Duisburg. Duisburg geht in einer Siedlung gegen grobe Denkmalschutz-Verstöße vor. Betroffene schöpfen jetzt Hoffnung, zum Aufatmen ist es aber zu früh.

Der Aufruhr in der denkmalgeschützten Zechensiedlung war groß, aber jetzt wächst dort wieder die Hoffnung. Die Duisburger Denkmalbehörde hat, wie berichtet, in dem Wohnquartier rund um den Bergmannsplatz in Neumühl erhebliche Verstöße ausgemacht und angemahnt.

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Weil allein an der Borussiastraße gut zwei Dutzend Vorgärten unerlaubt verschwunden sind und asphaltiert wurden, hat die Stadt Duisburg von den Hauseigentümern mit kurzer Frist bis Dezember verlangt, den „denkmalgerechten Zustand wiederherzustellen“ und Ordnungsverfahren angedroht. Verstöße an anderen Straßen, so die Behörde, sind ebenfalls bekannt und entsprechende Anschreiben schon angekündigt. Nach den Vorgärten will sich die Stadt dann den teils zahlreichen Verstößen an den Zechenhäusern selbst widmen.

Keine rechtliche Handhabe: Denkmalschutz der Neumühler Zechensiedlung muss bleiben

Daraufhin forderte Ratsherr Karlheinz Hagenbuck (SGU), den seit 1996 geltenden Denkmalschutz in der Arbeitersiedlung abzuschaffen. In der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung Hamborn hat die Stadt jedoch unmissverständlich klargemacht, dass der Denkmalschutz bestehen bleibt – nicht nur, weil der Bezirksvertretung demnach die rechtliche Handhabe fehlt, ihn aufzuheben. Daher zog die Fraktion Linke/SGU ihren entsprechenden Antrag zurück.

Nicht nur die Zechenhäuser in der Neumühler Siedlung sind geschützt, sondern auch die Vorgärten. (Archivbild)
Nicht nur die Zechenhäuser in der Neumühler Siedlung sind geschützt, sondern auch die Vorgärten. (Archivbild) © Funke Foto Services | Udo Milbret

Etappensieg für betroffene Hauseigentümer

Dennoch hat das Gremium anschließend für die Anwohner einen Etappensieg errungen. „Die Frist ist ausgesetzt, das hat uns die Stadt zugesichert“, sagt Hagenbuck jetzt im Gespräch mit der Redaktion. „Damit gibt es in der Siedlung erstmal keine weitere Unruhe.“ Allerdings wollen sich die Hamborner Bezirksvertreter dabei nicht nur auf das Wort der Verwaltung verlassen. Mit deren Informationen zur aktuellen Rechtslage haben sie unter Federführung der SPD als größte Fraktion einen neuen Antrag formuliert und beschlossen.

Für ein Aufatmen der betroffenen Hauseigentümer ist es aber noch zu früh, wie Bezirksbürgermeisterin Martina Herrmann (SPD) erläutert: „Zunächst haben wir Zeit erkauft“, und die Verwaltung habe nun „fehlendes Feingefühl wettgemacht“. Denn die Frist für die Rückbauten und mögliche Ordnungsverfahren sei solange ausgesetzt, bis die Verwaltung „konstruktive Lösungen“ ausgearbeitet hat und den Eigentümern vorstellt. Außerdem werden Nachbarn in anderen Straßen mit unerlaubt entfernten Vorgärten, anders als ursprünglich angekündigt, solange auch keine Probleme wegen der Verstöße bekommen.

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Geprüft werden soll zusätzlich, ob die geltende Gestaltungsfibel für die Siedlung überarbeitet werden kann. Darin ist aufgeführt, welche Veränderungen und Baumaßnahmen vorgenommen werden dürfen, ohne den Denkmalschutz zu verletzen. „Grundsätzlich ist alles, was das Erscheinungsbild einer Siedlung prägt, auch geschützt“, erläutert Stadtsprecher Falko Firlus, das schließt etwa „die Dacheindeckung, der Außenanstrich, die Haustür, der Plattenweg, Treppenbeläge, Zäune und auch Briefkästen, Hausnummern, Außenbeleuchtung“ ein.

Die Gärten genießen dem Stadtsprecher zufolge allerdings als „wesentliches Gestaltungselement einer Siedlung“ einen besonders hohen Schutz. Doch unter den 21 geschützten Siedlungen im Stadtgebiet, so Firlus weiter, werden „immer öfter die dortigen Vorgärten versiegelt“, was „die Denkmalbehörde entsprechend zum Handeln zwingt“.

