Duisburg-Wedau. Die sechsjährige Duisburgerin Chiara wollte mit den Mitschülern zum Muttersprachlichen Unterricht. Der sei nur für Ausländer, argumentiert die Schule. Sie verweist auf einen Erlass des Schulministeriums. Ein kurioser Fall. Das Schulamt will nach einer Lösung suchen.

Chiara war schon immer ein kleines Sprachtalent. Die Sechsjährige paukte Englisch im Kindergarten, nebenher ein wenig Jugoslawisch. „Ich will auch Türkisch lernen“, sagte die Erstklässlerin, als sie erfuhr, dass einige Mitschüler an der Grundschule am See diese ganz andere Sprache beigebracht bekommen. Die Enttäuschung folgte auf dem Fuße. Die Schule präsentierte einen Landeserlass. Darin steht, dass der Unterricht nur für Muttersprachler ist. Deutsche bleiben außen vor.

Mutter Sabine Rick will das so nicht hinnehmen: „Das hat nicht viel mit Integration zu tun.“ Auch für die türkischen Schüler sei doch dieses Modell nicht gut: „Was bringt es denn für die Integration, wenn die weiter unter sich bleiben?“ Es sei doch wirklich etwas Tolles, wenn ein sechsjähriges Mädchen von sich aus den Wunsch habe, die völlig fremde Sprache der Mitschüler zu lernen.

Völlig ungewöhnlicher Fall

Die Schulleitung will sich auf Nachfrage nicht äußern, verweist auf den Erlass und die Schulaufsicht des Landes. Schulamtsleiter Wolfgang Streuff ist äußerst überrascht, davon zu hören, dass ein deutsches Mädchen am Türkischunterricht teilnehmen will. „So ein Fall ist mir noch nie untergekommen.“ Die Anfrage sei auch für die Schulaufsicht völlig neu.

Es gebe aber immer wieder deutsche Kinder, die auch am Muttersprachlichen Unterricht anderer Sprachen teilnehmen. Streuff nennt als Beispiel eine deutsche Familie, die bald nach Spanien auswandern will. Da dürfe das Kind am Spanischunterricht teilnehmen. Auch bei Muttersprachlichem Unterricht in Italienisch gebe es solche Fälle. „Bisher hat es immer Lösungen gegeben“, sagt Streuff. Wenn es nur irgendwie möglich war, habe dann auch ein deutsches Kind am dem Herkunftssprachlichem Ergänzungsunterricht – wie es im Beamtendeutsch heißt – teilnehmen dürfen.

Schulamt sucht nach Lösung

Hat dann die Schule einfach nur den Erlass zu wörtlich genommen? Streuff kann zum konkreten Fall nichts sagen. „Wenn man den Erlass streng auslegt, dann darf das Kind nicht teilnehmen. Es besteht kein Rechtsanspruch.“ Der Schulamtsleiter will trotzdem das Gespräch mit Familie und Schulleitung suchen. Vielleicht darf dann ­i-Dötzchen Chiara doch noch Türkisch lernen.

Letztlich hänge es von den Kapazitäten ab. In Duisburg sind gut 50 Lehrer im staatlichen Auftrag an den Schulen unterwegs, um Unterricht in Muttersprache anzubieten. Organisatorisch sei der Einsatz eine ziemlich große Herausforderung, erklärt Wolfgang Streuff. „Die Lehrer unterrichten an verschiedenen Standorten. Sie sind oft innerhalb von fünf Tagen in der Woche an fünf verschiedenen Schulen unterwegs.“

Sabine Rick findet den Erlass nicht mehr zeitgemäß. Sie stellt die Frage, wo denn die Grenze zwischen Muttersprachler und Nicht-Muttersprachler zu ziehen sei. So manche Familie lebe schon in zweiter oder dritter Generation hier, habe die deutsche Staatsbürgerschaft. „Bei einer türkischen Familie, die wir kennen, wird zu Hause Deutsch gesprochen.“ Chiara versteht den Erlass übrigens nicht. Sie will ja nur Türkisch lernen.