Duisburg-Marxloh. Die Armut in Duisburg wächst: Immer mehr Obdachlose und Bedürftige kommen zum Petershof nach Marxloh. Trotzdem gibt’s dort auch gute Nachrichten.

Obdachlose, Bedürftige, Hungrige, Kranke und Ratsuchende, sie alle kommen hierher, zum Petershof nach Duisburg-Marxloh, um Hilfe zu bekommen. „Nächstenliebe ist nicht verhandelbar“, das Motto des Sozialpastoralen Zentrums und der örtlichen Kirchengemeinde St. Peter an der Mittelstraße ist kein leerer Spruch, sondern ein Versprechen an alle Menschen im Stadtteil. Für Pater Oliver Potschien ist es eine Kampfansage.

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Der Ordensbruder der Prämonstratenser und sein Team leben Nächstenliebe. Dabei scheuen sie keine Unbequemlichkeit und keine Konfrontation. Seit vor vier Jahren erstmals ein Obdachloser um Zuflucht bat, um nachts nicht zu erfrieren, übernachten Hilfsbedürftige am Petershof. Zunächst auf Feldbetten in der Kirche, später nebenan in Notschlafcontainern. Aus einem Provisorium wurde ein jahrelanger Dauerzustand, der bundesweit Aufmerksamkeit bekam. Fürs neue Jahr 2023 zeichnet sich endlich eine Lösung ab.

Obdachlosenhilfe am Marxloher Petershof freut sich über „einen großen Erfolg“

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„Die Unterbringungssituation hat sich deutlich entspannt. Die Stadt hat es geschafft, eine ganze Reihe von Leuten unterzubringen. Das ist ein großer Erfolg und sehr erfreulich“, sagt Pater Oliver der Redaktion. Diesmal gibt es keine Feldbetten in St. Peter, weil der Platz in den Containern reicht. Acht der insgesamt 16 Containerschlafplätze sind noch belegt. Die Obdachlosen, die dort übernachten, sind alle schwer krank, psychisch und körperlich. Alkohol- und drogenabhängig sowieso. „Man wird nicht ohne Grund obdachlos und lebt dann auf der Straße“, erläutert der Priester. Aktuell passe diese Gruppe nirgendwo hin, da sie bei der Unterbringung eine enge Betreuung benötige. „Das leistet die Stadt nicht.“

Die Notschlafcontainer am Petershof in Marxloh, gerade erst modernisiert und winterfest gemacht, könnten mithilfe der Stadt Duisburg vielleicht bald leergezogen werden. Aktuell kommen darin nur noch acht schwerkranke Obdachlose unter, die betreut werden müssen.
Die Notschlafcontainer am Petershof in Marxloh, gerade erst modernisiert und winterfest gemacht, könnten mithilfe der Stadt Duisburg vielleicht bald leergezogen werden. Aktuell kommen darin nur noch acht schwerkranke Obdachlose unter, die betreut werden müssen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Zwei der Verbliebenen bekommen am Petershof zweimal täglich eine medizinische Behandlung sowie Hilfe beim Waschen und Duschen. Aber wer „fit ist“, lobt Pater Oliver, den vermittelt sein Team reibungslos an die städtische Fachstelle für Wohnungsnotfälle. Diese wiederum organisiert einen Schlafplatz im Hotel Salm oder in der weiteren städtischen Unterkunft an der Memelstraße sowie den Transport dorthin. Zudem werden die Obdachlosen nach all den Jahren inzwischen „unkomplizierter und niederschwelliger untergebracht“, freut sich der Petershofleiter und Gemeindepfarrer über eine wirkliche Verbesserung. Die Stadt habe „die Not und das Unvermögen“ der Betroffenen jetzt „besser zur Kenntnis genommen“.

Für die Obdachlosen und die örtliche Obdachlosenhilfe bedeute dies einen großen Schritt. Der nächste müsse nun sein, auch die schwierigen Fälle unterzubringen, die bislang durchs Raster fallen. Dabei geben sich die Helferinnen und Helfer zuversichtlich – und haben schon Ideen, wie sie die hoffentlich bald komplett leergezogenen Container anderweitig nutzen können.

Armut wächst in Marxloh: Armenspeisung, Kleiderkammer und Beratungsstelle werden überrannt

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Geradezu überrannt werden allerdings die anderen Hilfsangebote. Der Andrang beim kostenlosen Mittagstisch wird immer größer, denn die Armut in Marxloh und im übrigen Duisburger Norden wächst stetig. Gut 70 Menschen stellen sich täglich bei der Armenspeisung für eine warme Mahlzeit an. Von alleinerziehenden Müttern mit kleinen Kindern bis zu Senioren.

Mehr und mehr Bedürftige besuchen außerdem die Kleiderkammer, weil sie sich keine warmen Pullover oder winterfeste Schuhe leisten können. Doch auch Kinderspielzeug wird dort verschenkt. Seitdem die Energiekosten steigen, ist auch die offene Waschküche vermehrt gefragt, und auf der Krankenstation ist ebenfalls immer gut zu tun.

Großen Andrang spürt außerdem die Beratungsstelle, die unter anderem mit Behördenschreiben im Amtsdeutsch weiterhilft. „Wir kämpfen hier sehr mit der Überlastung des Ausländeramtes“, so Pater Oliver. Demnach sei es ein großes Problem für viele Marxloher, wenn die Mitarbeiter der Behörde nicht erreichbar sind. Dann gerät die Hilfe vom Petershof an ihre Grenzen. Denn auch dort fallen Leute durchs Raster, für die die Behörden eine Lösung verweigern. Wie für einen Azubi am Sozialpastoralen Zentrum. Er ist in Duisburg geboren und zur Schule gegangen, besitzt aber keinen Pass. Er gilt in den Amtsstuben als Staatenloser, darf deshalb kein Bankkonto eröffnen und Deutschland nicht verlassen.

Petershof eröffnet 2023 eine mobile Zahnarztpraxis

Bei allen Problemen, gegen die der Petershof täglich ankämpft, weiß sein Leiter auch immer wieder Gutes zu berichten. So läuft der örtliche Boxverein DJK Eintracht Marxloh nach der Corona-Zeit wieder gut und bereitet Jugendliche und junge Erwachsene auf Wettkämpfe vor. Die Jugendgerichtshilfe schickt weiterhin zu Sozialstunden verurteilte Straftäter zu Pater Oliver, damit er sie auf den rechten Pfad zurückführt. Außerdem bildet er junge Leute aus der libanesischen Community zu Rettungssanitätern aus, die zusätzlich neben Türken, Kurden, Bulgaren und Rumänen zu Vorbildern und kulturellen Brückenbauern im Stadtteil werden sollen.

Schließlich ist in einer Seitenkapelle von St. Peter neuerdings eine mobile Zahnarztpraxis eingerichtet, die 2023 die Arbeit aufnimmt. „Das nächste Jahr wird nicht leicht“, weiß Pater Oliver Potschien. Doch der Petershof bleibt eine Bastion der Nächstenliebe.