Stadt Duisburg: Jeder vierte Vorgarten in der Siedlung ist bereits versiegelt

In dem Neumühler Quartier mit seinen Hunderten Zechenhäusern betrifft dies nach Angaben der Behörden bereits etwa jeden vierten Vorgarten. Jedoch betont Falko Firlus: „Der Großteil des [Duisburger] Siedlungsbestandes befindet sich Dank der Pflege ihrer Bewohner und Eigentümer allerdings in einem ordnungsgemäßen und guten Zustand.“

Das gilt auch für die meisten Zechenhäuser in Neumühl und ihre Gärten, wie Anwohner der Redaktion versichern und von guter Zusammenarbeit mit den städtischen Denkmalschützern bei Renovierungen oder Umbauten berichten.

Dass überhaupt jemand von der Denkmalbehörde gezwungen wird, die Pflastersteine vor dem Zechenhaus rauszureißen und wieder einen Vorgarten zu pflanzen, will Karlheinz Hagenbuck weiterhin verhindern und fordert daher Bestandsschutz. Es sei seine „große Hoffnung“, dass die Behörden ihn gewähren und dass demnächst keine Bagger durch den Stadtteil fahren, um Gärten zurückzubauen. Zumal, so der Ratsherr, längst nicht in jedem Fall die Vorgärten deshalb verschwanden, um dort einen Parkplatz zu haben. Vereinzelt sei dieser Schritt nötig geworden, um durchfeuchtete Wände und nasse Keller loszuwerden.

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Als Argument für einen Bestandsschutz sieht er außerdem, dass die Stadt 1996, als die Zechenhaussiedlung unter Denkmalschutz gestellt wurde, den Zustand nicht dokumentiert hat. Tatsächlich verlangt das Rathaus jetzt von den Hauseigentümern, dass sie selbst nachweisen, wann genau ihre Vorgärten verschwanden und ob ein Verstoß gegen den Denkmalschutz von 1996 vorliegt. „Es ist Bewegung reingekommen, und am Ende kommen wir zu einer guten Lösung“, zeigt sich Hagenbuck zunächst zufrieden.

Diese Überzeugung teilt auch die Bezirksbürgermeisterin, sieht aber Oberbürgermeister Sören Link (SPD) in der Pflicht, zusammen mit den Fachleuten aus der Denkmalschutzbehörde die Situation „mit Augenmaß“ zu regeln.

Gesetzesänderung soll den Neumühlern helfen

Die Hauseigentümer sollten sich aber keine falschen Hoffnungen machen, warnt der für Neumühl zuständige SPD-Ratsherr Sebastian Haak: „Ich befürchte, dass tatsächlich Gärten zurückgebaut werden müssen.“ Denn die Denkmalbehörde habe deutlich gemacht, dass sie sich natürlich an geltendes Recht halten werde.

Darüber entscheidet das Land. Eine seit Juni geltende Neufassung des Denkmalschutzgesetzes NRW, so Haak weiter, erlaube Hauseigentümern aber neuerdings energetische Sanierungen. Daher werde es Anfang 2023 in der Bergmannsiedlung einen gemeinsamen Termin mit der städtischen Denkmalbehörde und der Politik geben. Er soll klären, welche bereits getätigten Umbauten zulässig sind und was zukünftig genehmigt werden kann – vielleicht Dämmungen oder Photovoltaik auf dem Dach, um Energiekosten zu sparen.

Kein „Lex Neumühl“: Auswirkungen auf alle Duisburger Zechenhausiedlungen

Eine Ausnahme für die Zechenhäuser am Bergmannsplatz, ein „Lex Neumühl“, lehnt Sebastian Haak allerdings strikt ab. Die Gestaltungsfibeln sollen daher, fordert er, nach der jüngsten Gesetzesänderung für alle geschützten Duisburger Wohnquartiere überarbeitet und angepasst werden. Einen entsprechenden Antrag werde die SPD für den Rat der Stadt erarbeiten.

>> VERSTÖSSE IN ALLEN 21 GESCHÜTZTEN SIEDLUNGEN IN DUISBURG

● Alle 21 denkmalgeschützten Siedlungen werden nach Angaben der Stadt regelmäßig durch die Behörden kontrolliert, wenn etwa Umbauten genehmigt werden müssen oder wenn Hinweise auf Verstöße gemeldet werden.

● „Bedauerlicherweise werden in allen Siedlungen bei den Kontrollen immer wieder Verstöße gegen denkmalrechtliche Belange festgestellt“, so Stadtsprecher Falko Firlus. Um „möglichen Konflikten schon im Vorfeld [zu begegnen]“, ist vorgeschrieben, sich Umbauten vorher bei der Stadt genehmigen zu lassen.

● Unabhängig vom Denkmalschutz ist aktuell in ganz Duisburg verboten, Vorgärten zu versiegeln oder Stein- und Schottergärten anzulegen. Steingärten, die vor 2019 angelegt wurden, haben allerdings Bestandsschutz.