Menschen, Tiere, Manipulationen: Der Schweizer Yann Mingard dokumentiert unsere auf Fortschritt getrimmte Welt zwischen Datenzentrum und Deckstation. Seine Ausstellung „Deposit“ zeigt jetzt das Museum Folkwang

Menschen, Tiere, Manipulationen: In der Fotografie von Yann Mingard gleicht die Welt einem großen Forschungslabor. Bevölkert von geklonten Tieren, genetisch veränderten Pflanzen und obsessiv gesammelten Datenbergen.

Mingard, Fotograf mit Forscherdrang, gebürtiger Schweizer und gelernter Gartenbauer, zeigt uns, wohin der wissenschaftliche Fortschritt uns heute führt: In unterirdische Bunker, die aussehen wie finstere Computerdaten-Verließe. In die düsteren Katakomben von Spitzbergen, wo Millionen Samenproben von Nahrungsmitteln lagern. Oder in die steril-technoiden Räume einer französischen Deckstation, wo die preisgekrönten Zuchtbullen längst keine echte Kuh mehr kennen, sondern nur noch künstliche Gerüche, Geräusche und eine Plastik-Vagina.

Fort Knox für Datensammler

Das alles zeigt Mingard nüchtern, fast kühl, und doch weckt seine dunkle, sachlich-geheimnisvolle Fotografie die Neugier. „Deposit“ heißt die Ausstellung, die einem in Zeiten von Big-Data-Debatte und der frisch entflammten Diskussion über eingefrorene Eizellen unheimlich aktuell vorkommt. Dabei schaut Mingards Fotografie oft nur vor schwarze Bunker-Wände, hermetisch verriegelte Türen und abweisende Gebirgs-Massive, hinter denen brisantes, digitales Archivmaterial schlummert, ein „Fort Knox“ für Datensammler. In ihrer kargen Klarheit beflügeln die Bilder aber auch gleichzeitig die Phantasie, womöglich auch den Argwohn, zeigen, was der Mensch durch Sehen erahnen soll. Und nicht nur der Blick aufs Moskauer Lenin Mausoleum oder der an eine alte Wäscheschleuder erinnernde Behälter für die Konservierung menschlicher Gehirne könnten dabei den Stoff für einen James-Bond-Film liefern.

Vier Jahre lang hat der Schweizer Fotograf an seinem Projekt gearbeitet. Der Rechercheaufwand muss immens gewesen sein, 21 Orte hat Mingard am Ende besucht: Forschungsstätten, Labore, Datenspeicher. Eine fotografische Untersuchung am Puls der Moderne. Darwin und was danach geschah.

Komplettiert wird Mingards Exkursion über künstliche Befruchtung, Datenspeicherung und Gen-Technologie von einem aufschlussreichen Begleitheft und einem extra für die Schau produzierten Musikstück von Ben Frost, der auch für Björk und Bowie arbeitet. Dazu kommen Bilder der Folkwang-Sammlung aus einer Zeit, „als die Fotografie noch voller Euphorie war, die Welt enzyklopädisch zu erfassen“, sagt Florian Ebner, Leiter der Fotografischen Sammlung, der die Schau in Kooperation mit dem Museum Winterthur präsentiert.

Die Ausstellung ist bis zum 18. Januar im Museum Folkwang, Museumsplatz 1, 45128 Essen zu sehen. Öffnungszeiten: Di bis So 10-18 Uhr, Fr bis 22 Uhr.