Essen. Es kommt Bewegung in die Affäre um das Asylbewerberheim im Essener Opti-Park: Die Staatsanwaltschaft arbeitet nun die Vorfälle in der Notaufnahme des Landes auf. Dort war es vermehrt zu Gewaltanwendung durch das Wachpersonal gekommen. Laut “Pro Asyl“ hat sich die Lage aber mittlerweile gebessert.
Es war der letzte von mutmaßlich vier gewaltsamen Übergriffen von Wachleuten auf Flüchtlinge im Opti-Gewerbepark – und es war der wohl brutalste: Als ein Asylbewerber am 20. September in der Kantine der Landeseinrichtung um Kaffee bat, wurde er zunächst abgewiesen, um wenig später unter einem Vorwand in einen Hinterhalt gelockt zu werden. Es sei wieder Kaffee da, hieß es plötzlich, doch anstatt eines Heißgetränks sollte es in dem Gemeinschaftsraum eiskalte Prügel geben. Zwei Sicherheitsleute traktierten den Mann mit Tritten und Schlägen, so der Vorwurf.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung, berichtete Oberstaatsanwältin Anette Milk gestern auf NRZ-Anfrage. Die Polizei hat ihre Recherchen inzwischen abgeschlossen und ein Häuschen weitergeleitet. Die bislang unveröffentlichten Details aus den Vernehmungen der mutmaßlichen Opfer und Täter finden sich jetzt auf den Schreibtischen der Justizbehörde an der Zweigertstraße.
Eskalation wegen Rauchverbots
Auszüge: Aktenkundig sind neben einer versuchten Nötigung eine Reihe von Körperverletzungen durch angebliche Gewalt gegen Flüchtlinge, aber auch Bedienstete. Wie Milk sagte, werde gegen insgesamt fünf Wachleute und einen weiteren Mitarbeiter der Unterkunft ermittelt, der zwar im Haus, aber nicht für die inzwischen gekündigten Sicherheitsfirma SKI arbeitete (die NRZ berichtete).
Eine weitere Anzeige wegen Körperverletzung richte sich gegen sechs Bewohner der Notunterkunft, die in einen handfesten Streit mit Security-Kräften verwickelt gewesen sein sollen. Die Auseinandersetzung eskalierte, als am 19. und 20. September nach Ansicht eines einzelnen Aufpassers ein Rauchverbot durchzusetzen war. Ein Augenzeuge des Zwischenfalls soll zum Schweigen vergattert worden sein.
Flüchtlingsheime in Essen
Deutlich weniger Flüchtlinge im Opti-Park
Am 9. September, das ist der allererste bekannt gewordene Fall einer mutmaßlichen Misshandlung, will eine Frau Verletzungen erlitten haben, als sie durch eine angeblich vorsätzlich zugedrückte Tür eingequetscht wurde. Für eine abschließende Bewertung all der Fälle sei es noch zu früh, sagte die Oberstaatsanwältin gestern: „Es sind Nachermittlungen zu tätigen.“
Die Übergriffe auf Flüchtlinge hatten bundesweit hohe Wellen geschlagen. Doch inzwischen hat sich die Situation in der Landeseinrichtung, die quasi über Nacht aus dem Boden gestampft wurde, merklich verbessert, sagt Inka Jatta von „Pro Asyl“. Die Essener Flüchtlingsorganisation, die im Opti-Park zwei Stunden in der Woche eine ehrenamtliche Beratung leistet, hat den wohl objektivsten Blick auf die Lage. Inzwischen leben in der Auffangstation deutlich weniger Flüchtlinge, die Rede ist von 350 statt 500. Dafür habe der Betreiber das Personal aufgestockt. Zudem seien zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung im Haus, die eine Art Kontrollfunktion und administrative Aufgaben übernommen haben. Die fortwährenden Klagen über das Essen („Wer isst schon jeden Tag Hähnchen süß-sauer?“) hätten sich gelegt. „Es sind alle bemüht“, meint Jatta. Die Unterkunft öffne sich zunehmend und lässt inzwischen auch Hilfe von Ehrenamtlichen zu.
Trennung nach Lebenslagen gefordert
Dennoch gebe es nach wie vor Missstände. Viele Flüchtlinge beschwerten sich über eine mangelnde Gesundheitsversorgung, obwohl zwei Mal in der Woche ein Arzt im Haus sei. „Und es wird geklaut, Frauen klagen über Belästigungen.“ Ein baulich bedingtes Problem: Die Zimmer in der ehemaligen LVR-Klinik bieten keinerlei Zuflucht, weil sie nicht abschließbar sind. „Das kann auf Dauer nicht so bleiben“, sagt Jatta, schon gar nicht, wenn der Opti-Park womöglich noch über ein Jahr als Notunterkunft dient. Die Forderung von „Pro Asyl“, Schlösser einzubauen, die, wenn notwendig, von außen mit einem Generalschlüssel zu öffnen sind, wurden mit Verweis auf die Kosten abgelehnt.
Ein weiteres Problem sei die nach wie vor fehlende Kinderbetreuung und die fehlende Trennung der Flüchtlinge nach Lebenslagen. So sei ein Extra-Flur für Schutzbedürftige und traumatisierte Asylbewerber „dringend erforderlich“, sagt Jatta: „Doch daran soll bereits gearbeitet werden.“