Duisburg.

Dioxine im Duisburger Süden sind wieder Thema, seit das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) in Recklinghausen Anfang des Monats höhere Messwerte hier meldete. Darüber sprach Martin Kleinwächter mit Prof. Dr. Peter Bruckmann vom LANUV.

Was eigentlich sind Dioxine und wie entstehen sie?

Prof. Dr. Peter Bruckmann: Dioxine und Furane sind eine Gruppe von Kohlenwasserstoffen, die bei Verbrennungen, die unter hohen Temperaturen ablaufen, entstehen. Dabei müssen organische Verbindungen und Chlor aufeinander treffen.

Wo finden solche Verbrennungen statt?

Bruckmann: In Bruchteilen gibt es sie schon beim Rauchen. Entscheidend für die Bildung großer Mengen sind aber indus­trielle Verbrennungsprozesse, etwa in Müllverbrennungsanlagen und Hüttenbetrieben.

Wie werden Dioxine gemessen?

Bruckmann: Sie werden mit Hilfe von Lösungsmittel aus einer Staub­probe extrahiert und mit ei­nem Analysegerät, das sich Gaschromatografie-Massenspektrometer nennt, ermittelt.

Und in welchen Einheiten und Größenordnungen werden sie gemessen?

Bruckmann: In der Luft werden sie in Billiardstel Gramm pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt erhoben. Außerdem werden sie als Niederschlag auf Oberflächen in Billionstel Gramm pro Qua­dratmeter Oberfläche und Tag gemessen.

Gibt es dafür Grenz- oder Richtwerte?

Bruckmann: Es gibt Richt- oder Zielwerte, für die Luftkonzentration sind das 150 Billiardstel Gramm und für den Niederschlag vier Billionstel Gramm.

Welche Werte haben jetzt für Aufsehen gesorgt?

Bruckmann: Es wurden im März 2012 an drei Messorten im Duisburger Süden deutlich erhöhte Gehalte im Staubniederschlag gemessen.

Wo war das im Einzelnen?

Bruckmann: Es waren als Monatsmittelwert in der Kleingartenanlage Feierabend in Wanheim 386 Billionstel Gramm, in der Kleingartenanlage Biegerhof dort 121 und an der Trafostation Ehinger Straße 194 Billionstel Gramm.

Welche Werte sind dort heute normalerweise üblich?

Bruckmann: Üblich wären Werte zwischen zehn und 30, allerdings im Jahresmittel, also mit Monatswerten, die auch einmal deutlich darüber liegen.

Essen Sie noch Eier?

Ulrike Bartsch aus Süd: „Ich esse nur Bio-Eier. Darin habe ich Vertrauen.“  Foto: Walter Buchholz
Ulrike Bartsch aus Süd: „Ich esse nur Bio-Eier. Darin habe ich Vertrauen.“ Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Auf Bio-Produkte würde Klaus Wiersch nicht ausweichen: „Dabei frage ich mich immer, ob auch wirklich drin ist, was draufsteht. Meine Eier kaufe ich beim vertrauensvollen Händler. Die Debatte ist doch jetzt schon fast Mode. Wenn die Werte wirklich bedenklich sind, müsste das dann auch sofort verboten werden.“ Foto: Walter Buchholz
Auf Bio-Produkte würde Klaus Wiersch nicht ausweichen: „Dabei frage ich mich immer, ob auch wirklich drin ist, was draufsteht. Meine Eier kaufe ich beim vertrauensvollen Händler. Die Debatte ist doch jetzt schon fast Mode. Wenn die Werte wirklich bedenklich sind, müsste das dann auch sofort verboten werden.“ Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
„Ich kaufe auch jetzt ganz normal meine Bio-Eier. Fleisch hole ich sogar direkt beim Bauern“, kommentiert Carmen Obi. Foto: Walter Buchholz
„Ich kaufe auch jetzt ganz normal meine Bio-Eier. Fleisch hole ich sogar direkt beim Bauern“, kommentiert Carmen Obi. Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Für Hermann Welp kommen nur „sichere“ Eier in Frage: „Ich habe selber sechs freilaufende Hühner. Aber auch ich habe meinen Händler gefragt, ob mit dem Futter alles in Ordnung ist. Man ist ja vorsichtig.“ Foto: Walter Buchholz
Für Hermann Welp kommen nur „sichere“ Eier in Frage: „Ich habe selber sechs freilaufende Hühner. Aber auch ich habe meinen Händler gefragt, ob mit dem Futter alles in Ordnung ist. Man ist ja vorsichtig.“ Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Auch die Holsterhauserin Inken Mapel setzt auf Bio-Eier. Damit fühlt sie sich seit Jahren sicher. Foto: Walter Buchholz
Auch die Holsterhauserin Inken Mapel setzt auf Bio-Eier. Damit fühlt sie sich seit Jahren sicher. Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
Ob Bio-Siegel oder nicht, Theo Hoffmann aus Dellwig lässt auf seine Eier nichts kommen: „Wat se jetzt schon wieder gefunden haben. Das ist mir egal. Ich ess’ immer normale Eier. Das kümmert mich nicht. Aber wir haben selbst zur Hochzeit des BSE-Skandals Rindfleisch gegessen.“ Foto: Walter Buchholz
Ob Bio-Siegel oder nicht, Theo Hoffmann aus Dellwig lässt auf seine Eier nichts kommen: „Wat se jetzt schon wieder gefunden haben. Das ist mir egal. Ich ess’ immer normale Eier. Das kümmert mich nicht. Aber wir haben selbst zur Hochzeit des BSE-Skandals Rindfleisch gegessen.“ Foto: Walter Buchholz © WAZ FotoPool
1/6

