutmaßlichen Schadens entstanden seien. „Es wird dem Beklagten vorgeworfen, er hat zuviel Geld rausgeworfen und selber geben Sie 120.000 Euro aus?“, wunderte sich Banke. Tatsächlich soll die EBE mehr als das Zehnfache für Ermittler, Anwälte und Gutachter ausgegeben haben. Prinzipiell erklärten sich beide Seiten zu einem Vergleich bereit. Ob es dazu kommt wird vom weiteren Verlauf des Prozesses abhängen. Der Auftakt – für Klaus Kunze, so der Eindruck, hätte er schlechter verlaufen können.