Duisburg. Wenig Geld, aber mit mehreren Kindern allein: Alleinerziehende verzweifeln in der Energiekrise. Zwei Mütter aus Duisburg berichten von ihrer Not.
Lebensmittel werden immer teurer, die Abschlagszahlungen für Strom und Gas erhöht. Die Inflation erschwert vielen Menschen den Alltag – vor allem denjenigen, die keine Zeit oder keine Kraft für einen Vollzeitjob haben, aber mehrere Kinder ernähren müssen: Alleinerziehende. Zwei alleinerziehende Mütter aus Duisburg berichten über ihr Leben in der Energiekrise, über Verzicht und den täglichen Kampf mit der Armut.
„Wenn ich an die nächste Energierechnung denke, könnte ich weinen“, sagt Sandra Bongers (50). Sie wohnt mit ihren beiden Söhnen Luca (16) und Marlon (14) in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung in Duisburg-Walsum. Außerdem hat sie vier Töchter im Alter zwischen 23 und 28 Jahren, die nicht mehr zu Hause wohnen. Seit 2003 ist sie mit ihren Kindern alleine.
Alleinerziehende in der Energiekrise: Einkaufen nur noch strikt nach Liste
Viel Geld steht Sandra Bongers im Monat nicht zur Verfügung: „Etwa 500 Euro, nach Abzug der Miete und Nebenkosten.“ 2013 wurde bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert. Seitdem ist sie Frührentnerin. „Vor der Energiekrise sind wir damit gut durchgekommen“, sagt sie. Zwar konnte sie fast noch nie richtige Urlaube machen. Auch die Weihnachtsgeschenke für ihre Jungs fielen meist klein aus. „Aber wir haben uns immer zu helfen gewusst.“
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Durch die Preissteigerungen habe sich das im Laufe des Jahres schlagartig geändert: „Meine Einkäufe sind jetzt doppelt so teuer. Ich erschrecke mich immer wieder, wie viel selbst die kleinsten Einkäufe kosten.“ Manchmal könne sie sich nicht mal Obst oder Gemüse leisten: „Dann denke ich mir, dass eine Tüte Chips und eine Tafel Schokolade für alle eigentlich am günstigsten wäre.“
Seit einigen Wochen kauft Sandra Bongers nur noch strikt nach einem Zettel ein und entscheidet vorher genau, welche Lebensmittel sie unbedingt braucht. „Ich muss vorher knallhart rechnen, was ich kaufen darf, damit das Geld auch am Ende des Monats noch reicht“, meint die 50-Jährige.
Auch Bongers’ Kinder verzichten in der Krise
In ihrer Freizeit gebe sie kaum noch Geld aus: „Kino, Zoo, Schwimmbad – das ist für uns alles zu teuer. Das mache ich nur noch ganz selten oder wenn ich von Freunden eingeladen werde.“ Das spüren auch ihre beiden Söhne: „Wenn wir uns etwas kaufen, darf das auch nicht teuer sein. Deswegen kaufen wir auch selten ein“, sagt der 16-jährige Luca.
Die Bongers sind wegen ihrer finanziellen Situation voller Sorge, aber auch frustriert: „Die Hilfen, die von der Regierung kommen, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Davon haben wir wenig“, sagt die 50-Jährige. Bisher habe sie nur die 300 Euro Energiepreispauschale erhalten und das 9-Euro-Ticket genutzt. „Aber langfristig hilft uns das nicht weiter.“
Die Duisburgerin hat bisher noch keinen Ausweg aus der Krise gefunden: „Ich könnte ja noch einen Minijob machen, aber dann bekommen wir kein Wohngeld. Das bringt ja auch nichts.“ Doch sie will den Kopf nicht verlieren. Sie habe in allen Krisen bisher positiv gedacht. „Das mache ich auch jetzt.“ Ihr innigster Wunsch: „Ich will nur einmal einkaufen gehen, ohne mir Gedanken zu machen, wie viel ich nur ausgeben darf.“
33-Jährige sagt: „Mir fehlen am Monatsende 300 Euro“
Den Einkauf streng kalkulieren, auf Ausgaben für Freizeit verzichten – solche alltäglichen Probleme hat auch eine 33-jährige Mutter aus Duisburg, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie kümmert sich um vier Kinder: zwei Mädchen, fünf und 14 Jahre alt, und zwei Jungs, elf und 16 Jahre alt. Seit zwei Jahren ist sie von ihrem Partner getrennt.
„Anfang des Jahres war alles noch okay. Jetzt fehlen auf einmal 300 Euro am Monatsende“, sagt die Duisburgerin. Vor allem die hohen Benzinkosten und steigende Lebensmittelpreise werden für sie zum Problem: „Wenn ich meinen Kindern Kekse kaufen möchte, muss ich ja direkt vier Packungen kaufen – für jeden eine. Da muss ich im Moment erst überlegen, ob ich mir das leisten kann.“
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Die Armut beschäftige sie jeden Tag: „Früher haben wir jeden Tag gekocht. Jetzt gibt es fast nur noch kalte Küche, weil wir Warmes nicht mehr bezahlen können.“
Kürzlich sei der Opa der Kinder gestorben. Die 33-Jährige hat so wenig Geld, dass sie den Kindern nicht mal Trauerkleidung für die Beerdigung kaufen kann: „Es ist eine Schande, dass man sich nicht Mal sowas leisten kann.“
Zurzeit absolviere sie eine Ausbildung zur Erzieherin. Um in der Energiekrise über die Runden zu kommen, denkt die Duisburgerin aber über einen drastischen Schritt nach: „Der einzige Ausweg könnte sein, meine Zukunft aufs Spiel zu setzen, die Ausbildung abzubrechen und Vollzeit irgendwo anders zu arbeiten.“