Duisburg. Wanderungszahlen zeigen, wie stark die Zahl der Bulgaren und Rumänen in Duisburg gestiegen ist. OB Link kritisiert EuGH-Urteil zum Kindergeld.

Die Zuwanderung aus den EU-Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien stellt einige Kommunen an Rhein und Ruhr seit Jahren vor enorme Herausforderungen – insbesondere hoch verschuldete Städte mit Armutsproblem wie Gelsenkirchen und Duisburg. Eine Einzelauswertung der aktuellsten Wanderungsstatistik für Nordrhein-Westfalen verdeutlicht: In keiner anderen NRW-Stadt leben annähernd so viele Bulgaren und Rumänen wie in Duisburg.

Die Daten zu Zuzügen und Fortzügen deutscher und ausländischer Staatsangehöriger hat das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag an die Landesregierung veröffentlicht. Die AfD hatte auch die Extra-Ausweisung der Zahlen für bulgarische und rumänische Staatsangehörige angefragt.

Duisburg: Laut Statistik 91,7 Prozent mehr Bulgaren und Rumänen in sieben Jahren

Laut Ausländerzentralregister waren in der 500.000-Einwohner-Stadt Duisburg im Vorjahr insgesamt 23.260 Bulgarinnen und Bulgaren, Rumäninnen und Rumänen gemeldet. Das waren 645 (2,7 Prozent) weniger als 2020, aber 91,7 Prozent mehr als 2014. Damals waren demnach 12.134 Menschen dieser beiden Nationalitäten in Duisburg gemeldet.

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Mehr als 10.000 Bulgaren und Rumänen waren 2021 in Nordrhein-Westfalen nur in Duisburg, in der Millionenstadt Köln (13.805), in Dortmund (10.115) und im Kreis Gütersloh (13.320) gemeldet. Dort arbeiten Tausende Werkvertragsarbeiter aus Rumänien und Bulgarien in den Fleischverarbeitungsbetrieben der Tönnies-Gruppe. Stärker als in Duisburg (91,7 Prozent) war der Zuzug zwischen 2014 und 2021 beispielsweise in Gelsenkirchen (119,8 Prozent; 2021: 9470 gemeldete Rumänen und Bulgaren) und Essen (114,4 Prozent; 2021: 7940).

AfD-Politikerin fordert Abschaffung der Clearingstellen

Die Wanderungsstatistik unterstreiche eine „beunruhigende Entwicklung, die in vielen NRW-Städten seit vielen Jahren sehr viele finanzielle Mittel und Humanressourcen bindet“, sagt Enxhi Seli-Zacharias, integrationspolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion, Abgeordnete aus Gelsenkirchen. Zuwanderer aus Südosteuropa hätten „durchschnittlich ein weit geringeres Qualifikationsniveau. Gleichzeitig fokussiert sich die Zuwanderung auf bestimmte Städte in NRW.“

Enxhi Seli-Zacharias, Landtagsabgeordnete der AfD aus Gelsenkirchen.
Enxhi Seli-Zacharias, Landtagsabgeordnete der AfD aus Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Seli-Zacharias fordert für die Rechten eine stärkere und gezieltere Unterstützung für Kommunen wie Duisburg und Gelsenkirchen durch das Land. Sie spricht sich andererseits sogar für die Abschaffung der landesweit fünf Clearingstellen für Menschen ohne oder mit ungeklärtem Krankenversicherungsschutz aus. Zu den Hilfesuchenden dort gehören überwiegend Zuwanderer aus Südosteuropa. Seli-Zacharias kritisiert, die Patienten müssten „nach EU-Gesetzgebung bei Einreise eigentlich gültigen Krankenversicherungsschutz nachweisen“.

Der Fortbestand der Einrichtungen ist nur noch für sechs Monate gesichert, für diesen Zeitraum hat das Land die Finanzierung zugesagt. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) überprüft nach eigenen Angaben zurzeit die Finanzierung (wir berichteten).

