Duisburg-Beeck. Über 75 Jahre blieb der „Flieger-Doppelmord von Beeck“ fast unbeachtet – bis Traugott Vitz nachforscht. Er kämpft fürs Gedenken an zwei Briten.
Eine verwucherte, kleine Wiese, umringt von Bäumen und Brennnesselsträuchern, daneben der Parkplatz des BSV Beeck 05: Wer heute an der Grünfläche am Kamannshof in Duisburg-Beeck vorbeigeht, glaubt nicht, dass es sich dabei um einen historischen Tatort handelt.
Vor 77 Jahren wurden dort zwei britische Kriegsgefangene ermordet – der „Flieger-Doppelmord von Beeck“, wie Traugott Vitz (72) den Fall nennt. Der pensionierte Pfarrer aus Solingen forscht seit Jahren zum Tod der beiden Soldaten. Er kämpft für eine Gedenktafel – obwohl „der Mord nicht grausamer war als viele andere im Zweiten Weltkrieg“. Sein Antrieb ist ein anderer: „Wir können Namenlosen einen Namen geben.“
Fliegermord in Beeck: Das ist über den Fall bekannt
Traugott Vitz forscht leidenschaftlich nach Fliegermorden im Zweiten Weltkrieg. Beim Portal „Aircrew Remembered“ hat er ein eigenes Archiv angelegt, in dem er seine Forschungen dokumentiert. Mittlerweile umfasst es über 600 Einträge. 2016 ist er auf einen Online-Eintrag zum Fliegermord in Beeck gestoßen. Der Fall ist zwar abgeschlossen, die Täter wurden bestraft. Die Namen der Opfer waren aber lange nicht bekannt.
2018 lernte Vitz den Historiker Marc Hall kennen. Sie hatten zusammen einen ähnlichen Fliegermord in Essen aufgeklärt und dafür gesorgt, dass eine Gedenktafel an der Brücke über dem Borbecker Mühlenbach angebracht wurde. „Als wir damit fertig waren, fragte er mich, ob wir nicht noch einen Fall behandeln sollen. Da fiel mir sofort der Mord in Duisburg ein“, erzählt Vitz.
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Die Prozess- und Ermittlungsakten waren im britischen Nationalarchiv unter der Bezeichnung „WO 235/468 Nienhausen Case“ abgeheftet. Bekannt ist, dass zwei mit Fallschirmen abgesprungene britische Flieger-Soldaten in Meiderich landeten und auf dem Bauernhof der Familie Nienhaus von einem deutschen Zivilisten erschossen wurden.
Vitz und Hall durchsuchen 2000 Seiten Akten
„Es gab viele Kriegsverbrechen solcher Art. Dieser Mord war nicht hervorstechend grausam“, sagt Traugott Vitz. Das Besondere daran ist aber, dass es Vitz und Hall gelungen ist, die Namen der beiden ermordeten Soldaten herauszufinden. Dafür haben sie über 2000 Seiten Akten gewälzt, in britischen und australischen Archiven geforscht und teils handgeschriebene Zeugenaussagen analysiert. Sie identifizierten die ermordeten Soldaten als Flight Sergeant Derek Arthur Little und Sergeant Kenneth Grundy. Beide waren freiwillige Reservisten der Royal Air Force, also keine Berufssoldaten.
„Lange wusste niemand, wer die beiden Ermordeten waren. Unserer heutigen Gesellschaft tut es aber gut, mit einem Zeichen darauf aufmerksam gemacht zu werden, was vor knapp 80 Jahren vor der Haustür passiert ist“, erklärt Traugott Vitz. Deswegen will er an der Mordstelle eine Gedenktafel errichten lassen. Der Bauernhof Nienhaus wurde in den 1970er Jahren abgerissen. Die Tafel soll auf der Grünfläche neben der Gustav-Stresemann-Realschule stehen – dem ehemaligen Grundstück des Hofs.
Denkmal für britische Soldaten: So argumentieren Gegner
Beim ähnlichen Fall in Essen habe es auch Stimmen gegeben, die sich gegen ein Denkmal für britische Soldaten ausgesprochen hätten. So hätten Gegner argumentiert, dass durch die britischen Bombenangriffe viele deutsche Zivilisten gestorben seien und sie deswegen kein Denkmal verdient hätten. „An diese Toten wird seit Jahrzehnten am Volkstrauertag und mit Denkmälern erinnert. Von den britischen Opfern wissen hier aber viele nichts“, hält Vitz dagegen.
Der 72-Jährige will das Denkmal unbedingt – nicht nur, damit Passanten im Vorbeigehen einen kurzen Blick darauf werfen: „Das sollte auch im Englisch- und Geschichtsunterricht behandelt werden. Und das macht man am besten, indem man das Erinnerungszeichen an der Mordstelle besucht.“
>> DENKMAL IN BEECK: DAS IST GEPLANT
- Die Bezirksvertretung Meiderich/Beeck muss darüber entscheiden, wie genau die Gedenktafel aussehen und finanziert werden soll. Einen BV-Beschluss zur Tafel gibt es noch nicht. Bezirksbürgermeister Peter Hoppe sagte jedoch auf Anfrage: „Wir haben das Zeichen auf dem Schirm. 2023 werden wir uns darum kümmern.“
- Peter Hoppe zufolge werde gerade geklärt, wem das Grundstück gehört, auf dem die Tafel stehen soll. Außerdem werde ein Betrieb gesucht, der die Gravur-Platte herstellt. Insgesamt soll die Erinnerungstafel zwischen 3000 und 4000 Euro kosten. Woher das Geld kommt, ist noch unklar.