Duisburg-Meiderich. Ein Junge (12) starb nach einem Stromschlag auf einem Güterwaggon in Duisburg-Meiderich. Es gibt Konsequenzen – aber auch weitere Forderungen.
Fröhliches Kinderlachen ist schon von weitem zu hören. Der Spielplatz im Meidericher Stadtpark ist nachmittags gut gefüllt, viele Kinder klettern auf den Gerüsten und auf die Rutschen oder spielen im Sand. Ihre Mütter und vereinzelt auch Väter beteiligen sich dabei oder beobachten sie, während sie Spaß haben. Das tödliche Unglück nebenan hat sich längst noch nicht zu allen Familien im Stadtpark herumgesprochen.
Ein zwölfjähriger Junge war am 21. August von diesem Spielplatz aus zum angrenzenden Bahngelände herübergeklettert und hat auf einem stehenden Güterwaggon einen Stromschlag und schwerste Verbrennungen erlitten. Zwei Tage später ist er in einer Spezialklinik in Bochum gestorben.
Stromschlag auf Güterwaggon in Duisburg: Debatte um Kinderschutz ist neu entfacht
Das hat die Debatte neu entfacht, wie Kinder und Jugendliche künftig besser geschützt werden können. „Wir brauchen endlich einen gescheiten Zaun“, fordert Reinhard Efkemann. Der Vorsitzende des Seniorenbeirats war früher SPD-Bezirksvertreter und hat schon lange vor den Gefahren gewarnt. Demnach laufen Kinder im Stadtpark oft ungehindert den kleinen bewachsenen Erdwall zum Bahngelände hoch und dann die Böschung runter. „Beinahe-Ereignisse gab es schon immer“, sagt Efkemann und erinnert sich beispielsweise an einen Vorfall aus den 90ern; der habe jedoch nicht tödlich geendet.
Die Deutsche Bahn zeigt sich über das tödliche Unglück „tief betroffen“. „Es ist der erste Unfall dieser Art auf diesem Gelände“, so ein Bahnsprecher. Natürlich sei „jeder Unfall einer zu viel“, weshalb der Konzern daraus Konsequenzen ziehen werde, damit sich dies möglichst nicht wiederholt. So ist mit der Bundespolizei, die auch für die Sicherheit des Güterterminals neben dem Stadtpark zuständig ist, eine gemeinsame Begehung angesetzt. Dabei solle etwa geprüft werden, ob bauliche Maßnahmen nötig sind. Das können demnach zusätzliche Warnschilder, ein riesiges Spannbanner oder auch ein Zaun sein.
Deutsche Bahn setzt auf Unfallprävention
Aktuell sagt die Bahn jedoch keinen Zaun oder eine andere Absperrung zu. „Immer wieder werden Forderungen erhoben, Bahnanlagen einzuzäunen“, schreibt der Konzern, verweist jedoch auf ein bundesweites „Streckennetz von knapp 34.000 Kilometern Länge, das auch durch bewohnte Gebiete führt“. Da sei eine Zaunlänge nötig, die „zweimal um den Äquator“ reiche.
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In Meiderich ist es jedoch kein Kilometer, den das Bahngelände an den Stadtpark grenzt. Doch diese Grenze ist lang genug, dass die Deutsche Bahn einem Zaun zunächst skeptisch gegenübersteht. Sie will vielmehr auf Unfallprävention setzen. Bundespolizisten haben demnach bereits mit der Schule des verstorbenen Zwölfjährigen Kontakt aufgenommen, geplant ist ein Aufklärungsbesuch mit Bahnmitarbeitern, wie sie auch deutschlandweit an anderen Schulen durchgeführt werden – turnusgemäß, ohne vorherigen Unfall.
Die klare Botschaft: „Das Betreten von Bahnanlagen ist strengstens verboten“, betont der Konzernsprecher, „dort lauern Gefahren, die man nicht sieht oder hört.“ Davor warnen am Güterterminal Schilder mit Piktogrammen. Sie scheinen Jugendliche nicht abzuschrecken.
Dass sich der Junge ganz bewusst dazu entschieden hat, das Güterterminal zu betreten, davon sind auch die städtischen Wirtschaftsbetriebe überzeugt, die für den Park zuständig sind. „Man kann nicht aus Versehen aufs Bahngelände gelangen“, ordnet Sprecherin Silke Kersken ein und verweist auf einen gut 15 Meter breiten Waldstreifen. „Man muss viele Hürden überwinden, durchs Gehölz kraxeln und dann eine Böschung hoch.“ Jeder, der wirklich auf das Grundstück möchte, schafft dies allerdings aus Sicht der Wirtschaftsbetriebe. Außerdem ist es für die Stadttochter fraglich, ob ein Zaun Jugendliche überhaupt aufhalten würde.
Eltern und Kinder bleiben dem Stadtpark auch nach dem tragischen Vorfall treu
Dagegen finden die Eltern auf dem Spielplatz nicht gut, dass das Güterterminal nicht besser abgesichert ist, dass es keine Absperrung gibt. Denn ein kahlgetretener Trampelpfad führt zwischen Bäumen und Sträuchern in Richtung Bahnareal. „Da hoch schaffen es auch kleine Kinder“, ist Bianca Hahn überzeugt. Deshalb behalte sie ihren Nachwuchs (vier und fünf Jahre alt) immer im Auge, wie viele Mütter und Väter mit jüngeren Kindern.
„Es tut mir sehr leid um den Jungen“, sagt Tatjana Elis traurig, als sie von dem tödlichen Vorfall erfährt. Aber für sie stehe außer Frage, dass sie mit ihrer Familie weiter herkommt. „Das ist ein schöner Park und der ideale Ort, sobald es über 30 Grad wird. Überall ist Schatten und die Kinder können sogar mit Wasser spielen.“ Außerdem, ergänzt Lisa Fleuren nebenan vorm Klettergerüst, „sage ich meinen Kindern, dass die Schienen und die Züge gefährlich sind“.
Dass warnende Worte und Schilder mit Piktogrammen nicht ausreichen, davon ist hingegen Lokalpolitiker Reimund Efkemann überzeugt. Gerade Jugendliche im Teenager-Alter gingen ja nicht mehr mit ihren Eltern in den Park und stürzten sich aus Neugier oder Abenteuerlust in die Büsche zum Bahn-Gelände. Da die Deutsche Bahn allein im Umfeld der KV-Drehscheibe zig Meter an Lärmschutzwänden baue, sei „ein Zaun zum Schutz unserer Kinder“, findet er, das Mindeste. Doch diese Ansicht teilt die Konzernzentrale offenkundig nicht.
>> DEUTSCHE BAHN WARNT: TODESGEFAHR DURCH OBERLEITUNGEN
- Die Deutsche Bahn warnt ausdrücklich davor, Bahngelände unbefugt zu betreten.
- So heißt es in einem allgemeinen Info-Schreiben zum Verhalten an Bahnanlagen: „Besondere Vorsicht ist bei elektrischen Oberleitungen mit einer Spannung von 15.000 Volt geboten. Berührungen verursachen meist tödliche Verletzungen. Selbst bei einem Abstand von bis zu eineinhalb Metern kann der Strom in einem Lichtbogen überspringen.
- Es gelte deshalb ausreichend Abstand zur Oberleitung zu halten und sich nicht etwa durch das Klettern auf Fahrzeuge, selbst wenn diese abgestellt seien, in Lebensgefahr zu bringen.