Duisburg-Rumeln/Kaldenhausen. Ein Unbekannter ließ Ferdi Seidelt eine Zeitkapsel aus dem alten Rumelner Rathaus zukommen. Sie enthält Namen der Opfer des Zweiten Weltkriegs.
Es ist geradezu wie in einem Krimi von Edgar Wallace, denn Merkwürdiges ereignete sich unmittelbar vor Ostern in Rumeln-Kaldenhausen. So merkwürdig, dass man sich die Ereignisse am besten, in schwarz-weißer Darstellung dieses Krimiformats getaucht, vorstellen kann. An einem späten Abend hörte der CDU-Politiker Ferdi Seidelt plötzlich Geräusche an der Tür seines Hauses, die ihn aufschrecken ließen.
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Entschlossen ging er zur Tür, öffnete sie und bemerkte erst einmal niemanden weit und breit – nur eine schwarze Tasche, die außen an dem Knauf hing. Beim genauen Betrachten sah er, dass etwas Zylinderförmiges aus ihr herausragte: es war ein metallenes Rohr von etwa 30 Zentimetern Länge und einem Querschnitt von 10 Zentimetern.
Als er dann dieses Rohrstück öffnete, konnte die Überraschung für Seidelt nicht größer gewesen sein: Darin befanden sich drei Pergamentrollen mit der Liste der Verstorbenen des Zweiten Weltkrieges, die aus Rumeln-Kaldenhausen stammten - und ein in ungelenker, schwer zu dechiffrierender Schrift geschriebener Brief, vielleicht ein Bekennerschreiben des Täters?
Seidelt überlegte kurz, woher dieses Rohrstück mit der Liste der Gefallenen stammen könnte. Er kontaktierte seinen Kollegen, den Heimatforscher Heinz Billen. Nach Sichtung der drei von Seidelt herausgegebenen Bildbände über Rumeln-Kaldenhausen aus den 80er-Jahren, kamen die beiden zu dem Schluss, dass sich dieses Rohrstück als „Zeitkapsel“ unmittelbar in der Wand unter oder hinter der „Tafel zum Gedenken an die Verstorbenen“ befand, die beim Bau des Rathauses Rumeln-Kaldenhausen im Jahre 1957 dort eingelassen wurde.
Gedenktafel aus Rumeln-Kaldenhausen verweist auf den Glauben an eine bessere Zukunft
„Den Toten, die da litten und starben, im Glauben an eine bessere Zukunft“, stand mit großen Lettern auf der Tafel. Dieses Ehrenmal im Foyer der Amtsstube, erinnerte an die 193 Ziviltoten, Gefallenen, Verschleppten oder Vermissten des Zweiten Weltkriegs aus Rumeln-Kaldenhausen. Auf den beiden letzten Seiten des dritten Bildbandes über die Ortsgeschichte aus dem Jahr 1986 – die anderen zwei erschienen 1984 und 1985 - hatten der Rumelner Peter Wey und der Kaldenhausener Heinz Billen bereits Kopien dieser gefundenen Pergamentrollen abgebildet.
„Das Rumelner Rathaus ist im Jahr 1957 vom damaligen Bürgermeister Hermann Krawinkel eingeweiht worden. Es hatte nur eine kurze Dienstzeit, denn es ist nicht einmal volljährig geworden: nach 17 Jahren und elf Monaten ist es dann im Zuge derkommunalen Neuordnung 1975entwidmet worden“, weiß Ferdi Seidelt. Die Duisburger Firma Didier bot sich als neuer Mieter im Jahre 1976 für die leerstehende Immobilie an, doch für den Weiterbetrieb waren natürlich noch einige Renovierungs- und Umbauarbeiten in der ehemaligen Amtsstube notwendig.
Zum Beispiel sollte die „Tafel zum Gedenken an die Verstorbenen“ einen neuen Bestimmungsort bekommen. „Sie sollte weiterhin als Mahnmal für die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs gelten und ist ja dann, nach der Entwidmung des Rathauses, in die Vorderseite der Rumelner Friedhofskapelle eingebaut worden“, sagt Seidelt. Beim Ausbau allerdings musste sie aus der Wand der Amtsstube regelrecht mit schwerem Gerät herausgestemmt werden. Dabei entstand eine Menge Schutt, Putz und haufenweise Steine lagen in dem Gemäuer des ehemaligen Rathauses – und irgendwo unter dem Unrat lagen auch die Pergamentrollen der Gefallenen.
Skepsis gegenüber Duisburg nach der Eingemeindung
Ferdi Seidelt vermutet: „Jemand, der Zugang zum Rathaus im Zuge der Umbauarbeiten hatte, wird die Zeitkapsel mit den Urkundenrollen gefunden haben. Weil dieser Jemand vielleicht nicht wollte, dass sie im Duisburger Stadtarchiv lagernd in Vergessenheit gerät, hat er sie wohl mit nach Hause genommen und auf seinem Söller gelagert.“ Damals waren die Bürger meist skeptisch gegenüber der Eingemeindung durch Duisburg eingestellt, da man ja als Rumelner, Kaldenhausener oder Rheinhauser fürchtete, eben die Souveränität zu verlieren – und man wusste nicht, was die von der anderen Rheinseite vorhatten.
Doch das Cluedo-Spiel geht weiter: nach 45 Jahren tauchten jetzt diese drei ominösen Schriftenrollen auf - wer könnte aber der ominöse Finder gewesen sein? Das beschäftigt den engagierten Christdemokraten noch immer. „Ich weiß jedoch, dass es die Tochter des Finders war, die mir diese Urkundenrolle zugespielt hat. Das geht aus dem Brief hervor. Trotzdem könnten es noch immer mehr als 100 Personen sein, die dafür in Frage kommen nach meinem Wissensstand“, sagt der 66-Jährige.
Zeitkapsel soll in eine Vitrine ins Rathaus von Rheinhausen
Seidelts Vorschlag ist jetzt, im Rheinhauser Rathaus – denn seit 1975 wird Rumeln-Kaldenhausen von Rheinhausen aus verwaltet – eine Vitrine mit der zurück gegebenen Zeitkapsel aus Rumeln-Kaldenhausen aufstellen zu lassen, zum Gedenken eben an die Verstorbenen. „Das fände ich eine gute und würdige Lösung für den Stadtteil Rumeln-Kaldenhausen“, so Ferdi Seidelt abschließend.
Im gleichen Zuge sucht der CDU-Politiker alte Zeitungsberichte, Fotos oder Augenzeugenberichte aus dem Jahr 1957, als das Rathaus und das Ehrenmal feierlich von dem damaligen Bürgermeister Hermann Krawinkel eingeweiht wurden. Und offen bleibt die Frage nach dem Finder...
>>> Zeittafel zum alten Rathaus in Rumeln-Kaldenhausen <<<
1934 wurden die Dörfer Rumeln und Kaldenhausen zur selbstständigen Gebietskörperschaft Rumeln zusammengeschlossen.
1950 erfolgte die Umbenennung in Rumeln-Kaldenhausen, 1957 die Errichtung des zentral gelegenen Rathauses Ecke Rathausallee, Düsseldorfer Straße.
1958: eigenes Wappen, 1975: Eingemeindung im Zuge der Kommunalreform.
1976: Anmietung des Rathauses durch die Didier-Werke, Duisburg, als Verwaltungsgebäude.
Ab 2006 bis heute: Komplettumbau und Betrieb eines Seniorenwohnheims der evangelischen Altenhilfe an derselben Stelle.