Duisburg/Mülheim/Oberhausen. Volksverhetzung, Körperverletzung, Propaganda: So viele antisemitische Angriffe wurden 2022 in Duisburg, Mülheim und Oberhausen gezählt.

Es sind antisemitische Graffitis auf Stromkästen, Schmierereien an einem Schulgebäude, in Facebook-Beiträgen wird der Holocaust geleugnet, auf Telegram und bei öffentlichen Reden werden volksverhetzende Aussagen gemacht. Und dann war da noch der Mann, der in eine Wache der Bundespolizei „Arbeit macht frei“ hineingerufen hat.

Alles antisemitische Straftaten, die im vergangenen Jahr auf dem Gebiet der Jüdischen Gemeinde Duisburg, Mülheim, Oberhausen begangen und angezeigt wurden: Acht in Duisburg in Mülheim und Oberhausen jeweils vier. Insgesamt wurden 2022 in NRW 251 Straftaten gegen religiöse Repräsentanten verübt, sechs auch gegen jüdische Einrichtungen.

Darin zählt das Innenministerium alle aktenkundigen Straftaten auf. Angriffe auf jüdische Personen werden dann als politisch motivierte Kriminalität bezeichnet, wenn sie aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung begangen wurden oder die Tatumstände Anhaltspunkte dafür bieten.

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Volksverhetzung und Propaganda: Diese Fälle hat die Polizei verfolgt

In Duisburg wurden allein im Januar 2022 vier Delikte aktenkundig: Volksverhetzung (2), Körperverletzung und ein Verstoß gegen die Paragrafen 86 und 86a des Strafgesetzbuchs. Dabei geht es um das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

Im April wurde in einem Fall Volksverhetzung angeklagt, hier ist der Tathintergrund laut Innenministerium eine „ausländische Ideologie“. Im Mai wurde die Polizei zwei mal wegen Volksverhetzung tätig, rechte Anschauung war demnach die Motivation. Im August wurde ein Beleidigungsdelikt angezeigt, dessen Motivation „nicht zuzuordnen“ ist.

In Mülheim sind drei Fälle von Volksverhetzung (Januar, März und April) angezeigt worden, ein Sachbeschädigungsdelikt folgte im September. Alle vier Fälle sollen rechts motiviert sein. In Oberhausen wurde vier mal wegen Volksverhetzung ermittelt: Im Januar, März, April und Juni, die Polizei geht auch hier von rechts motivierter Kriminalität aus.

Für Jonas Tepe von der Polizei Duisburg sind acht Fälle „acht zu viel, aber insgesamt ist Duisburg kein Schwerpunkt für solche Delikte“. Keiner der Vorfälle – darunter ein antisemitisches Video und das öffentliche Zeigen des Hitlergrußes – wurde über eine Pressemitteilung kommuniziert. Der Polizeisprecher betont, dass der Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft bei der Bewertung genau hinsehen: Nur weil jemand jüdischen Glaubens sei, werde eine Körperverletzung nicht zwingend als antisemitisch gewertet. Es komme immer auf den Einzelfall und die Umstände an.

Jüdische Gemeinde: Beleidigungen und Bedrohungen per E-Mail

Die Zahl der Fälle und einige Delikte waren Alexander Drehmann nicht bekannt. Er ist der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen und hat selbst einige Vorfälle gemeldet, insbesondere Beleidigungen und Bedrohungen per E-Mail. „Früher habe ich sowas gelöscht, heute melde ich alles sofort.“ Leider würden die meisten Fälle eingestellt, weil die Verursacher nicht zu ermitteln seien.

In einem Fall sei der Betreffende aber aufgespürt worden. Vor Gericht habe sich der Mann entschuldigt. „Das habe ich aber nicht angenommen, weil ich es ihm einfach nicht abgekauft habe“, sagt Drehmann. „Dafür hat er zu viele Jüdische Gemeinden angeschrieben und beleidigt.“

Sicherheitskonzept zum Schutz der Synagoge

Die Synagoge und der Rabbi seien in den vergangenen Jahren „zum Glück“ nicht zur Zielscheibe geworden. Das Sicherheitskonzept werde regelmäßig überprüft, man stehe im guten Kontakt zur Duisburger Polizei. Insgesamt sei Duisburg eine „gute, ruhige Stadt, ich kann mich nicht beschweren“, so Drehmann.

Berichte über tätliche Angriffe sind nicht zu ihm gedrungen. Von antisemitischen Angriffen seien aber auch Nicht-Juden betroffen, glaubt Drehmann. „Da reicht es schon, eine große Nase zu haben.“

„AfD-Anfrage ist scheinheilig“

Alexander Drehmann, Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Duisburg Mülheim Oberhausen, hält die AfD-Anfrage zur Sicherheit jüdischer Bürger für scheinheilig.
Alexander Drehmann, Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Duisburg Mülheim Oberhausen, hält die AfD-Anfrage zur Sicherheit jüdischer Bürger für scheinheilig. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die Anfrage der AfD empfindet er als „scheinheilig. Dass wir angegriffen werden, ist die AfD mit schuld“, sagt der Geschäftsführer. Sie mache zudem glauben, dass die Angriffe aus der islamistischen Ecke kommen, tatsächlich würden sie eher aus der rechten Ecke kommen.

Das bestätigt auch die Aufschlüsselung des Landeskriminalamtes, über die Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen. Demnach waren bei den über 250 Fällen in NRW 17 Tatverdächtige nichtdeutsch, darunter waren niederländische, französische, türkische, polnische und syrische Staatsbürger.

„Die Idiotie ist grenzenlos“, sagt Drehmann, „die Hemmschwelle der Idioten ist gesunken, sie trauen sich mehr.“ Deshalb empfiehlt er den 2400 Gemeindemitgliedern schon länger, die Kippa nicht öffentlich zu tragen. Auseinandersetzungen in Israel würden automatisch auch hierzulande zu mehr Aggression führen. Die Religion verlange eine Kopfbedeckung, „da ist die Form doch nebensächlich“, formuliert er es pragmatisch.

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>>HILFE FÜR DIE OPFER VON ANTISEMITISMUS

  • In NRW gibt es eine gute Infrastruktur, sagt Alexander Drehmann. So hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus NRW (Rias) ihren Sitz in Düsseldorf. Hier könne man Vorfälle melden und weitergehende psychosoziale, juristische, Antidiskriminierungs- und Opferberatung erhalten.
  • Ebenfalls in Düsseldorf sitzt Sabra, die Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, die Beratung bei Rassismus und Antisemitismus bietet.
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