Essen. RGE versorgt ab 1. April nach Ausstieg von Nelson Müller die Besucher. Den 35 Mitarbeitern im Wallberg droht Arbeitslosigkeit. Rechtsanwalt sieht Stadt in der Übernahme-Pflicht.

Essen. Ein Euro-Grab ist das „Wallberg“ in der Philharmonie für die jeweiligen Pächter schon länger, jetzt droht die Gastronomie in Essens früher so genannter „guter Stube“ auch noch 35 Mitarbeiter in die Erwerbslosigkeit zu reißen. Nachdem Sternekoch Nelson Müller ankündigte, zum 31. März nach einem halben Jahr am Stadtgarten die Segel zu streichen, wird das Restaurant - wie berichtet - für längere Zeit geschlossen. Das Catering für Veranstaltungen in der Philharmonie und Pausen-Betreuung von Konzertgästen soll ab 1. April die städtische Servicegesellschaft RGE übernehmen, bis ein langfristiger Pächter gefunden wurde - so sieht es ein am Montag aufgesetzter Vertrag zwischen Stadt und RGE vor.

Dieser Vertrag enthält allerdings juristische Vorbehalte: Es handele sich um einen „temporären Notbetrieb“, und: „Alle Parteien sind sich darüber einig, dass kein Betriebsübergang vorliegt.“ Läge ein solcher Übergang vor, müssten die Alt-Mitarbeiter von der RGE nämlich übernommen werden. Die Betroffenen beraten derzeit das weitere Vorgehen, einige haben sich Anwälte genommen und wollen vors Arbeitsgericht. Doch mit wem als Beklagten?

Klaus Wolff: Jahr für Jahr 200.000 Euro Verlust

Die Geschichte ist verwickelt: Von 2011 bis zum 31. Dezember 2014 trug die Wolff-Gruppe Verantwortung für die drei Gastro-Sparten im Wallberg, der persönlich haftende Gesellschafter Klaus Wolff sprach jüngst von rund 200.000 Euro Verlust, die er Jahr für Jahr ausgeglichen habe. Wolff gibt der Stadt die Schuld: „Die Pacht ist zu hoch, die hohen Mieten für Räume, Stühle und Technik schrecken Kunden ab und gehen letztlich zu Lasten des Pächters.“

Klar, dass Wolff nicht zögerte, als ihm die städtische Immobilientochter GVE mit Nelson Müller einen Nachpächter präsentierte und dieser sogar schon im September 2014 einsteigen wollte. Müller übernahm Wolffs Pachtvertrag und auch die bereits akquirierten Gastro-Aufträge, im Gegenzug forderte Wolff eine Abstandssumme und die Zusage, dass Müller die Mitarbeiter übernehme. Ein Vertrag wurde geschlossen, auch die GVE war mit im Boot. „Ein ganz normaler Betriebsübergang“, sagt GVE-Geschäftsführer Andreas Hillebrand am Montag.

In einem zweiten Vertrag vom 12. Dezember erhielt die Nelson Müller GmbH von der GVE drei weitere Monate Zeit bis zum 31. März, um das komplexe Engagement vorzubereiten - zu einem langfristigen Vertrag habe sich Müller noch nicht durchringen können, heißt es. Ob der Sternekoch da schon zweifelte am Abenteuer Philharmonie, muss offen bleiben - Anfragen blieben am Montag unbeantwortet.

GVE-Chef Hillebrand drängte Nelson Müller, Mitarbeitern zu kündigen

Fakt ist: Müller wurde von GVE-Chef Hillebrand am 4. März regelrecht gedrängt, „absprachegemäß“ den Mitarbeitern zu kündigen, was Müller dann auch tat. Rechtsanwalt Christian Schäfer, der zwei der Gekündigten vertritt, sieht in diesem Schriftverkehr ein Indiz dafür, dass die Gastro-Mitarbeiter nun Ansprüche gegen die GVE, also die Stadt hätten: „Die GVE ist verpflichtet, die Mitarbeiter zu übernehmen“, so Schäfer auf Anfrage. Eine Rechtsauffassung, die auch das städtische Rechtsamt keineswegs für abwegig hält. Hillebrand sei im Vertrag mit Müller „unabsehbare Risiken“ eingegangen, hieß es jüngst in einem Vermerk.

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Hillebrand sieht das anders, hofft aber, dass einige Alt-Mitarbeiter im künftigen „Notbetrieb“ der RGE mittun dürfen, „weil die ja das Wallberg gut kennen“, Sicher ist das aber nicht, und die GVE kann es jedenfalls nicht erzwingen. Und für alle 35, das weiß auch Hillebrand, ist bei der RGE auf keinen Fall Platz.

Das Engagement der RGE in der Philharmonie ist zunächst begrenzt bis Ende 2015, gesucht wird weiter ein neuer Pächter, der alle drei Sparten inklusive Restaurant betreibt. Im Gespräch ist hierfür der Essener Traditionsgastronom Hans-Hubert Imhoff, der sein Interesse am Wallberg bekundete. Allerdings lehnt es auch Imhoff dem Vernehmen nach ab, alle Alt-Mitarbeiter zu übernehmen. Gegen ihn gibt es überdies Vorbehalte der Politik.

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Die Imhoffs führten über Jahrzehnte an dieser Stelle die Saalbau-Gastronomie und ließen sich vor der Umgestaltung zur Philharmonie für den Verzicht auf ihren langjährigen Pachtvertrag mit einer Millionen-Summe abfinden. Das Unternehmen nun wieder hereinzuholen, habe ein „Geschmäckle“, sagen einige. Imhoff wollte am Montag keine Stellung nehmen. „Die Gespräche laufen“, sagt er.

Ende offen. Wie sagte Klaus Wolff jüngst wütend bei einem Pressegespräch: „Eine bodenlose Unverschämtheit, die Probleme auf dem Rücken der Mitarbeiter auszutragen.“ Er habe diese Menschen unter Verlusten jahrelang an Bord gehalten, nun würden sie kühl entlassen.