Und wie sah das zur Zeit des bekannten Dioxin-Störfalls Ende der 90er Jahre aus?

Bruckmann: Damals hatten wir im Jahresmittel an diesen Stationen zwischen 300 und 400 Billionstel Gramm pro Quadratmeter und Tag.

Eigentlich handelt es sich doch um winzigste Mengen. Worin liegt dabei die Gefahr?

Bruckmann: Bei langfristig hoher Belastung können sie sich im menschlichen Körper anreichern, wobei besonders Kleinkinder und Babys gefährdet sind.

Warum sind sie besonders gefährdet?

Bruckmann: Weil langfristig Schäden im Immunsystem und im Nervensystem auftreten können.

Von solchen Konzentrationen sind wir aber doch weit entfernt, oder?

Bruckmann: Solange die einmal gemessenen Werte nicht dauerhaft auftreten.

Was unternehmen Sie zur Zeit, um das zu verhindern?

Bruckmann: Wir geben der Bezirksregierung in Düsseldorf, die für die Überwachung industrieller Großanlagen zuständig ist, Hilfestellung bei der Ursachenanalyse.

Gibt es denn schon erste Erkenntnisse dazu?

Bruckmann: Wir haben Gründonnerstag Fegeproben im Umkreis benachbarter Hüttenbetriebe genommen, die zur Zeit analysiert werden.

Und wie sieht es mit Kontrollen dieser Hüttenbetriebe aus?

Bruckmann: Die wesentlichen Quellen, die viel Staub emittieren, werden kontinuierlich, auch rund um die Uhr, überwacht. Darüber hinaus gibt es kleinere diffuse Staubquellen. Dort muss noch geprüft werden, ob irgendwo etwas ausgetreten ist. Denkbar ist aber auch, dass bei Transporten zum Beispiel von belasteten Filterstäuben etwas abgeweht worden ist.

Wann, glauben Sie, werden Sie Klarheit darüber haben?

Bruckmann: Wir hoffen, innerhalb der nächsten Monate.

Es gab im Jahresdurchschnitt 2011 an der Kläranlage in Huc­kingen einen erhöhten Jahresmittelwert beim Niederschlag, nämlich 62 Billionstel Gramm. Im März 2012 war diese Messstation völlig unauffällig. Was sagen Sie dazu?

Bruckmann: Der hohe Mittelwert war auf einen hohen Monatswert im Januar 2011 zurückzuführen.

Ist damals schon Ursachenforschung betrieben worden?

Bruckmann: Ja, es hat umfangreiche Untersuchungen gegeben, die aber zu keinen Feststellungen geführt haben. Wir hoffen, dass wir diesmal zusammen mit der Bezirksregierung die Ursachen ermitteln können.