Essen. Tobia Bezzola, Chef des Museum Folkwang in Essen, entzieht der renommierten Lese-Reihe „Literatur im Museum Folkwang“ die finanzielle Unterstützung. Bezzola will mit dem Stiftungsgeld (bisher 12.000 Euro) in Zukunft wieder Bilder ankaufen. Die Veranstalter sind empört und sprechen von einem Skandal.

Wer das Wort Folkwang im Namen führt, der pflegt eigentlich ein Miteinander der Musen. Im Museum Folkwang hatte auch die Literatur in den vergangenen Jahren einen festen Ort im schönen neuen Chipperfield-Bau. Mit der renommierten Reihe „Literatur im Museum Folkwang“ haben die Veranstalter Beate Scherzer (Buchhandlung Proust) und Schreibheft-Herausgeber Norbert Wehr zuletzt Stars wie Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff und Autorin Iris Radisch nach Essen geholt. Doch nun droht das Aus. Der Streit entspinnt sich um eine vergleichsweise überschaubare Summe von 12.000 Euro jährlich, die Museumschef Tobia Bezzola jetzt wieder für die eigene Sammlung haben will.

Geld geht an den Museumsverein

Mit dieser Summe hat die Alfred und Cläre Pott-Stiftung in den vergangenen fünf Jahren die Lese-Reihe im Folkwang gefördert, zuletzt war sogar über eine Erhöhung auf 20.000 Euro pro Jahr gesprochen worden. 2009 hatten Stiftung, Schreibheft und der damalige Museums-Chef Hartwig Fischer die Kooperation beschlossen und einen Fünf-Jahres-Vertrag unterzeichnet.

2014 hätte ein neuer Antrag gestellt werden müssen; vom Museumsverein, denn nur eine gemeinnützige Einrichtung kommt in den Genuss der Stiftungsmittel, die dann für Autoren-Honorare und Reisekosten weitergegeben wurden. Doch der Antrag wurde – wie Siftungs-Sprecher Benjamin Wimmer auf Anfrage bestätigte – nie gestellt. Bezzola hat der Stiftung und inzwischen auch den Veranstaltern vielmehr mitgeteilt, das Geld angesichts des mageren städtischen Ankaufs-Etas künftig wieder für Kunst-Anschaffungen nutzen zu wollen.

Ohne private Mittel sei der alte Museumsdreiklang „Sammeln, bewahren, erforschen“ eben nicht mehr zu erfüllen, sagt Bezzola. Mit dem Vorsitzenden der Stiftung, Klaus Liesen, sei er deshalb überein gekommen, die Gelder in Zukunft für Kunstankäufe einsetzen zu wollen. Seit Mitte der 1960er-Jahre seien so schon Meisterwerke von Stella bis Munch ans Haus gekommen. „Wir können uns keine Nebenaktivitäten mehr leisten“, erklärt Bezzola. Auch die Neue Musik im Museum Folkwang hat deshalb ausgespielt. Zusammen käme damit über fünf Jahre ein sechsstelliger Betrag zusammen, mit dem sich schon hochwertige Kunst kaufen ließe, erklärt der Schweizer.

„Die Stimmung war noch nie so schlecht“

Norbert Wehr ärgert sich nicht nur über die eigenmächtige Art, wie Bezzola ohne Absprache über das Ende einer Veranstaltungs-Reihe verfüge. Er beklagt auch eine monatelange Hinhaltetaktik des Museumsdirektors. „Dass er uns unverantwortlich lange über seine wahren Absichten im Unklaren gelassen und eine Entscheidung verschleppt hat, ist ein Skandal“, findet Wehr. Durch die Verzögerung sei es unmöglich geworden, Anfang des kommenden Jahres an einem anderen Ort weitermachen zu können.

Bezzola begründet die Hängepartie mit personellen Veränderungen innerhalb der Pott-Stiftung, die die Entscheidung hingezogen haben. Er bedaure die Kurzfristigkeit und habe Gespräche angeboten, wie man die Kooperation anders weiterführen könne.

Doch das Tischtuch scheint zerschnitten. „Die Stimmung war noch nie so schlecht wie seit Ihrem Amtsantritt“, schreibt Wehr in einem offenen Brief an Bezzola. der in den letzten Tagen nicht nur unter Literaturfreunden für Aufsehen sorgte. Gleichwohl will man nun einen literarischen Verein gründen und die Lesereihe weiterführen. Mit oder ohne Unterstützung der Pott-Stiftung, das bleibt bis auf weiteres die Frage.