Duisburg-Friemersheim/Bochum. Isabel Sophie Schneider (31) ist queer und in Duisburg aufgewachsen. Heute sagt sie: Sie will nie wieder hier leben. Das ist ihre Geschichte.
Wann Isabel Sophie Schneider das letzte Mal im Duisburger Westen war, kann sie nicht mehr mit Gewissheit sagen. „Vielleicht vor neun Monaten“, mutmaßt sie, während sie die Kaiserstraße in Friemersheim entlangschlendert. „Kann sein, dass es noch länger her ist.“ Dass sie an diesem Montagnachmittag wieder vor Ort ist, ist eine Herzensangelegenheit für die 31-Jährige.
Schneider möchte sprechen. Über das, was sie als Jugendliche und junge Erwachsene in Duisburg erlebt hat. Und über den Grund, warum sie heute in Bochum wohnt – und sich „definitiv nicht“ vorstellen kann, jemals wieder im Duisburger Westen zu leben. „Dafür ist zu viel passiert.“
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Isabel Sophie Schneider ist queer, identifiziert sich als lesbisch und asexuell. Auf die Welt kam sie als Frau, bei der Geburt wurde ihr das männliche Geschlecht zugewiesen. Ein Fehler, der später korrigiert wurde. Auf der Straße wird sie regelmäßig aufgrund ihres Äußeres als trans Frau wahrgenommen. Ein Umstand, der in ihrer Vergangenheit regelmäßig zu Diskriminierung der abscheulichsten Art führte.
Aufgewachsen in Duisburg: Isabel Sophie wurde mit einem Messer bedroht
„In der Schule war es Mobbing, das war aber im Vergleich noch harmlos.“ Die widerlichen Attacken folgten nach dem Abitur. „Scheiß Transe“, „Ich stech’ dich ab“ und „Wenn ich könnte, dann würde ich dich töten“ sind nur einige Beispiele verbaler Attacken, denen die 31-Jährige regelmäßig in der Öffentlichkeit ausgesetzt war.
Hinzu kamen Schläge, Tritte, Bedrohungen – „unter anderem auch mit einem Messer.“ Isabel Sophie Schneider fällt in der Öffentlichkeit auf. Das ist ihr bewusst. „Ich kann meine Queerness nicht verstecken“, sagt sie und gibt ein Beispiel: „Das ist so, als wenn ein Homosexueller jeden Tag mit einer Regenbogenfahne auf der Stirn durch die Straßen läuft.“ Der Leidensdruck in Duisburg war hoch. „Bestimmt 20 bis 50 Mal am Tag“, so schätzt sie, war sie hier mit verbaler Diskriminierung jeglicher Art konfrontiert.
Queere Ex-Duisburgerin sagt: „Die Hemmschwelle ist gesunken“
Wie lässt es sich erklären, dass Menschen der queeren Community nach wie vor Opfer solcher Attacken sind? „Die Hemmschwelle ist gesunken“, sagt Schneider. Sie beobachtet, dass vor allem immer mehr junge Menschen mit solchen Angriffen auffallen. „Ich glaube, die Menschen werden nicht richtig aufgeklärt. Es gibt zahlreiche Informationen zu dem Thema, viele davon ungefiltert.“ Hinzu käme der Rechtsruck, der aktuell wieder durch das Land ginge. „Das ist eine Mischung aus Populismus und Falschinformationen.“
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Der Schlüssel für Schneider ist daher: Aufklärung. Vor einigen Jahren fand sie in Bochum eine lesbisch/queere Gruppe, die sie seither regelmäßig besucht. Die Stadt biete allgemein so einiges für queere Menschen: Cafés und Bars, Anlaufstellen, Gruppen, Beratung, Hilfe. Schneider selbst ist mittlerweile Verantwortliche für das Zentrum für queere Kultur und sexuelle Bildung „Fluid“. „In Bochum ist das ganze Thema viel sichtbarer als in Duisburg“, sagt sie. Die Vielfalt der Angebote habe einen psychologischen Effekt. „Hier sind viel mehr queere Menschen sichtbar, Pärchen laufen hier Hand in Hand. Das sehe ich in Duisburg nicht.“
Queeres Zentrum in Duisburg gibt es nach wie vor nicht
Die Intensität der Diskriminierung sei in Duisburg auf einem höheren Level. Schneider betont: „Das ist nicht nur eine subjektive Meinung von mir“ und gibt Beispiele. So gibt es in Duisburg nach wie vor nicht das von der Community schon lange geforderte „Queere Zentrum“, Anlaufstellen und Angebote für queere Personen seien selten und schlecht beworben, Schulen mieden nach wie vor die Angebote für themenbezogene Workshops, weil die Angst vor Gegenwind zu groß sei.
„Vieles ist hier in Szene gesetzt“, sagt Schneider unverblümt. Wenn Parteien, Firmen und Institutionen die Regenbogenfahne hissen, aber keine Taten folgen, entstehe ein falscher Eindruck, ist sie überzeugt. „Ich würde mir von der Duisburger Politik wünschen, da viel aktiver zu werden.“
Das Thema „Leben in Duisburg“ ist für Schneider abgeschlossen. Zu intensiv waren die Erfahrungen, die sie hier machen musste. „Ich habe meine neue Heimat gefunden“, sagt sie. Aber: Sollten sich in Duisburg Initiativen oder ähnliches bilden, kann sie sich vorstellen, mitzuwirken. „Ich bin immer für alle Fragen offen.“