Duisburg-Rheinhausen. Wirklichkeit? Oder Fiktion? „Realitäten“ heißt die neue Ausstellung der Duisburger Künstler. 47 Kreative öffnen ihre Wundertüte in Rheinhausen.

Klaus Brüggenwerth bringt die Sache auf den Punkt: „Hier gibt es ganz schön was zu gucken!“ Treffender kann man nicht beschreiben, was die Besucher der neuen Ausstellung der Freien Duisburger Künstlerinnen und Künstler erwartet. Eine große Wundertüte haben sie in der Galerie der Bezirksbibliothek ausgeschüttet. Insgesamt 47 Kreative haben ihre Werke zum Gemeinschaftsprojekt beigesteuert. Und Klaus Brüggenwerth, der im Duett mit Evangelos Koukouwitakis Sprecher der freien Gruppe ist, hatte die herausfordernde Aufgabe, das Sammelsurium an Gemälden, Fotografien, Skulpturen und anderen Objekten mit Unterstützung einer Künstlerkollegin zu einem großen Ganzen zu formen.

Das war ein Mammutprojekt. Denn Brüggenwerth wusste vorher nicht, welche Arbeiten die Künstler drei Tage vor der Ausstellung bringen würden. „Das ist immer wieder eine große Überraschung, was dabei herauskommt.“ Die freie Gruppe ist eine lockere Vereinigung von ungefähr 160 Menschen, die eine Leidenschaft teilen. Bewerben muss sich für die Jahresausstellung keiner – wer mit macht, der macht mit. Meist sind das so um die 50. Allerdings gibt es stets ein Motto, zu dem die Werke passen müssen. Diesmal heißt die Ausstellung „Realitäten“. Ein Leitmotiv, das viel Spielraum erlaubt.

Enorm vielfältig ist die Ausstellung „Realitäten“ der Freien Duisburger Künstler in der Galerie der Bezirksbibliothek Rheinhausen. Rechts im Bild ist „Onkel Gika“ in Öl auf Leinwand von Petra Anders.
Enorm vielfältig ist die Ausstellung „Realitäten“ der Freien Duisburger Künstler in der Galerie der Bezirksbibliothek Rheinhausen. Rechts im Bild ist „Onkel Gika“ in Öl auf Leinwand von Petra Anders. © FUNKE Foto Services | Rüdiger Bechhaus

Wer sich auf die große Schau in der Galerie der Bezirksbibliothek einlässt, der spürt schnell, dass das mit den Realitäten eine verzwickte Angelegenheit ist. Denn wo hört die Wirklichkeit auf? Und wo fängt die Fiktion an? Da wäre zum Beispiel das mysteriöse Stillleben, das uns Evangelos Koukouwitakis auf einem Silbertablett serviert. In der Tradition der Alten Meister hat er unter dem Titel „Natura Morte“ welke Blumen, verfaulte Früchte und einen Tierschädel so arrangiert und fotografiert, dass das Ensemble trotz des morbiden Themas eine eigentümliche Schönheit ausstrahlt.

Christina Böcklers skurriler „Fenstersprung 1-6“ ist rätselhaft

Klaus Brüggenwerth hingegen hat sich in seinem eigenen Werk auf die lebendige Wirklichkeit vor seinem Fenster fokussiert. Durch eine transparente Jalousie hat der Künstler einen von Weinblättern malerisch eingerahmten Vogel mit der Kamera so eingefangen, dass Farben und Konturen verschwimmen und der Schatten dem Tier einen obskuren Doppelgänger beschert. Die reale Szenerie seines „Fensterblicks“ wirkt durch den verfremdenden Kunstgriff wie ein Gemälde.

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Es macht Sinn, sich ganz unbefangen auf das Spiel mit den Realitäten einzulassen und die Vielfalt der Themen einfach neugierig auf sich wirken zu lassen. Man muss nicht verstehen, was sich Christina Böckler bei ihrem skurrilen „Fenstersprung 1-6“ gedacht hat. Oder warum Lothar Janssen sein betörend blaues Bild „No sea to see“ genannt hat. Aber man darf sich fragen, was man selber in den Wirklichkeiten der anderen erkennt. Zum Beispiel in Sigrid Neuwingers Fotoarbeiten. Erstaunlich, wie sich ihre abgelichteten Kunststoffe bei der Betrachtung zu traumhaften Fabelwelten formieren, während Petra Anders ihren „Onkel Gika“ mit Pinsel und Farbe so realistisch porträtiert hat, dass ihr Bild eher wie eine Fotografie erscheint.

Marayle Küpper ist mit einem ihrer Werke aus der Unterwasserwelt in der Galerie der Bezirksbibliothek vertreten. „Grenzblick: Seerose“ heißt ihr Gemälde, das eine ganz eigene Realität abbildet.
Marayle Küpper ist mit einem ihrer Werke aus der Unterwasserwelt in der Galerie der Bezirksbibliothek vertreten. „Grenzblick: Seerose“ heißt ihr Gemälde, das eine ganz eigene Realität abbildet. © FUNKE Foto Services | Rüdiger Bechhaus

Und noch etwas ist immer wieder spannend: Oft sind es tatsächlich die einfachsten Dinge, die die größte Wirkung haben. Das zeigt Heinz Hüls mit seiner Skulptur „Ede“ in der Rheinhauser Ausstellung sehr eindrücklich. Den Stamm einer Mooreiche hat er mit einem üppigen Rheinkiesel garniert. Hüls hat ein Händchen dafür, Fundstücke aus der Natur so gekonnt zu kombinieren, dass sie eine beeindruckende Lebendigkeit ausstrahlen. Klaus Brüggenwerth hat die Skulptur vor einem schwarzen Vorhang platziert. Er ist zufrieden mit dem Arrangement, das dem Kunstwerk eine imaginäre Bühne bereitet.

Die Sache mit dem Knick in der Optik

Bei der Hängung der Werke hatte der Sprecher der Freien Duisburger Künstler übrigens mit allerlei Tücken zu kämpfen. Da kann man die Nägel noch so akkurat in die Wand schlagen – wenn die Haken auf der Rückseite einer Bilderreihe nicht auf gleicher Höhe sind, bleibt ein Knick in der Optik. Und: Ein Bild war schlicht und einfach zu schwer. „Wir dürfen hier nicht in die Wände bohren.“ Kurzerhand hat Brüggenwerth das üppige Werk auf einen weißen Sockel gehoben. Eine Notlösung, die aussieht wie gewollt. Auch das ist Realität!

>>> INFORMATIONEN ZUR AUSSTELLUNG:

„Realitäten“, eine Ausstellung der Freien Duisburger Künstler und Künstlerinnen, zu sehen bis zum 20. Oktober 2022 in der Städtischen Galerie der Bezirksbibliothek Rheinhausen Händelstraße 6, zu den üblichen Öffnungszeiten der Bücherei: Dienstag bis Donnerstag 10-13 und 14-18.30 Uhr, Samstag 10-13 Uhr. Der Eintritt ist frei.