Duisburg. Nach 52 Jahren ist Schluss: Marktfrau Vera Steffens steht nicht mehr auf dem Wochenmarkt. Eins aber hat sich seit ihrem Ruhestand nicht geändert.

Vera Steffens denkt immer noch mit viel Wehmut an die Zeit zurück, als sie mit ihrem Pflanzen- und Blumenstand auf den Märkten im Duisburger Süden präsent war. „Meine Kunden vermisse ich total“, trauert die allseits beliebte Marktfrau der Zeit nach, die es so nicht mehr geben wird. 52 Jahre stand die heute 71-Jährige bei Wind und Wetter auf dem Markt. 2019 hat sie aufgehört.

„Der erste Tag meines Ruhestands war extrem schlimm, ich hab’ nur geheult“, erinnert sich die in Mülheim aufgewachsene Ex-Marktfrau. Viel besser geworden ist ihr Befinden seitdem nicht, wie sie freimütig zugibt. Dazu tragen auch Reaktionen ihrer Kundschaft bei, denen ihre Vera einfach fehlt. „Ohne Dich ist der Markt nicht mehr das, was er war“ zeigen sich auch die Marktbesucher in Buchholz, Ungelsheim und Wanheim traurig. Aber am Ende spielte die Gesundheit einfach nicht mehr mit.

Für die Duisburger Marktfrau klingelte der Wecker jede Nacht um 1.30 Uhr

1980 pachtete Vera Steffens zusammen mit ihrem vor 19 Jahren verstorbenen Ehemann in Hamminkeln den Köpenhof, einen alten Bauernhof. Dort war genug Platz, um Beet- und Balkonpflanzen in größeren Mengen heranzuziehen. Zu der vielfältigen Angebotspalette zählten auch Kartoffeln und Eier von hofeigenen Hühnern. Deko-Artikel waren dabei je nach Jahreszeit ebenfalls im Angebot. Fünf Tage in der Woche ging es mit Verkaufswagen inklusive vollgepacktem Anhänger über die B 8 und die A 59 in Richtung Duisburger Süden.

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Der Wecker klingelte jede Nacht um halb zwei. „Um vier Uhr morgens stand ich auf dem Markt und begann mit den Vorbereitungen“, erzählte die gelernte Einzelhandelsverkäuferin. Oft ging es in aller Herrgottsfrühe dann erstmal zum Großmarkt nach Düsseldorf, um das eigene Angebot durch Zukäufe zu erweitern. „In Duisburg gab es keine Pflanzen und Blumen“, erklärt Vera Steffens. Gegen 6 Uhr war die Marktfrau wieder zurück, dann musste der Stand aufgebaut werden. Wenn sie die ersten Kunden frühmorgens wie gewohnt herzlich begrüßte, ahnten wohl die wenigsten, dass ihre freundliche Marktfrau nur rund dreieinhalb Stunden geschlafen hatte. „Man gewöhnt sich daran, das geht irgendwie“, sagt Vera Steffens.

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Ihr verstorbener Ehemann animierte die Hamminkelnerin dazu, sich selbstständig zu machen. „Das brauchte er mir nicht zweimal zu sagen. Damals habe ich von seinem Geld Strohblumen gekauft, die getrocknet und nebenbei auf dem Markt angeboten“, erinnert sich Vera Steffens. Den Schritt hat sie nie bereut, auch wenn die energiegeladene Markthändlerin dabei meistens auf sich alleine gestellt war, da ihr Ehemann beruflich anderweitig engagiert war. Das war nie ein Problem für Vera: „Ich bin zwar nicht groß, ich bin aber ein Kampfzwerg.“

Die fliegende Marktfrau

Als Markthändlerin hat Vera Steffens einiges erlebt, auch Unerwartetes: Während eines plötzlichen Sturms drohte am Nachbarstand auf dem Buchholzer Markt ein Schutzschirm wegzufliegen. Vera Steffens wollte den Schirm retten und stellte sich mit ihrem Körper auf den Sockel, um mit ihrem Gewicht gegenzuhalten.

Der Erfolg der Rettungsaktion war eher mäßig, denn: „Ich flog mit dem Schirm über den Marktplatz, zog mir bei der Landung einige Brüche zu und war sechs Wochen außer Gefecht.“

„Schatz“ und „Du“: So sprach Vera Steffens ihre Duisburger Markt-Kunden an

Ein Kampfzwerg mit großem Herzen. Zu ihren Kunden entwickelte sich im Laufe der Zeit ein persönliches und freundschaftliches Verhältnis: „Die Leute haben mir viel Privates erzählt, von ihren Alltagssorgen berichtet und auch schon mal ihr Herz ausgeschüttet.“ Vera Steffens ist schnell klar geworden, dass „die Menschen diese Gespräche brauchen“ oder auch einfach nur mal in den Arm genommen werden wollen. „Nur die Namen der Kunden konnte ich mir nicht alle merken“, erinnert sie sich schmunzelnd. Aber auch dafür fand sie eine pragmatische Lösung: „Im Zweifel nannte ich alle Schatz.“

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Heute bewohnt Vera Steffens das alte Bauernhaus zusammen mit der Familie eines ihrer beiden Söhne. Auch wenn der Abschied vom Markt inzwischen ein halbes Jahr her ist: Nachts wird sie immer noch gegen zwei Uhr wach, der Körper ist noch an den jahrzehntelangen Rhythmus gewöhnt. Dann steht die frühere Marktfrau am Fenster, schaut auf die 300 Jahre alte Kastanie und „verdrückt ein Tränchen“.