Duisburg-Neumühl. Die Jüdische Gemeinde hat in Duisburg-Neumühl ein altersgerechtes Wohnquartier gebaut. Was das stark nachgefragte Projekt besonders macht.

Die Nachfrage ist sehr groß, entsprechend wächst die Warteliste stetig. Die örtliche jüdische Gemeinde hat unlängst ihre neue Wohnanlage in Duisburg-Neumühl öffentlich eingeweiht. Nach der Eröffnungsfeier mit Gästen aus Politik und Verwaltung ist inzwischen wieder Ruhe eingekehrt.

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Für Alexander Drehmann, den Geschäftsführer der Gemeinde, war es ein anstrengendes Neubauprojekt, doch auf das Ergebnis ist er merklich stolz. 41 altersgerechte Wohnungen sind in dem früheren Bergarbeiterstadtteil entstanden. Fast alle sind Sozialwohnungen, aber „mit gehobenem Standard“ wie Fußbodenheizungen oder elektrischen Rollläden und gemeinsamen Hauswirtschaftsräumen.

Gigantisches Interesse an neuer Wohnanlage der Jüdischen Gemeinde in Duisburg-Neumühl

„Der Bedarf ist gigantisch“, sagt Drehmann, dessen Gemeinde nicht nur Bauherrin, sondern auch Vermieterin ist, mit Blick auf die immer noch zahlreichen Mietinteressenten. Entsprechend ist die Anlage derzeit bereits vollbelegt. Gut die Hälfte der Mieterinnen und Mieter seien Duisburger Mitglieder aus der Jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen, darunter auch Holocaust-Überlebende. Ein Viertel seien ukrainische Flüchtlinge und die übrigen Seniorinnen und Senioren kommen demnach aus dem Stadtteil.

Ausgelegt sind die Wohnungen entweder für eine Person (52 Quadratmeter) oder für zwei Personen (bis zu 67 Quadratmetern), und jede Wohnung hat einen Balkon oder eine Terrasse, erläutert Dieter Düster, der das Gebäude zusammen mit Ursula Platzköster für das Duisburger Architekturbüro DD Planquadrat entworfen hat.

Architektur und Freizeitangebote helfen den Mietern gegen Vereinsamung

„Im vorliegenden Projekt war es für uns Planende eine wichtige Aufgabe, der Vereinsamung der Menschen, insbesondere im Alter, entgegenzuwirken“, schreiben die beiden Diplom-Architekten in der Festschrift zur Einweihungsfeier. Daher gibt es auf jeder der drei Etagen mehrere Orte, wo zufällige Begegnungen möglich sind. In einer kleinen Bibliothek beispielsweise oder auf breiten Gängen, wo Stühle, Tische und Bänke bereitstehen. „Wir versuchen so, die Hemmschwelle der Türklingel zu überwinden“, sagt Düster.

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Zusätzlich wird in der Wohnanlage auch Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Für die Bewohner und die Gemeindemitglieder wird Fitness, Sitzgymnastik, Pilates mit Yoga-Elementen sowie „Gehirnjogging“ angeboten. All dies hilft erfolgreich gegen Einsamkeit, wie Alexander Drehmann von den Hausbewohnern weiß. Die ersten leben bereits seit Sommer 2022 in der Anlage, und längst kennt der Pförtner alle mit Namen.

Täglich kommen Pflegedienstmitarbeiter, um ihre Kunden zu versorgen: Das Durchschnittsalter der Bewohner liegt deutlich über 70 Jahre. Deshalb ist auch der Parkplatz mit den 40 gesetzlich vorgeschriebenen Stellplätzen bisher längst nicht ausgelastet – die wenigsten Hausbewohner fahren noch Auto. Besser ankommen werden jedoch, so hofft die Gemeinde, die derzeit noch unfertigen Fahrradstellplätze und der geplante kleine Park im Innenhof.

Großer Gemeindesaal zum Beten und für jüdische Feiern

Für das jüdische Gemeindeleben im Duisburger Norden ist jedoch vor allem der große Multifunktionsraum im Erdgeschoss wichtig. Er wird auch als Gemeindesaal zum Beten und für religiöse Feiern genutzt. Viele Mieter leben dort ihren jüdischen Glauben, weil ihnen aus gesundheitlichen Gründen der Weg zur Synagoge am Innenhafen zu beschwerlich geworden ist. Wer die moderne Seniorenwohnanlage nur von außen sieht, erkennt aber nicht, dass es den Gebetssaal gibt und dass dort der jüdische Glaube gelebt wird.

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Die Bewohner haben früher meist in der Sowjetunion gelebt, der Großteil ist in den 90er Jahren, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, in den Duisburger Norden gekommen. Dort fanden die Betroffenen günstige Wohnungen. Dementsprechend betrifft sie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine direkter als die meisten anderen Menschen in Neumühl.

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So ist der hebräische Gruß „Shalom“, der eingerahmt in der Eingangshalle hängt, längst auch eine politische Botschaft geworden. Er ist aktuell verbunden mit der Hoffnung, dass die Menschen in der Ukraine bald wieder in Frieden und Freiheit leben können.

„Darüber herrscht hier Einigkeit“, sagt Alexander Drehmann und ergänzt: „Falls es hier Putisten gibt, trauen sie sich nicht, das laut zu sagen.“ Doch ansonsten geht es eher unpolitisch zu. In dem neuen Zuhause haben die Mieterinnen und Mieter auch viele andere Gesprächsthemen als den Krieg, und sie fühlen sich in der neuen Seniorenanlage in Neumühl sehr wohl.

>> Der Standard soll sich in Duisburg durchsetzen

● Aus Sicherheitsgründen bittet die Jüdische Gemeinde darum, dass die genaue Adresse ihrer altersgerechten Wohnanlage nicht in der Zeitung steht.

● Der „sehr gute Standard“, den die Sozialwohnungen in Neumühl bieten, soll sich laut Architekt Dieter Düster in Duisburg möglichst weiter durchsetzen. Nach diesem Vorbild soll beispielsweise auch das Meidericher Wohnquartier auf dem Gelände der abgerissenen Kirche Maria Königin gebaut werden.