Duisburg. Hüttenheim und Ungelsheim sind benachbarte Stadtteile in Duisburg. Beim Thema Nahversorgung trennen die Viertel aber Welten. Ein Ortsbesuch.
Hüttenheim und Ungelsheim: Zwei benachbarte Stadtteile im Duisburger Süden, die das Leben in zwei Gefühlswelten beschreiben, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während Hüttenheimer ihr Viertel im Stadtteil-Check in der Kategorie „Einkaufsmöglichkeiten“ mit Bestnoten beglückten, landete Ungelsheim mit der Durchschnittsnote 5,31 auf dem vorletzten Platz.
„Herzlich Willkommen in meinem Wohnzimmer“, sagt Werner Schulz an der Mündelheimer Straße. Der Ur-Hüttenheimer kennt sein Viertel. Seit über 40 Jahren lebt er mit Blick auf die Hüttenwerke Krupp Mannesmann, die das Bild des Stadtteils bestimmen.
Einkaufen in Hüttenheim: Ein autokundenorientiertes Erledigungszentrum
Der 66-Jährige hat eine Antwort darauf, warum „sein Wohnzimmer“ im Stadtteil-Check weit vorne liegt: „Rewe, Aldi, Netto und Lidl – alles auf engstem Raum.“ Keine 650 Meter trennen den Supermarkt und die Discounter. Dazu gibt es einen Drogeriemarkt.
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Vor Ort ist die Mündelheimer Straße als Ortszentrum nur eingeschränkt erkennbar. Einen verkehrsberuhigten Bereich mit Aufenthaltsqualität gibt es nicht. Vielmehr ist das Ortszentrum von Hüttenheim eine autokundenorientierte Erledigungsmeile für den täglichen Bedarf.
Treffpunkt mit dem Charme einer Autobahnraststätte
Treffpunkt für viele im Quartier ist die Bäckerei Bolten an der Mündelheimer Straße, sagt Schulz. Zu Kaffee und Kuchen gibt es an der vielbefahrenen Straße Verkehrslärm dazu. Das hat mehr den Charme einer Autobahnraststätte.
Die positive Bewertung des Stadtteils offenbart: Leserinnen und Lesern ist vor allem die Nahversorgung wichtig. Denn im Zentrenkonzept der Stadt Duisburg ist Hüttenheim lediglich ein Nahversorgungszentrum (vgl. Grafik). Diesem übergeordnet sind elf Nebenzentren und ein Hauptzentrum.
Hüttenheim zieht deutlich Kaufkraft aus anderen Vierteln
Die Innenstadt hat eine gesamtstädtische Funktion und vereint mehr als 300 Einzelhandelsgeschäfte – ist, objektiv betrachtet, in der Angebotsvielfalt deutlich größer. Die elf Nebenzentren sind stadtteilübergreifend und weisen mehr als 30 Einzelhandelsbetriebe vor.
„Wir sind nicht nur Nahversorgungszentrum für Hüttenheim, sondern für den gesamten Duisburger Süden“, spricht Schulz dem Viertel auch eine stadtteilübergreifende Funktion zu. Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept gibt ihm recht: Die Bindungsquote liegt in Hüttenheim bei 400 Prozent, was einen deutlichen Zufluss von Kaufkraft aus anderen Stadtteilen bedeutet.
Einkaufen in Ungelsheim: Bewohner fühlen sich „abgehängt“
Einer dieser Stadtteile ist Ungelsheim. Der Anteil der Bewohner, die in zehn Minuten zu Fuß einen Supermarkt erreichen können, liegt bei unter 50 Prozent. Und in keinem Viertel wäre der Bedarf für kurze Wege höher: Gemessen am Durchschnittsalter der jeweiligen Bevölkerung ist Ungelsheim mit 51,0 Jahren der „älteste“ Ortsteil der Stadt.
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An der Haltestelle Goslarer Straße wird das deutlich. Ein Senioren-Ehepaar steigt aus dem Bus. In den Händen jeweils eine Gehhilfe und eine Tüte gefüllt mit Einkäufen. Das Paar möchte nicht mit der Zeitung reden. Ihre Meinung ist aber klar: Sie fühlen sich im Viertel „abgehängt“.
Wochenmarkt als letzte Rettung – Wunsch nach einem Tante-Emma-Laden
„Wir können froh sein, einen Wochenmarkt zu haben“, sagen auch Heike und Roger Theyssen. So gibt es jeden Donnerstag frisches Obst, Fleisch und Backwaren. Das Paar lebt seit 2002 in Ungelsheim. Sie lieben die Ruhe im Viertel, gehen auch gerne mit der Katze durch die Siedlung mit reichlich Grünflächen spazieren. Sie haben sich daran gewöhnt, beim Einkauf auf andere Stadtteile auszuweichen: Für frisches Obst geht es mit dem Fahrrad sogar in die Nachbarstadt ins Apfelparadies Wittlaer.
Was im Stadtteil fehlt, ist ein Tante-Emma-Laden, so das Paar. „Gerade für die Älteren.“ Im alten Edeka auf der Ecke wäre Plätz. Seit dem Rückzug des Supermarktes steht das Ladenlokal leer. Im vergangenen Jahr hat auch noch Reiner Wienkötter seinen Schreibwarenladen Am Finkenacker nach 49 Jahren geschlossen. Mit seinem breiten Sortiment – von Batterien, Glühbirnen bis zu Konfetti – war er für viele „ein Retter“, sagt Heike Theyssen.
Für die ältere Bevölkerung versucht Kerstins Backstübchen diese Lücke zu schließen. Sie verkauft nicht nur Brötchen und Brot, sondern auch Nudeln, Kartoffeln, Milch oder Toilettenpapier. Für mehr bleibt nur die Fahrt nach Hüttenheim oder in andere Stadtteile.
>>> Stadtteil-Check: Kurz und kompakt
• Der Stadtteil-Check Duisburg hatte 10.535 Teilnehmer. Unsere Umfrage ist nicht repräsentativ. „Der Stadtteil-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild“, sagt Dr. Ana Moya, Statistik-Expertin der Funke Mediengruppe. „Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Stadtteil eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können.“ Ein Duisburger Stadtteil lag aufgrund der Teilnehmerzahl 32 allerdings außerhalb der Wertung: Bruckhausen.
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