Duisburg-Hochheide. . Mit prall gefüllten Tüten und Koffern verlassen sie das Haus an der Ehrenstraße. Es ist Mittwoch, Tag der Essensausgabe in der “Hochheider Tasche“, einem Projekt der Liebfrauenkirche und der evangelischen Gemeinde.

Wer selbst kaum über die Runden kommt, findet Hilfe bei dem Projekt der Liebfrauenkirche und der evangelischen Gemeinde. Mehl, Gemüse, Brot und Zucker liegen aus auf den Theken im Innenraum. Für einen Euro füllen die Leute ihre Tasche, trinken Kaffee, unterhalten sich. Dann gehen sie zurück nach Hause, zurück in das Leben, in dem sie ansonsten nichts geschenkt bekommen...

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In einer Traube warten die Menschen vor dem Gebäude, das ihnen Hoffnung schenkt. „Bedürftig“ fühlen sich einige, „arm“ sagen andere. Sie alle haben eine Geschichte zu erzählen von einem Leben, das sie sich so nicht gewünscht haben, voll mit Schicksalsschlägen und Tiefpunkten.

Helga Timmer wartet auf dem Bürgersteig, ihre Tasche ist noch leer. Die Ungewissheit macht das Warten anstrengend: „Ich denke, es ist noch genug da, wenn ich dran bin. Hauptsache ich bekomme ein bisschen Öl“, sagt sie. Jede Woche zieht sie ein Los. Dieses Mal ist sie die Nummer 40 in der Schlange. „Eigentlich ist das gut. Aber ich nehme, was ich bekommen kann.“

700 Euro zum Leben

Die 46-Jährige lebt zusammen mit ihrem Sohn und ihrem Lebensgefährten. Der kann seit einem Schlaganfall nicht mehr arbeiten. Jetzt leben sie von Hartz IV, gemeinsam müssen sie mit 700 Euro auskommen. „Das ist ein Kampf, Monat für Monat“, erzählt sie mit ihrer robusten Stimme. „Und mein Freund liegt zur Zeit noch im Krankenhaus.“

Es ist Markt in Hochheide. Ein paar ältere Damen laufen an den Wartenden vorbei, manche grüßen, manche blicken stur nach vorne, schauen weg. Martin Oder steht zum ersten Mal in der Schlange. „Ich hatte ein mulmiges Gefühl dabei, mich hier hinzustellen“, sagt er. „Die Leute tun mir irgendwie leid.“ Er kommt von der Nachtschicht, jetzt will er nur noch schnell die Tasche für seinen bettlägerigen Nachbarn füllen.

Die Leute kommen aus den unterschiedlichsten Gründen hierher“, erklärt Jürgen Kalthoff. Er gehört zu dem Leitern des Projekts, hilft dabei, Sponsoren aufzutreiben und die Waren abzuholen. Jeden Mittwoch kommen 120 Bedürftige, sie müssen nachweisen, wie viel - oder wie wenig - Geld sie haben. Einfach sei die Arbeit nicht immer gewesen, manchmal habe er sich auch mutlos gefühlt, vor allem, als ein Politiker der Hochheider Tasche vorwarf, zu betrügen. „Das hat mich schon getroffen.“ Doch unterm Strich überwiege das Gute: „Es macht glücklich, zu helfen.“

„Chronischer Helfer“

Auf eine Truppe von 35 ehrenamtlichen Mitarbeitern kann Kalthoff dabei zählen. Einer von ihnen ist Reinhard Mohn, ein „chronischer Helfer“, wie der Rentner über sich sagt. Früher arbeitete er als Presbyter und an einer Berufsschule, doch bei der Tasche sei alles irgendwie anders. „Das ist schon wie ein Traumjob für mich“, sagt er mit einem Lächeln auf den Lippen.

Draußen vor der Tür wartet Gerd Bovenkamp. Der 30-Jährige leidet an einem Bandscheibenvorfall und an Depressionen. Seit drei Jahren lebt er von Sozialgeld. „Ich bin auf die Tasche angewiesen“, sagt er. Doch vielleicht sei damit bald Schluss. „Ich habe mich in einer Behindertenwerkstatt beworben“, erzählt er zuversichtlich. „Es geht bergauf.“

Keiner von ihnen denkt ans Aufgeben, schon gar nicht, so lange ihnen jemand hilft. Sie alle sind froh, dass es die Hochheider Tasche gibt, dass jemand für sie da ist. Und doch ist es für die meisten nur eine Übergangslösung - eine Hilfestellung auf dem Weg in ein Leben, das ohne die Tasche auskommt.