Kindergeld-Urteil: Link wiederholt Kritik an EU-Zuwanderung

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link beklagt seit Jahren öffentlich die mangelnde Unterstützung durch Landes- und Bundesregierung sowie EU. Seinen Standpunkt erläuterte er etwa vor einem Jahr im Interview mit dieser Redaktion so: Ein Großteil der rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen in Duisburg erfülle „einfach nicht die Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit“. Vielen fehlten „die grundlegenden Skills, Sprachkenntnisse, Schulabschluss oder eine Berufsausbildung“, um mit ihrer Arbeit ihre Familien ernähren zu können. „Das aber wäre nach EU-Recht die Voraussetzung dafür, dass sich EU-Bürger länger als drei Monate in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten dürfen“, so Link.

Am Mittwoch brachte der OB das Thema aus aktuellem Anlass via Facebook erneut polarisierend auf die Agenda. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Wer nach Deutschland umzieht, kann hier Kindergeld beantragen – selbst wenn man keinen Job hat. Um das zu vermeiden, durfte die Familienkasse seit 2019 die Auszahlung verweigern, wenn ein Antragsteller in den ersten drei Monaten keine „inländischen Einkünfte“ bezieht.

„Ich bin sehr gespannt, wie die Bundesregierung mit diesem Urteil des #EuGH umgeht“, postete Link nun zum Urteil. „Wir brauchen ganz sicher schnell mehr Zuwanderung nach #deutschland, aber dann bitte geregelt und gesteuert nach Bedarf. Zuwanderung von Menschen, die vor allem zum Zwecke des Kindergeld- oder Sozialleistungsbezugs zu uns kommen (oder von kriminellen Banden hierhin gebracht werden) brauchen wir hingegen nicht.“

„Das hat nichts mit Arbeitnehmerfreizügigkeit zu tun“

Kritiker werfen dem Duisburger OB wegen Aussagen wie dieser seit Jahren Populismus und der von ihm geleiteten Stadtverwaltung wegen der Räumung von Schrottimmobilien durch eine „Taskforce“ sogar die systematische Diskriminierung von Sinti und Roma vor. Viele Bulgaren und Rumänen in Duisburg gehören diesen Volksgruppen an, die seit etwa 2008 auf der Flucht vor extremer Armut und Diskriminierung nach Duisburg kommen.

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD).
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD). © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In einem Kommentar unter seinem Facebook-Posting musste Sören Link am Mittwoch selbst die von ihm initiierte Diskussion beruhigen und zum „respektvollen Umgang“ aufrufen.

Seine Betrugsvorwürfe wiederholte er auch im Netzwerk noch mal: „Menschen kommen als EU-Zuwanderer, melden Kinder an und beziehen Kindergeld. Da eventuell vorhandene Qualifikationen und Sprachkenntnisse nicht ausreichen, werden wenn überhaupt schlecht bezahlte und abgesicherte Arbeitsverhältnisse begründet und aufstockende Sozialleistungen bezogen.“ Das habe für ihn „nichts mit ARBEITNEHMER-Freizügigkeit zu tun“. Dieses Modell werde „von kriminellen Banden ausgenutzt – zulasten des Sozialstaats und auf dem Rücken der Nachbarn und der Städte.“

>> WANDERUNGSSTATISTIK FÜR DUISBURG UND NRW

  • Die Stadt Duisburg zählte zum 31. März 2021 in Duisburg 13.630 bulgarische und 8992 rumänische Staatsangehörige. Die meisten von ihnen wohnen in Hochfeld oder Marxloh.
  • Eine weitere Duisburger Zahl aus der Antwort der Landesregierung: Im Vorjahr zogen 1624 Duisburger mit deutscher Staatsangehörigkeit ins Ausland um, 1610 kamen im Gegenzug aus dem Ausland nach Duisburg – woraus sich ein leichter Überschuss der Fortgezogenen ergibt (- 14; 2020: - 258).
  • Laut Wanderungsstatistik verließen im Vorjahr 204.000 Menschen NRW ins Ausland, darunter etwa 57.000 Deutsche und 147.000 Nichtdeutsche. Aus dem Ausland zogen im selben Zeitraum etwa 40.000 Deutsche und 218.000 Nichtdeutsche nach NRW. Unter dem Strich ergibt sich eine Abwanderung von landesweit 16.977 deutschen Staatsangehörigen ins Ausland (2020: 11.216) und eine Zuwanderung von 70.637 Nichtdeutschen nach NRW.
  • Die meisten NRW-Zuwanderer waren 2021 Angehörige der Staaten Rumänien (39.037), Polen (19.542), Bulgarien (17.469), Italien (7403) und Spanien (7046).